Dagegen ist das Gebiet der innern Verwaltung allerdings der Ent- wicklung fähig, und zwar ist es das Einzige, aus welchem sich unsere Ministerien entwickeln können. In der That nämlich ist zwar das Princip der innern Verwaltung immer dasselbe, und deßhalb kann dieselbe als Ein Gebiet betrachtet werden; aber die Lebensverhältnisse, auf welche es Anwendung findet, sind so verschieden, daß bei großen Staaten jedes der- selben durch Ein Ministerium vertreten werden kann. Und hier zeigt es sich vielleicht am deutlichsten, wie die organische Natur der Sache -- die wir in der Wissenschaft ja nur als System darstellen -- wirksam wird. Das Gebiet der innern Verwaltung umfaßt das persönliche, das geistige, das volkswirthschaftliche und das gesellschaftliche Leben des Volkes. Jedes dieser Gebiete ist fähig, ein eigenes Ministerium zu empfangen. Die Verwaltung der persönlichen Lebensverhältnisse hat das Polizeiministerium, das Mini- sterium der Sicherheit oder der Ordnung, die der geistigen das Ministerium für Kultus und Unterricht, das wir daher das Ministerium der Berufe nennen möchten, die der Volkswirthschaft das sogenannte Handelsministerium oder das Ministerium der Volkswirthschaft, das was wir zunächst als das Uebrige bezeichnen, das eigentliche Mini- sterium des Innern, das Ministerium der Verwaltung im engsten Sinne oder das Ministerium der Gesellschaftsordnung. Diese vier Ministerien sind innerhalb der innern Verwaltung möglich; aber sie sind nicht nothwendig. Ob sie entstehen und wie viele von ihnen, hängt meistens von der innern Entwicklung des Staates ab, und daher finden wir dem entsprechend in diesen Ministerien einen beständigen Wechsel, während die übrigen Ministerien sich unverändert erhalten. Ohne allen Zweifel beruht nun das Theilen des allgemeinen Mini- steriums des Innern in jene Ministerien nicht darauf, daß man die Geschäfte als solche ihres Umfanges wegen theilen will, sondern viel- mehr auf dem Bewußtsein von demjenigen, was zu ihrer Vollziehung erforderlich ist. Die wahre Bedingung der Lösung dieser verschiedenen Verwaltungsaufgaben beruht aber darauf, daß man erkennt, wie jedes jener Lebensgebiete wieder eigene Gesetze seiner Entwicklung und Be- wegung hat, welche zu kennen nicht bloß im Allgemeinen gut ist, sondern deren tiefes Verständniß als nothwendige Bedingung der guten Ver- waltung überhaupt erscheint. So wie dieß klar ist, wird man es noth- wendig finden, jeder dieser Gruppen von Lebensverhältnissen und Auf- gaben der Verwaltung als einem von eigenthümlichen Gesetzen beherrsch- ten Ganzen, einen eigenen Verwaltungskörper mit eigenem Ministerium zu geben. Und so kann man sagen, daß jene Eintheilung der innern Verwaltung mit der Entwicklung der Staatswissenschaften gleichen Schritt hält, von ihr bedingt wird, und gleichsam den praktischen Ausdruck des
Dagegen iſt das Gebiet der innern Verwaltung allerdings der Ent- wicklung fähig, und zwar iſt es das Einzige, aus welchem ſich unſere Miniſterien entwickeln können. In der That nämlich iſt zwar das Princip der innern Verwaltung immer daſſelbe, und deßhalb kann dieſelbe als Ein Gebiet betrachtet werden; aber die Lebensverhältniſſe, auf welche es Anwendung findet, ſind ſo verſchieden, daß bei großen Staaten jedes der- ſelben durch Ein Miniſterium vertreten werden kann. Und hier zeigt es ſich vielleicht am deutlichſten, wie die organiſche Natur der Sache — die wir in der Wiſſenſchaft ja nur als Syſtem darſtellen — wirkſam wird. Das Gebiet der innern Verwaltung umfaßt das perſönliche, das geiſtige, das volkswirthſchaftliche und das geſellſchaftliche Leben des Volkes. Jedes dieſer Gebiete iſt fähig, ein eigenes Miniſterium zu empfangen. Die Verwaltung der perſönlichen Lebensverhältniſſe hat das Polizeiminiſterium, das Mini- ſterium der Sicherheit oder der Ordnung, die der geiſtigen