noch ein Proceß in der Geschichte der Würden übrig, derjenige, der sie principiell von jeder eigentlichen Funktion trennt, und sie eben als dasjenige hinstellt, was sie jetzt sind, als die reinen Würden des Staats.
Dieser Proceß entsteht nun da, wo die Gesetzgebung sich vom König- thum trennt und selbständig organisirt dasteht, während die Vollziehung gleichfalls ihren Organismus findet. In dieser neuen, verfassungs- mäßigen Ordnung steht das Königthum allerdings über beiden, aber es steht allein. Es ist daher jetzt naturgemäß, daß es seine Stellung mit allen den Würden umgibt, die eben der Erhabenheit der Staatsidee zukommen, während andererseits diese Würden als solche jedes Recht auf Antheil an der Gesetzgebung und Verwaltung verlieren. So ergänzt sich jetzt das verfassungsmäßige Königthum in dieser Ordnung der Dinge. Es ist der Kriegsherr, als Inhaber der Heeresgewalt; es ist die sank- tionirende gesetzgebende und vollziehende Gewalt im Staatsrath, und es ist in der Mitte der höchsten Würden die Krone.
Es ist nun demgemäß ziemlich einerlei, ob man die Würden zur Verfassung oder zur Vollziehung rechnet; sie sind eben mit dem König- thum innigst verschmolzen, und erscheinen allenthalben, wo dasselbe auftritt. Sie sind gleichsam der organisirte Körper der höchsten Ehre des Staats. Sie sind das Königthum als "Krone." Allein dieser Körper hat dennoch je nach den Ländern eine verschiedene Individualität.
Die obigen Andeutungen über die historische Entwicklung der Würden und ihres Verhältnisses zur königlichen Macht lassen uns nämlich einen allgemeinen Grundsatz aufstellen, der uns diese verschiedene Bedeutung der Würden in einfacher Weise erklärt. Je mehr nämlich die ständischen Elemente verschwunden sind, um so mehr ist zwar nicht das System der Würden an sich, wohl aber das Princip des selbständigen Rechts auf diese Würden oder die Erblichkeit derselben verschwunden, und alle Würden werden, wie unter der Herrschaft des absoluten Königthums, verleihbar und verliehen. Wo dagegen die ständischen Unterschiede und das Recht und die Stellung des großen Grundbesitzes als Grundherr- lichkeit einerseits, das Recht der Landschaften als selbständiger Verwal- tungskörper andererseits sich noch erhalten, da sehen wir noch die erb- lichen Würden als System gelten, und zwar theils als Reichswürden, theils als Landeswürden; neben den erblichen dagegen, welche die alte Selbständigkeit der Landestheile repräsentiren, das System der ver- liehenen Würden, welche das Königthum gibt. Es ist dabei nicht zu übersehen, daß die Titel und Namen dieser Würden für dieselben von Bedeutung sind und oft für das unmittelbare Gefühl des Volkes einen großen Werth erlangen, indem sie den formalen Ausdruck gewisser alter
noch ein Proceß in der Geſchichte der Würden übrig, derjenige, der ſie principiell von jeder eigentlichen Funktion trennt, und ſie eben als dasjenige hinſtellt, was ſie jetzt ſind, als die reinen Würden des Staats.
Dieſer Proceß entſteht nun da, wo die Geſetzgebung ſich vom König- thum trennt und ſelbſtändig organiſirt daſteht, während die Vollziehung gleichfalls ihren Organismus findet. In dieſer neuen, verfaſſungs- mäßigen Ordnung ſteht das Königthum allerdings über beiden, aber es ſteht allein. Es iſt daher jetzt naturgemäß, daß es ſeine Stellung mit allen den Würden umgibt, die eben der Erhabenheit der Staatsidee zukommen, während andererſeits dieſe Würden als ſolche jedes Recht auf Antheil an der Geſetzgebung und Verwaltung verlieren. So ergänzt ſich jetzt das verfaſſungsmäßige Königthum in dieſer Ordnung der Dinge. Es iſt der Kriegsherr, als Inhaber der Heeresgewalt; es iſt die ſank- tionirende geſetzgebende und vollziehende Gewalt im Staatsrath, und es iſt in der Mitte der höchſten Würden die Krone.
Es iſt nun demgemäß ziemlich einerlei, ob man die Würden zur Verfaſſung oder zur Vollziehung rechnet; ſie ſind eben mit dem König- thum innigſt verſchmolzen, und erſcheinen allenthalben, wo daſſelbe auftritt. Sie ſind gleichſam der organiſirte Körper der höchſten Ehre des Staats. Sie ſind das Königthum als „Krone.“ Allein dieſer Körper hat dennoch je nach den Ländern eine verſchiedene Individualität.
