einem bestimmten Inhalt kommt jedoch dieser Unterschied erst durch die staatliche Gestaltung der Einheit der ständischen Grundherrlichkeit in den Landständen.
Die Landstände ihrerseits sind keine ursprüngliche Erscheinung. Sie entstehen vielmehr aus dem Bewußtsein, daß das sich entwickelnde gemeinschaftliche Leben eigenthümliche Aufgaben habe, welche durch die grundherrliche Verwaltung der örtlichen Souveränetät nicht mehr voll- zogen werden kann, weil sie gleichmäßig das ganze Land umfassen. Das Organ für die Vollziehung dieser gemeinschaftlichen und gleich- artigen Aufgaben ist naturgemäß das Königthum; der Organismus derselben naturgemäß der Organismus, den das Königthum um sich sammelt und bildet. Jetzt entstehen daher zwei, und zwar auch dem Rechtstitel nach wesentlich verschiedene Organisationen. Die eine ist die der Grundherrlichkeit, die unter den verschiedensten Namen stets dieselbe ist. Sie beruht auf dem lehensrechtlichen Titel des Eigenthums an den Verwaltungsgewalten; aber sie besteht aus eben so vielen selbständigen Körpern, als es selbstherrliche Grundherrlichkeiten gibt. Jeder dieser örtlichen Verwaltungsorganismen, die fast immer nicht bloß alle Ge- walten, sondern auch alle Gebiete der Verwaltung enthalten, Steuer, Gericht und Polizei, ist durch die örtliche Gränze der Lehensherrschaft begränzt; alle Aufgaben, welche über diese Gränze hinausgehen, sind rechtlich außerhalb der Competenz derselben. Die andere Organisation ist die Organisation der jungen königlichen Gewalt. Sie umfaßt, ohne daß das gesetzlich ausgesprochen wäre, das ganze Reich. Sie beruht nicht auf einem speziellen Rechtstitel, sondern auf der Natur der sich entwickelnden Staatsidee. Sie hat daher grundsätzlich keine Gränzen nach außen; sie kann aber im Grunde auch keine inneren, rechtlichen, anerkennen. Denn die Idee des Staats in ihrer Einfachheit umfaßt und enthält alle Theile und Gebiete gleichmäßig. Sie ist eben deßhalb der grundherrlichen Verwaltung ganz fremd; sie hängt nur vom Könige ab; sie ist sein organisirter persönlicher Wille; und indem die Gesammt- heit als solche nur vom Könige vertreten ist, ist sie schon jetzt der Organismus der vollziehenden Gewalt des Staates.
Zwischen diesen beiden Organisationen existirt nun keine rechtlich bestimmte Gränze, wohl aber ein tiefer Gegensatz des Rechtsprincips. Der Staat selbst scheint in zwei Gestalten zugleich da zu sein; wer soll entscheiden, wo die eine aufhört, die andere beginnt? Die Entscheidung wäre bald gegeben, wenn der Begriff von Gesetz und Verordnung klar gewesen wäre. Allein die Gesetzgebung war nur zum Theil in den Händen der Landtage; das Königthum vollzog nicht bloß die Beschlüsse derselben, sondern es gab seinen eigenen Verordnungen Gesetzeskraft,
einem beſtimmten Inhalt kommt jedoch dieſer Unterſchied erſt durch die ſtaatliche Geſtaltung der Einheit der ſtändiſchen Grundherrlichkeit in den Landſtänden.
Die Landſtände ihrerſeits ſind keine urſprüngliche Erſcheinung. Sie entſtehen vielmehr aus dem Bewußtſein, daß das ſich entwickelnde gemeinſchaftliche Leben eigenthümliche Aufgaben habe, welche durch die grundherrliche Verwaltung der örtlichen Souveränetät nicht mehr voll- zogen werden kann, weil ſie gleichmäßig das ganze Land umfaſſen. Das Organ für die Vollziehung dieſer gemeinſchaftlichen und gleich- artigen Aufgaben iſt naturgemäß das Königthum; der Organismus derſelben naturgemäß der Organismus, den das Königthum um ſich ſammelt und bildet. Jetzt entſtehen daher zwei, und zwar auch dem Rechtstitel nach weſentlich verſchiedene Organiſationen. Die eine iſt die der Grundherrlichkeit, die unter den verſchiedenſten Namen ſtets dieſelbe iſt. Sie beruht auf dem lehensrechtlichen Titel des Eigenthums an den Verwaltungsgewalten; aber ſie beſteht aus eben ſo vielen ſelbſtändigen Körpern, als es ſelbſtherrliche Grundherrlichkeiten gibt. Jeder dieſer örtlichen Verwaltungsorganismen, die faſt immer nicht bloß alle Ge- walten, ſondern auch alle Gebiete der Verwaltung enthalten, Steuer, Gericht und Polizei, iſt durch die örtliche Gränze der Lehensherrſchaft begränzt; alle Aufgaben, welche über dieſe Gränze hinausgehen, ſind rechtlich außerhalb der Competenz derſelben. Die andere Organiſation iſt die Organiſation der jungen königlichen Gewalt. Sie umfaßt, ohne daß das geſetzlich ausgeſprochen wäre, das ganze Reich. Sie beruht nicht auf einem ſpeziellen Rechtstitel, ſondern auf der Natur der ſich entwickelnden Staatsidee. Sie hat daher grundſätzlich keine Gränzen nach außen; ſie kann aber im Grunde auch keine inneren, rechtlichen, anerkennen. Denn die Idee des Staats in ihrer Einfachheit umfaßt und enthält alle Theile und Gebiete gleichmäßig. Sie iſt eben deßhalb der grundherrlichen Verwaltung ganz fremd; ſie hängt nur vom Könige ab; ſie iſt ſein organiſirter perſönlicher Wille; und indem die Geſammt- heit als ſolche nur vom Könige vertreten iſt, iſt ſie ſchon jetzt der Organismus der vollziehenden Gewalt des Staates.