das Miniſterium für Kultus und Unterricht, das wir daher das Miniſterium der Berufe nennen möchten, die der Volkswirthſchaft das ſogenannte Handelsminiſterium oder das Miniſterium der Volkswirthſchaft, das was wir zunächſt als das Uebrige bezeichnen, das eigentliche Mini- ſterium des Innern, das Miniſterium der Verwaltung im engſten Sinne oder das Miniſterium der Geſellſchaftsordnung. Dieſe vier Miniſterien ſind innerhalb der innern Verwaltung möglich; aber ſie ſind nicht nothwendig. Ob ſie entſtehen und wie viele von ihnen, hängt meiſtens von der innern Entwicklung des Staates ab, und daher finden wir dem entſprechend in dieſen Miniſterien einen beſtändigen Wechſel, während die übrigen Miniſterien ſich unverändert erhalten. Ohne allen Zweifel beruht nun das Theilen des allgemeinen Mini- ſteriums des Innern in jene Miniſterien nicht darauf, daß man die Geſchäfte als ſolche ihres Umfanges wegen theilen will, ſondern viel- mehr auf dem Bewußtſein von demjenigen, was zu ihrer Vollziehung erforderlich iſt. Die wahre Bedingung der Löſung dieſer verſchiedenen Verwaltungsaufgaben beruht aber darauf, daß man erkennt, wie jedes jener Lebensgebiete wieder eigene Geſetze ſeiner Entwicklung und Be- wegung hat, welche zu kennen nicht bloß im Allgemeinen gut iſt, ſondern deren tiefes Verſtändniß als nothwendige Bedingung der guten Ver- waltung überhaupt erſcheint. So wie dieß klar iſt, wird man es noth- wendig finden, jeder dieſer Gruppen von Lebensverhältniſſen und Auf- gaben der Verwaltung als einem von eigenthümlichen Geſetzen beherrſch- ten Ganzen, einen eigenen Verwaltungskörper mit eigenem Miniſterium zu geben. Und ſo kann man ſagen, daß jene Eintheilung der innern Verwaltung mit der Entwicklung der Staatswiſſenſchaften gleichen Schritt hält, von ihr bedingt wird, und gleichſam den praktiſchen Ausdruck des
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><pbfacs="#f0338"n="314"/><p>Dagegen iſt das Gebiet der innern Verwaltung allerdings der Ent-<lb/>
wicklung fähig, und zwar iſt es das Einzige, aus welchem ſich unſere<lb/>
Miniſterien entwickeln können. In der That nämlich iſt zwar das Princip<lb/>
der innern Verwaltung immer daſſelbe, und deßhalb <hirendition="#g">kann</hi> dieſelbe als<lb/>
Ein Gebiet betrachtet werden; aber die Lebensverhältniſſe, auf welche es<lb/>
Anwendung findet, ſind ſo verſchieden, daß bei großen Staaten jedes der-<lb/>ſelben durch Ein Miniſterium vertreten werden kann. Und hier zeigt es ſich<lb/>
vielleicht am deutlichſten, wie die organiſche Natur der Sache — die wir<lb/>
in der Wiſſenſchaft ja nur als Syſtem darſtellen — wirkſam wird. Das<lb/>
Gebiet der innern Verwaltung umfaßt das perſönliche, das geiſtige, das<lb/>
volkswirthſchaftliche und das geſellſchaftliche Leben des Volkes. <hirendition="#g">Jedes</hi> dieſer<lb/>
Gebiete iſt fähig, ein eigenes Miniſterium zu empfangen. Die Verwaltung<lb/>
der perſönlichen Lebensverhältniſſe hat das Polizeiminiſterium, das Mini-<lb/>ſterium der <hirendition="#g">Sicherheit</hi> oder der <hirendition="#g">Ordnung</hi>, die der geiſtigen das<lb/>
Miniſterium für Kultus und Unterricht, das wir daher das Miniſterium<lb/>
der <hirendition="#g">Berufe</hi> nennen möchten, die der Volkswirthſchaft das ſogenannte<lb/>
Handelsminiſterium oder das Miniſterium der <hirendition="#g">Volkswirthſchaft</hi>,<lb/>
das was wir zunächſt als das Uebrige bezeichnen, das eigentliche Mini-<lb/>ſterium des Innern, das Miniſterium der <hirendition="#g">Verwaltung im engſten<lb/>
Sinne</hi> oder das Miniſterium der <hirendition="#g">Geſellſchaftsordnung</hi>. Dieſe<lb/>
vier Miniſterien ſind innerhalb der innern Verwaltung <hirendition="#g">möglich</hi>; aber<lb/>ſie ſind nicht nothwendig. Ob ſie entſtehen und wie viele von ihnen,<lb/>
hängt meiſtens von der innern Entwicklung des Staates ab, und daher<lb/>
