und hat daher auch nur da ein solches, wo der Beruf es fordert. Das nun ist nur da der Fall, wo der Beruf dem öffentlichen Dienste gehört; nur noch in diesem Sinne gibt es "Stände" mit eigenem Recht in der staatsbürgerlichen Gesellschaft (Militärstand, Beamten- stand, Lehrstand u. s. w.) und das Berufsrecht und seine Vorrechte sind daher nichts als Theile und Gebiete des Staatsdienstrechts, und fallen in dieser Beziehung unter die Staatsdienstgesetzgebung. Hier hat also die Verwaltung gar kein Gebiet mehr, während das der Geschichte stets ein reiches bleiben wird.
Zweiter Theil. Die Verwaltung und die gesellschaftliche Noth.
Begriff und Princip.
Neben der rechtlichen Begränzung der Persönlichkeit ist nun das zweite Element, welches der freien gesellschaftlichen Bewegung entgegen- steht, der Mangel an den materiellen Bedingungen des persönlichen Daseins. Den Zustand, der daraus hervorgeht, nennen wir die Noth. Die Beseitigung der Noth ist daher die zweite große Voraus- setzung der Entwicklung in der Gesellschaft. Der Begriff der Noth setzt aber selbst schon voraus, daß sich der Einzelne durch eigene Kraft nicht helfen kann. Sie ist daher eine Aufgabe der Verwaltung, und diese Aufgabe bildet dann den zweiten Theil der Verwaltung der Gesellschaft.
Allerdings nun hat die Noth verschiedene Formen und Grade. Allein allen ist Eins gemein. Die Noth unterwirft die an sich freie Persönlichkeit der Gewalt derjenigen Dinge, welche ihr Bedürfniß be- friedigen. Die Noth ist daher nicht bloß eine Gefahr, sondern sie ist Unfreiheit für den, der sie leidet. Eben deßhalb ist ihre Beseitigung nicht mehr bloß Sache des Einzelnen, sondern der Gemeinschaft. Es ist daher das erste Princip dieses Theiles der Verwaltung, daß die Gemeinschaft mit ihren Kräften der wirklichen Noth des Einzel- nen abhelfen müsse.
Das mächtige ethische Element nun, das darin liegt, hat nun von jeher da wo eine solche wirkliche Noth vorhanden war, auch theils die Herzen, theils den Verstand der Einzelnen bestimmt, als Einzelne dem nothleidenden Einzelnen zu Hülfe zu kommen. Das was vom Einzelnen zum Einzelnen geschieht, ist aber nicht Sache der Verwaltung. Allein die Noth ist in allen Verhältnissen der Menschheit ein stets vor- handener Zustand, der niemals bei dem Einzelnen stehen bleibt; das, was der Einzelne thut und thun kann, ist daher auch nie ausreichend,
und hat daher auch nur da ein ſolches, wo der Beruf es fordert. Das nun iſt nur da der Fall, wo der Beruf dem öffentlichen Dienſte gehört; nur noch in dieſem Sinne gibt es „Stände“ mit eigenem Recht in der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft (Militärſtand, Beamten- ſtand, Lehrſtand u. ſ. w.) und das Berufsrecht und ſeine Vorrechte ſind daher nichts als Theile und Gebiete des Staatsdienſtrechts, und fallen in dieſer Beziehung unter die Staatsdienſtgeſetzgebung. Hier hat alſo die Verwaltung gar kein Gebiet mehr, während das der Geſchichte ſtets ein reiches bleiben wird.
Zweiter Theil. Die Verwaltung und die geſellſchaftliche Noth.
Begriff und Princip.
Neben der rechtlichen Begränzung der Perſönlichkeit iſt nun das zweite Element, welches der freien geſellſchaftlichen Bewegung entgegen- ſteht, der Mangel an den materiellen Bedingungen des perſönlichen Daſeins. Den Zuſtand, der daraus hervorgeht, nennen wir die Noth. Die Beſeitigung der Noth iſt daher die zweite große Voraus- ſetzung der Entwicklung in der Geſellſchaft. Der Begriff der Noth ſetzt aber ſelbſt ſchon voraus, daß ſich der Einzelne durch eigene Kraft nicht helfen kann. Sie iſt daher eine Aufgabe der Verwaltung, und dieſe Aufgabe bildet dann den zweiten Theil der Verwaltung der Geſellſchaft.
