ein Zwangsmittel, und die Höhe der Polizeistrafe enthält das Maß des Zwanges, zu welchem die verordnende Behörde gesetzlich competent ist. Das Polizeistrafgesetzbuch ist daher im Grunde kein Strafrecht, sondern ein Zwangsrecht, für welches ein gesetzliches Maß und ein gerichtliches Verfahren bestimmt ist. Ein Polizeigesetzbuch enthält daher stets zwei Theile; den allgemeinen, der Zwangsmaß und Zwangsver- fahren an sich bestimmt, und den besonderen, der die Fälle bestimmt, in welchen die innere Verwaltung den Gehorsam fordert und den Zwang vorschreibt, der die Form und den Namen, aber nicht das Wesen einer "Strafe" enthält. Der Inhalt eines Polizei(straf)gesetzes umfaßt eben darum alle Gebiete der Verwaltung; es ist die, durch die ganze Ver- waltung hindurch gehende Polizei, der Schutz gegen die Verletzung jedes Verwaltungsgebietes durch den Einzelnen, der die Strafe nur als Zwangsmittel auffaßt. Wir werden daher diesem Polizeirecht in der innern Verwaltung auf jedem Punkte wieder begegnen.
Ganz anders dagegen ist das Verhältniß, wo die Thätigkeit des Einzelnen, der sich dem Willen der Vollziehung entgegenstellt, nicht mehr eine äußerlich definirbare, sondern als eine ganz freie betrachtet werden muß. Hier steigt mit der Möglichkeit und dem Maße des Wider- standes des Einzelnen gegen den Staatswillen auch das Recht des Staats, seinen Willen zur Geltung zu bringen. Es ist das ein Verhalten, in welchem die an sich unendliche That und Kraft der einzelnen Persön- lichkeit gegen die des Staats auftritt, und hier gibt es daher gar kein Maß des Zwanges mehr. Der Staat muß bei offener Wider- setzlichkeit das Aeußerste thun, um den Einzelnen sich zu unterwerfen. Darüber ist kein Zweifel. Allein auch hier tritt nicht der Staat, son- dern das einzelne Organ auf, und dieß kann sich irren. Daher muß es, wenn es auch kein Maß gibt für den einzelnen Fall, doch ein Princip geben, nach welchem die wirkliche Anwendung des Zwanges beurtheilt werden kann. Und dieß Princip ist so einfach, daß es nicht einmal einer gesetzlichen Regelung bedarf.
Jedes Organ hat nämlich nicht bloß das Recht, sondern es hat die Pflicht, den Willen des Staats gegen jeden äußern Widerstand zu verwirklichen. In dieser Pflicht liegt das Recht auf jeden Zwang und jede Gewalt, welche als unabweisbare Bedingung der Erfüllung des Staatswillens erscheint. Das Gesetz kann daher in solchem Falle allerdings die Mittel vorschreiben, welcher sich die Gewalt zu bedienen hat, und die Verwaltung kann dem Organ diese Mittel selbst in Händen geben; namentlich die Waffen. Allein sie kann nie vorher genau oder gar gesetzlich bestimmen, wie weit die Anwendung der Mittel gehen soll. Hier kann statt der Form nur das Princip entscheiden. Die
ein Zwangsmittel, und die Höhe der Polizeiſtrafe enthält das Maß des Zwanges, zu welchem die verordnende Behörde geſetzlich competent iſt. Das Polizeiſtrafgeſetzbuch iſt daher im Grunde kein Strafrecht, ſondern ein Zwangsrecht, für welches ein geſetzliches Maß und ein gerichtliches Verfahren beſtimmt iſt. Ein Polizeigeſetzbuch enthält daher ſtets zwei Theile; den allgemeinen, der Zwangsmaß und Zwangsver- fahren an ſich beſtimmt, und den beſonderen, der die Fälle beſtimmt, in welchen die innere Verwaltung den Gehorſam fordert und den Zwang vorſchreibt, der die Form und den Namen, aber nicht das Weſen einer „Strafe“ enthält. Der Inhalt eines Polizei(ſtraf)geſetzes umfaßt eben darum alle Gebiete der Verwaltung; es iſt die, durch die ganze Ver- waltung hindurch gehende Polizei, der Schutz gegen die Verletzung jedes Verwaltungsgebietes durch den Einzelnen, der die Strafe nur als Zwangsmittel auffaßt. Wir werden daher dieſem Polizeirecht in der innern Verwaltung auf jedem Punkte wieder begegnen.
