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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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rung des neuen Armenwesens, Anerkennung des Bettels als Vergehen, und
Umwandlung in die Maisons de correction. Das System des Code Penal
Art. 269 ff. macht dann den Bettel zu einer bloßen Uebertretung, und straft
ihn durch die Police correctionelle; daneben die Errichtung der depots
de mendicite
mit Zwangspässen und mechanischer gezwungener Arbeit und
Tagelohn; anbefohlen durch Decret vom 5. Juli 1808 für jedes Departement;
es existiren jedoch nur zwanzig. Ueber entlassene Sträflinge Gerando III.
441 ff. -- In Deutschland wird die Frage nach der Errichtung rationeller
Arbeitshäuser in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts Gegenstand
eifriger Untersuchungen mit Literatur für und gegen dieselben seit Rulffs,
über die Preisfrage der vortheilhaftesten Errichtung der Arbeitshäuser 1785;
dagegen Naville, dafür Gerando III. 558. Rau fordert mit Recht die
Unterscheidung der freien Arbeitshäuser von den Zwangsarbeitshäusern;
freilich erscheinen die ersteren als gänzlich unpraktisch. (Literatur bei Rau II.
§. 345. 348.) Positives Recht der deutschen Strafgesetzgebung ist im Allgemeinen
auf dem Standpunkt der Bestrafung des Bettelns geblieben, meist in Ver-
bindung mit den Bestimmungen über Heimathsrecht, Schulwesen und einem
sehr wenig entwickelten System von Arbeitshäusern. Das klassische Werk über
Vagabundenthum: Ave Lallemant, das deutsche Gaunerthum 4 Bde; der
Proceß der Scheidung der Zucht- und Strafhäuser von den Arbeitshäusern:
Wagnitz, die merkwürdigsten Zucht- und Arbeitshäuser in Deutschland. --
Preußen: Simon und Rönne, Polizeiwesen I. 522; die älteren Edikte seit
1669; s. Döhl, Armenwesen S. 5; dann das Allgem. Landrecht II. 19. 3--5
(Strafe der Arbeitsscheu); dann Strafgesetzbuch §. 117--119. Arbeitshäuser
sind nur lokal (Rönne, Staatsrecht II. §. 338). Reglement über Verwaltung
des Armen- und Corrigendenwesens vom 26. Sept. 1864 (durch eine vom
Kreistag gewählte Commission von vier Mitgliedern). -- Oesterreich: die
Bettelpässe aufgehoben 1785; Versuche, das "unordentliche Almosengeben" zu
beseitigen (in Verbindung mit dem Armeninstitute, s. unten) seit 1783; Bettel-
polizei den Magistraten übertragen (Gewerbeordnung von 1849, §. 120); Er-
richtung von Zwangsarbeitshäusern 1811 und 1817 (Strafgesetzbuch §. 518
und 519); Ordnung der Arbeitshäuser nach den Provinzen; s. Stubenrauch,
Verwaltungsgesetzkunde §. 338 und I. §. 198. -- Bayern: "Vagantenwesen"
Mandat von 1816 (Pözl, Verwaltungsrecht §. 84). -- Württemberg:
Mohl
, Verwaltungsrecht §. 186. Verordnung von 1825. -- Waldburg: das
Princip der Individualisirung in der Strafrechtspflege 1869, Abth. VIII. Ein-
zelne Gesetzgebungen s. Stein, Polizeirecht S. 161 ff. Ueber Lagerstätten
leider noch wenig Literatur; s. Rau, Volkswirthschaftspflege II. §. 342.