Die obigen Andeutungen über die hiſtoriſche Entwicklung der Würden und ihres Verhältniſſes zur königlichen Macht laſſen uns nämlich einen allgemeinen Grundſatz aufſtellen, der uns dieſe verſchiedene Bedeutung der Würden in einfacher Weiſe erklärt. Je mehr nämlich die ſtändiſchen Elemente verſchwunden ſind, um ſo mehr iſt zwar nicht das Syſtem der Würden an ſich, wohl aber das Princip des ſelbſtändigen Rechts auf dieſe Würden oder die Erblichkeit derſelben verſchwunden, und alle Würden werden, wie unter der Herrſchaft des abſoluten Königthums, verleihbar und verliehen. Wo dagegen die ſtändiſchen Unterſchiede und das Recht und die Stellung des großen Grundbeſitzes als Grundherr- lichkeit einerſeits, das Recht der Landſchaften als ſelbſtändiger Verwal- tungskörper andererſeits ſich noch erhalten, da ſehen wir noch die erb- lichen Würden als Syſtem gelten, und zwar theils als Reichswürden, theils als Landeswürden; neben den erblichen dagegen, welche die alte Selbſtändigkeit der Landestheile repräſentiren, das Syſtem der ver- liehenen Würden, welche das Königthum gibt. Es iſt dabei nicht zu überſehen, daß die Titel und Namen dieſer Würden für dieſelben von Bedeutung ſind und oft für das unmittelbare Gefühl des Volkes einen großen Werth erlangen, indem ſie den formalen Ausdruck gewiſſer alter
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noch ein Proceß in der Geſchichte der Würden übrig, derjenige, der ſie
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dasjenige hinſtellt, was ſie jetzt ſind, als die reinen Würden des
Staats.
Dieſer Proceß entſteht nun da, wo die Geſetzgebung ſich vom König-
thum trennt und ſelbſtändig organiſirt daſteht, während die Vollziehung
gleichfalls ihren Organismus findet. In dieſer neuen, verfaſſungs-
mäßigen Ordnung ſteht das Königthum allerdings über beiden, aber es
ſteht allein. Es iſt daher jetzt naturgemäß, daß es ſeine Stellung mit
allen den Würden umgibt, die eben der Erhabenheit der Staatsidee
zukommen, während andererſeits dieſe Würden als ſolche jedes Recht
auf Antheil an der Geſetzgebung und Verwaltung verlieren. So ergänzt
ſich jetzt das verfaſſungsmäßige Königthum in dieſer Ordnung der Dinge.
Es iſt der Kriegsherr, als Inhaber der Heeresgewalt; es iſt die ſank-
tionirende geſetzgebende und vollziehende Gewalt im Staatsrath, und
es iſt in der Mitte der höchſten Würden die Krone.
Es iſt nun demgemäß ziemlich einerlei, ob man die Würden zur
Verfaſſung oder zur Vollziehung rechnet; ſie ſind eben mit dem König-
thum innigſt verſchmolzen, und erſcheinen allenthalben, wo daſſelbe
auftritt. Sie ſind gleichſam der organiſirte Körper der höchſten Ehre
des Staats. Sie ſind das Königthum als „Krone.“ Allein dieſer
Körper hat dennoch je nach den Ländern eine verſchiedene Individualität.
Die obigen Andeutungen über die hiſtoriſche Entwicklung der Würden
und ihres Verhältniſſes zur königlichen Macht laſſen uns nämlich einen
allgemeinen Grundſatz aufſtellen, der uns dieſe verſchiedene Bedeutung
der Würden in einfacher Weiſe erklärt. Je mehr nämlich die ſtändiſchen
Elemente verſchwunden ſind, um ſo mehr iſt zwar nicht das Syſtem
der Würden an ſich, wohl aber das Princip des ſelbſtändigen Rechts
auf dieſe Würden oder die Erblichkeit derſelben verſchwunden, und alle
Würden werden, wie unter der Herrſchaft des abſoluten Königthums,
verleihbar und verliehen. Wo dagegen die ſtändiſchen Unterſchiede und
das Recht und die Stellung des großen Grundbeſitzes als Grundherr-
lichkeit einerſeits, das Recht der Landſchaften als ſelbſtändiger Verwal-
tungskörper andererſeits ſich noch erhalten, da ſehen wir noch die erb-
lichen Würden als Syſtem gelten, und zwar theils als Reichswürden,
theils als Landeswürden; neben den erblichen dagegen, welche die
alte Selbſtändigkeit der Landestheile repräſentiren, das Syſtem der ver-
liehenen Würden, welche das Königthum gibt. Es iſt dabei nicht zu
überſehen, daß die Titel und Namen dieſer Würden für dieſelben von
Bedeutung ſind und oft für das unmittelbare Gefühl des Volkes einen
großen Werth erlangen, indem ſie den formalen Ausdruck gewiſſer alter
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/288>, abgerufen am 22.11.2024.
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