Allerdings nun hat die Noth verſchiedene Formen und Grade. Allein allen iſt Eins gemein. Die Noth unterwirft die an ſich freie Perſönlichkeit der Gewalt derjenigen Dinge, welche ihr Bedürfniß be- friedigen. Die Noth iſt daher nicht bloß eine Gefahr, ſondern ſie iſt Unfreiheit für den, der ſie leidet. Eben deßhalb iſt ihre Beſeitigung nicht mehr bloß Sache des Einzelnen, ſondern der Gemeinſchaft. Es iſt daher das erſte Princip dieſes Theiles der Verwaltung, daß die Gemeinſchaft mit ihren Kräften der wirklichen Noth des Einzel- nen abhelfen müſſe.
Das mächtige ethiſche Element nun, das darin liegt, hat nun von jeher da wo eine ſolche wirkliche Noth vorhanden war, auch theils die Herzen, theils den Verſtand der Einzelnen beſtimmt, als Einzelne dem nothleidenden Einzelnen zu Hülfe zu kommen. Das was vom Einzelnen zum Einzelnen geſchieht, iſt aber nicht Sache der Verwaltung. Allein die Noth iſt in allen Verhältniſſen der Menſchheit ein ſtets vor- handener Zuſtand, der niemals bei dem Einzelnen ſtehen bleibt; das, was der Einzelne thut und thun kann, iſt daher auch nie ausreichend,
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[411/0435]
und hat daher auch nur da ein ſolches, wo der Beruf es fordert.
Das nun iſt nur da der Fall, wo der Beruf dem öffentlichen Dienſte
gehört; nur noch in dieſem Sinne gibt es „Stände“ mit eigenem
Recht in der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft (Militärſtand, Beamten-
ſtand, Lehrſtand u. ſ. w.) und das Berufsrecht und ſeine Vorrechte
ſind daher nichts als Theile und Gebiete des Staatsdienſtrechts,
und fallen in dieſer Beziehung unter die Staatsdienſtgeſetzgebung.
Hier hat alſo die Verwaltung gar kein Gebiet mehr, während das der
Geſchichte ſtets ein reiches bleiben wird.
Zweiter Theil.
Die Verwaltung und die geſellſchaftliche Noth.
Begriff und Princip.
Neben der rechtlichen Begränzung der Perſönlichkeit iſt nun das
zweite Element, welches der freien geſellſchaftlichen Bewegung entgegen-
ſteht, der Mangel an den materiellen Bedingungen des perſönlichen
Daſeins. Den Zuſtand, der daraus hervorgeht, nennen wir die
Noth. Die Beſeitigung der Noth iſt daher die zweite große Voraus-
ſetzung der Entwicklung in der Geſellſchaft. Der Begriff der Noth
ſetzt aber ſelbſt ſchon voraus, daß ſich der Einzelne durch eigene Kraft
nicht helfen kann. Sie iſt daher eine Aufgabe der Verwaltung, und dieſe
Aufgabe bildet dann den zweiten Theil der Verwaltung der Geſellſchaft.
Allerdings nun hat die Noth verſchiedene Formen und Grade.
Allein allen iſt Eins gemein. Die Noth unterwirft die an ſich freie
Perſönlichkeit der Gewalt derjenigen Dinge, welche ihr Bedürfniß be-
friedigen. Die Noth iſt daher nicht bloß eine Gefahr, ſondern ſie iſt
Unfreiheit für den, der ſie leidet. Eben deßhalb iſt ihre Beſeitigung
nicht mehr bloß Sache des Einzelnen, ſondern der Gemeinſchaft. Es
iſt daher das erſte Princip dieſes Theiles der Verwaltung, daß die
Gemeinſchaft mit ihren Kräften der wirklichen Noth des Einzel-
nen abhelfen müſſe.
Das mächtige ethiſche Element nun, das darin liegt, hat nun von
jeher da wo eine ſolche wirkliche Noth vorhanden war, auch theils
die Herzen, theils den Verſtand der Einzelnen beſtimmt, als Einzelne
dem nothleidenden Einzelnen zu Hülfe zu kommen. Das was vom
Einzelnen zum Einzelnen geſchieht, iſt aber nicht Sache der Verwaltung.
Allein die Noth iſt in allen Verhältniſſen der Menſchheit ein ſtets vor-
handener Zuſtand, der niemals bei dem Einzelnen ſtehen bleibt; das,
was der Einzelne thut und thun kann, iſt daher auch nie ausreichend,
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/435>, abgerufen am 22.11.2024.
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