Ganz anders dagegen iſt das Verhältniß, wo die Thätigkeit des Einzelnen, der ſich dem Willen der Vollziehung entgegenſtellt, nicht mehr eine äußerlich definirbare, ſondern als eine ganz freie betrachtet werden muß. Hier ſteigt mit der Möglichkeit und dem Maße des Wider- ſtandes des Einzelnen gegen den Staatswillen auch das Recht des Staats, ſeinen Willen zur Geltung zu bringen. Es iſt das ein Verhalten, in welchem die an ſich unendliche That und Kraft der einzelnen Perſön- lichkeit gegen die des Staats auftritt, und hier gibt es daher gar kein Maß des Zwanges mehr. Der Staat muß bei offener Wider- ſetzlichkeit das Aeußerſte thun, um den Einzelnen ſich zu unterwerfen. Darüber iſt kein Zweifel. Allein auch hier tritt nicht der Staat, ſon- dern das einzelne Organ auf, und dieß kann ſich irren. Daher muß es, wenn es auch kein Maß gibt für den einzelnen Fall, doch ein Princip geben, nach welchem die wirkliche Anwendung des Zwanges beurtheilt werden kann. Und dieß Princip iſt ſo einfach, daß es nicht einmal einer geſetzlichen Regelung bedarf.
Jedes Organ hat nämlich nicht bloß das Recht, ſondern es hat die Pflicht, den Willen des Staats gegen jeden äußern Widerſtand zu verwirklichen. In dieſer Pflicht liegt das Recht auf jeden Zwang und jede Gewalt, welche als unabweisbare Bedingung der Erfüllung des Staatswillens erſcheint. Das Geſetz kann daher in ſolchem Falle allerdings die Mittel vorſchreiben, welcher ſich die Gewalt zu bedienen hat, und die Verwaltung kann dem Organ dieſe Mittel ſelbſt in Händen geben; namentlich die Waffen. Allein ſie kann nie vorher genau oder gar geſetzlich beſtimmen, wie weit die Anwendung der Mittel gehen ſoll. Hier kann ſtatt der Form nur das Princip entſcheiden. Die
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ſondern ein Zwangsrecht, für welches ein geſetzliches Maß und ein
gerichtliches Verfahren beſtimmt iſt. Ein Polizeigeſetzbuch enthält daher
ſtets zwei Theile; den allgemeinen, der Zwangsmaß und Zwangsver-
fahren an ſich beſtimmt, und den beſonderen, der die Fälle beſtimmt,
in welchen die innere Verwaltung den Gehorſam fordert und den Zwang
vorſchreibt, der die Form und den Namen, aber nicht das Weſen einer
„Strafe“ enthält. Der Inhalt eines Polizei(ſtraf)geſetzes umfaßt eben
darum alle Gebiete der Verwaltung; es iſt die, durch die ganze Ver-
waltung hindurch gehende Polizei, der Schutz gegen die Verletzung
jedes Verwaltungsgebietes durch den Einzelnen, der die Strafe nur als
Zwangsmittel auffaßt. Wir werden daher dieſem Polizeirecht in der
innern Verwaltung auf jedem Punkte wieder begegnen.
Ganz anders dagegen iſt das Verhältniß, wo die Thätigkeit des
Einzelnen, der ſich dem Willen der Vollziehung entgegenſtellt, nicht
mehr eine äußerlich definirbare, ſondern als eine ganz freie betrachtet
werden muß. Hier ſteigt mit der Möglichkeit und dem Maße des Wider-
ſtandes des Einzelnen gegen den Staatswillen auch das Recht des Staats,
ſeinen Willen zur Geltung zu bringen. Es iſt das ein Verhalten, in
welchem die an ſich unendliche That und Kraft der einzelnen Perſön-
lichkeit gegen die des Staats auftritt, und hier gibt es daher gar
kein Maß des Zwanges mehr. Der Staat muß bei offener Wider-
ſetzlichkeit das Aeußerſte thun, um den Einzelnen ſich zu unterwerfen.
Darüber iſt kein Zweifel. Allein auch hier tritt nicht der Staat, ſon-
dern das einzelne Organ auf, und dieß kann ſich irren. Daher muß
es, wenn es auch kein Maß gibt für den einzelnen Fall, doch ein
Princip geben, nach welchem die wirkliche Anwendung des Zwanges
beurtheilt werden kann. Und dieß Princip iſt ſo einfach, daß es nicht
einmal einer geſetzlichen Regelung bedarf.
Jedes Organ hat nämlich nicht bloß das Recht, ſondern es hat
die Pflicht, den Willen des Staats gegen jeden äußern Widerſtand
zu verwirklichen. In dieſer Pflicht liegt das Recht auf jeden Zwang
und jede Gewalt, welche als unabweisbare Bedingung der Erfüllung
des Staatswillens erſcheint. Das Geſetz kann daher in ſolchem Falle
allerdings die Mittel vorſchreiben, welcher ſich die Gewalt zu bedienen
hat, und die Verwaltung kann dem Organ dieſe Mittel ſelbſt in Händen
geben; namentlich die Waffen. Allein ſie kann nie vorher genau oder
gar geſetzlich beſtimmen, wie weit die Anwendung der Mittel gehen
ſoll. Hier kann ſtatt der Form nur das Princip entſcheiden. Die
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/234>, abgerufen am 21.11.2024.
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