Zwiſchen dieſen beiden Organiſationen exiſtirt nun keine rechtlich beſtimmte Gränze, wohl aber ein tiefer Gegenſatz des Rechtsprincips. Der Staat ſelbſt ſcheint in zwei Geſtalten zugleich da zu ſein; wer ſoll entſcheiden, wo die eine aufhört, die andere beginnt? Die Entſcheidung wäre bald gegeben, wenn der Begriff von Geſetz und Verordnung klar geweſen wäre. Allein die Geſetzgebung war nur zum Theil in den Händen der Landtage; das Königthum vollzog nicht bloß die Beſchlüſſe derſelben, ſondern es gab ſeinen eigenen Verordnungen Geſetzeskraft,
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einem beſtimmten Inhalt kommt jedoch dieſer Unterſchied erſt durch die
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Landſtänden.
Die Landſtände ihrerſeits ſind keine urſprüngliche Erſcheinung.
Sie entſtehen vielmehr aus dem Bewußtſein, daß das ſich entwickelnde
gemeinſchaftliche Leben eigenthümliche Aufgaben habe, welche durch die
grundherrliche Verwaltung der örtlichen Souveränetät nicht mehr voll-
zogen werden kann, weil ſie gleichmäßig das ganze Land umfaſſen.
Das Organ für die Vollziehung dieſer gemeinſchaftlichen und gleich-
artigen Aufgaben iſt naturgemäß das Königthum; der Organismus
derſelben naturgemäß der Organismus, den das Königthum um ſich
ſammelt und bildet. Jetzt entſtehen daher zwei, und zwar auch dem
Rechtstitel nach weſentlich verſchiedene Organiſationen. Die eine iſt die
der Grundherrlichkeit, die unter den verſchiedenſten Namen ſtets dieſelbe
iſt. Sie beruht auf dem lehensrechtlichen Titel des Eigenthums an den
Verwaltungsgewalten; aber ſie beſteht aus eben ſo vielen ſelbſtändigen
Körpern, als es ſelbſtherrliche Grundherrlichkeiten gibt. Jeder dieſer
örtlichen Verwaltungsorganismen, die faſt immer nicht bloß alle Ge-
walten, ſondern auch alle Gebiete der Verwaltung enthalten, Steuer,
Gericht und Polizei, iſt durch die örtliche Gränze der Lehensherrſchaft
begränzt; alle Aufgaben, welche über dieſe Gränze hinausgehen, ſind
rechtlich außerhalb der Competenz derſelben. Die andere Organiſation
iſt die Organiſation der jungen königlichen Gewalt. Sie umfaßt, ohne
daß das geſetzlich ausgeſprochen wäre, das ganze Reich. Sie beruht
nicht auf einem ſpeziellen Rechtstitel, ſondern auf der Natur der ſich
entwickelnden Staatsidee. Sie hat daher grundſätzlich keine Gränzen
nach außen; ſie kann aber im Grunde auch keine inneren, rechtlichen,
anerkennen. Denn die Idee des Staats in ihrer Einfachheit umfaßt
und enthält alle Theile und Gebiete gleichmäßig. Sie iſt eben deßhalb
der grundherrlichen Verwaltung ganz fremd; ſie hängt nur vom Könige
ab; ſie iſt ſein organiſirter perſönlicher Wille; und indem die Geſammt-
heit als ſolche nur vom Könige vertreten iſt, iſt ſie ſchon jetzt der
Organismus der vollziehenden Gewalt des Staates.
Zwiſchen dieſen beiden Organiſationen exiſtirt nun keine rechtlich
beſtimmte Gränze, wohl aber ein tiefer Gegenſatz des Rechtsprincips.
Der Staat ſelbſt ſcheint in zwei Geſtalten zugleich da zu ſein; wer ſoll
entſcheiden, wo die eine aufhört, die andere beginnt? Die Entſcheidung
wäre bald gegeben, wenn der Begriff von Geſetz und Verordnung klar
geweſen wäre. Allein die Geſetzgebung war nur zum Theil in den
Händen der Landtage; das Königthum vollzog nicht bloß die Beſchlüſſe
derſelben, ſondern es gab ſeinen eigenen Verordnungen Geſetzeskraft,
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/271>, abgerufen am 21.11.2024.
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