II. Das Armenwesen.
Armuth und Armenwesen.

Vielleicht ist es bei dem mächtigen Stoffe, der hohen Wichtigkeit
der Sache und den tiefgreifenden Consequenzen derselben nirgend wich-
tiger als hier, sich über die formalen Grundlagen einig zu sein.

rung des neuen Armenweſens, Anerkennung des Bettels als Vergehen, und
Umwandlung in die Maisons de correction. Das Syſtem des Code Pénal
Art. 269 ff. macht dann den Bettel zu einer bloßen Uebertretung, und ſtraft
ihn durch die Police correctionelle; daneben die Errichtung der dépots
de mendicité
mit Zwangspäſſen und mechaniſcher gezwungener Arbeit und
Tagelohn; anbefohlen durch Decret vom 5. Juli 1808 für jedes Departement;
es exiſtiren jedoch nur zwanzig. Ueber entlaſſene Sträflinge Gerando III.
441 ff. — In Deutſchland wird die Frage nach der Errichtung rationeller
Arbeitshäuſer in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts Gegenſtand
eifriger Unterſuchungen mit Literatur für und gegen dieſelben ſeit Rulffs,
über die Preisfrage der vortheilhafteſten Errichtung der Arbeitshäuſer 1785;
dagegen Naville, dafür Gerando III. 558. Rau fordert mit Recht die
Unterſcheidung der freien Arbeitshäuſer von den Zwangsarbeitshäuſern;
freilich erſcheinen die erſteren als gänzlich unpraktiſch. (Literatur bei Rau II.
§. 345. 348.) Poſitives Recht der deutſchen Strafgeſetzgebung iſt im Allgemeinen
auf dem Standpunkt der Beſtrafung des Bettelns geblieben, meiſt in Ver-
bindung mit den Beſtimmungen über Heimathsrecht, Schulweſen und einem
ſehr wenig entwickelten Syſtem von Arbeitshäuſern. Das klaſſiſche Werk über
Vagabundenthum: Avé Lallemant, das deutſche Gaunerthum 4 Bde; der
Proceß der Scheidung der Zucht- und Strafhäuſer von den Arbeitshäuſern:
Wagnitz, die merkwürdigſten Zucht- und Arbeitshäuſer in Deutſchland. —
Preußen: Simon und Rönne, Polizeiweſen I. 522; die älteren Edikte ſeit
1669; ſ. Döhl, Armenweſen S. 5; dann das Allgem. Landrecht II. 19. 3—5
(Strafe der Arbeitsſcheu); dann Strafgeſetzbuch §. 117—119. Arbeitshäuſer
ſind nur lokal (Rönne, Staatsrecht II. §. 338). Reglement über Verwaltung
des Armen- und Corrigendenweſens vom 26. Sept. 1864 (durch eine vom
Kreistag gewählte Commiſſion von vier Mitgliedern). — Oeſterreich: die
Bettelpäſſe aufgehoben 1785; Verſuche, das „unordentliche Almoſengeben“ zu
beſeitigen (in Verbindung mit dem Armeninſtitute, ſ. unten) ſeit 1783; Bettel-
polizei den Magiſtraten übertragen (Gewerbeordnung von 1849, §. 120); Er-
richtung von Zwangsarbeitshäuſern 1811 und 1817 (Strafgeſetzbuch §. 518
und 519); Ordnung der Arbeitshäuſer nach den Provinzen; ſ. Stubenrauch,
Verwaltungsgeſetzkunde §. 338 und I. §. 198. — Bayern: „Vagantenweſen“
Mandat von 1816 (Pözl, Verwaltungsrecht §. 84). — Württemberg:
Mohl
, Verwaltungsrecht §. 186. Verordnung von 1825. — Waldburg: das
Princip der Individualiſirung in der Strafrechtspflege 1869, Abth. VIII. Ein-
zelne Geſetzgebungen ſ. Stein, Polizeirecht S. 161 ff. Ueber Lagerſtätten
leider noch wenig Literatur; ſ. Rau, Volkswirthſchaftspflege II. §. 342.

II. Das Armenweſen.
Armuth und Armenweſen.

Vielleicht iſt es bei dem mächtigen Stoffe, der hohen Wichtigkeit
der Sache und den tiefgreifenden Conſequenzen derſelben nirgend wich-
tiger als hier, ſich über die formalen Grundlagen einig zu ſein.

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[419/0443] rung des neuen Armenweſens, Anerkennung des Bettels als Vergehen, und Umwandlung in die Maisons de correction. Das Syſtem des Code Pénal Art. 269 ff. macht dann den Bettel zu einer bloßen Uebertretung, und ſtraft ihn durch die Police correctionelle; daneben die Errichtung der dépots de mendicité mit Zwangspäſſen und mechaniſcher gezwungener Arbeit und Tagelohn; anbefohlen durch Decret vom 5. Juli 1808 für jedes Departement; es exiſtiren jedoch nur zwanzig. Ueber entlaſſene Sträflinge Gerando III. 441 ff. — In Deutſchland wird die Frage nach der Errichtung rationeller Arbeitshäuſer in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts Gegenſtand eifriger Unterſuchungen mit Literatur für und gegen dieſelben ſeit Rulffs, über die Preisfrage der vortheilhafteſten Errichtung der Arbeitshäuſer 1785; dagegen Naville, dafür Gerando III. 558. Rau fordert mit Recht die Unterſcheidung der freien Arbeitshäuſer von den Zwangsarbeitshäuſern; freilich erſcheinen die erſteren als gänzlich unpraktiſch. (Literatur bei Rau II. §. 345. 348.) Poſitives Recht der deutſchen Strafgeſetzgebung iſt im Allgemeinen auf dem Standpunkt der Beſtrafung des Bettelns geblieben, meiſt in Ver- bindung mit den Beſtimmungen über Heimathsrecht, Schulweſen und einem ſehr wenig entwickelten Syſtem von Arbeitshäuſern. Das klaſſiſche Werk über Vagabundenthum: Avé Lallemant, das deutſche Gaunerthum 4 Bde; der Proceß der Scheidung der Zucht- und Strafhäuſer von den Arbeitshäuſern: Wagnitz, die merkwürdigſten Zucht- und Arbeitshäuſer in Deutſchland. — Preußen: Simon und Rönne, Polizeiweſen I. 522; die älteren Edikte ſeit 1669; ſ. Döhl, Armenweſen S. 5; dann das Allgem. Landrecht II. 19. 3—5 (Strafe der Arbeitsſcheu); dann Strafgeſetzbuch §. 117—119. Arbeitshäuſer ſind nur lokal (Rönne, Staatsrecht II. §. 338). Reglement über Verwaltung des Armen- und Corrigendenweſens vom 26. Sept. 1864 (durch eine vom Kreistag gewählte Commiſſion von vier Mitgliedern). — Oeſterreich: die Bettelpäſſe aufgehoben 1785; Verſuche, das „unordentliche Almoſengeben“ zu beſeitigen (in Verbindung mit dem Armeninſtitute, ſ. unten) ſeit 1783; Bettel- polizei den Magiſtraten übertragen (Gewerbeordnung von 1849, §. 120); Er- richtung von Zwangsarbeitshäuſern 1811 und 1817 (Strafgeſetzbuch §. 518 und 519); Ordnung der Arbeitshäuſer nach den Provinzen; ſ. Stubenrauch, Verwaltungsgeſetzkunde §. 338 und I. §. 198. — Bayern: „Vagantenweſen“ Mandat von 1816 (Pözl, Verwaltungsrecht §. 84). — Württemberg: Mohl, Verwaltungsrecht §. 186. Verordnung von 1825. — Waldburg: das Princip der Individualiſirung in der Strafrechtspflege 1869, Abth. VIII. Ein- zelne Geſetzgebungen ſ. Stein, Polizeirecht S. 161 ff. Ueber Lagerſtätten leider noch wenig Literatur; ſ. Rau, Volkswirthſchaftspflege II. §. 342. II. Das Armenweſen. Armuth und Armenweſen. Vielleicht iſt es bei dem mächtigen Stoffe, der hohen Wichtigkeit der Sache und den tiefgreifenden Conſequenzen derſelben nirgend wich- tiger als hier, ſich über die formalen Grundlagen einig zu ſein.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/443>, abgerufen am 22.11.2024.