finden wir dem entſprechend in dieſen Miniſterien einen beſtändigen<lb/>
Wechſel, während die übrigen Miniſterien ſich unverändert erhalten.<lb/>
Ohne allen Zweifel beruht nun das Theilen des allgemeinen Mini-<lb/>ſteriums des Innern in jene Miniſterien nicht darauf, daß man die<lb/>
Geſchäfte als ſolche ihres Umfanges wegen theilen will, ſondern viel-<lb/>
mehr auf dem Bewußtſein von demjenigen, was zu ihrer Vollziehung<lb/>
erforderlich iſt. Die wahre Bedingung der Löſung dieſer verſchiedenen<lb/>
Verwaltungsaufgaben beruht aber darauf, daß man erkennt, wie jedes<lb/>
jener Lebensgebiete wieder eigene Geſetze ſeiner Entwicklung und Be-<lb/>
wegung hat, welche zu kennen nicht bloß im Allgemeinen gut iſt, ſondern<lb/>
deren tiefes Verſtändniß als nothwendige Bedingung der guten Ver-<lb/>
waltung überhaupt erſcheint. So wie dieß klar iſt, wird man es noth-<lb/>
wendig finden, jeder dieſer Gruppen von Lebensverhältniſſen und Auf-<lb/>
gaben der Verwaltung als einem von eigenthümlichen Geſetzen beherrſch-<lb/>
ten Ganzen, einen eigenen Verwaltungskörper mit eigenem Miniſterium<lb/>
zu geben. Und ſo kann man ſagen, daß jene Eintheilung der innern<lb/>
Verwaltung mit der Entwicklung der Staatswiſſenſchaften gleichen Schritt<lb/>
hält, von ihr bedingt wird, und gleichſam den praktiſchen Ausdruck des<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[314/0338]
Dagegen iſt das Gebiet der innern Verwaltung allerdings der Ent-
wicklung fähig, und zwar iſt es das Einzige, aus welchem ſich unſere
Miniſterien entwickeln können. In der That nämlich iſt zwar das Princip
der innern Verwaltung immer daſſelbe, und deßhalb kann dieſelbe als
Ein Gebiet betrachtet werden; aber die Lebensverhältniſſe, auf welche es
Anwendung findet, ſind ſo verſchieden, daß bei großen Staaten jedes der-
ſelben durch Ein Miniſterium vertreten werden kann. Und hier zeigt es ſich
vielleicht am deutlichſten, wie die organiſche Natur der Sache — die wir
in der Wiſſenſchaft ja nur als Syſtem darſtellen — wirkſam wird. Das
Gebiet der innern Verwaltung umfaßt das perſönliche, das geiſtige, das
volkswirthſchaftliche und das geſellſchaftliche Leben des Volkes. Jedes dieſer
Gebiete iſt fähig, ein eigenes Miniſterium zu empfangen. Die Verwaltung
der perſönlichen Lebensverhältniſſe hat das Polizeiminiſterium, das Mini-
ſterium der Sicherheit oder der Ordnung, die der geiſtigen das
Miniſterium für Kultus und Unterricht, das wir daher das Miniſterium
der Berufe nennen möchten, die der Volkswirthſchaft das ſogenannte
Handelsminiſterium oder das Miniſterium der Volkswirthſchaft,
das was wir zunächſt als das Uebrige bezeichnen, das eigentliche Mini-
ſterium des Innern, das Miniſterium der Verwaltung im engſten
Sinne oder das Miniſterium der Geſellſchaftsordnung. Dieſe
vier Miniſterien ſind innerhalb der innern Verwaltung möglich; aber
ſie ſind nicht nothwendig. Ob ſie entſtehen und wie viele von ihnen,
hängt meiſtens von der innern Entwicklung des Staates ab, und daher
finden wir dem entſprechend in dieſen Miniſterien einen beſtändigen
Wechſel, während die übrigen Miniſterien ſich unverändert erhalten.
Ohne allen Zweifel beruht nun das Theilen des allgemeinen Mini-
ſteriums des Innern in jene Miniſterien nicht darauf, daß man die
Geſchäfte als ſolche ihres Umfanges wegen theilen will, ſondern viel-
mehr auf dem Bewußtſein von demjenigen, was zu ihrer Vollziehung
erforderlich iſt. Die wahre Bedingung der Löſung dieſer verſchiedenen
Verwaltungsaufgaben beruht aber darauf, daß man erkennt, wie jedes
jener Lebensgebiete wieder eigene Geſetze ſeiner Entwicklung und Be-
wegung hat, welche zu kennen nicht bloß im Allgemeinen gut iſt, ſondern
deren tiefes Verſtändniß als nothwendige Bedingung der guten Ver-
waltung überhaupt erſcheint. So wie dieß klar iſt, wird man es noth-
wendig finden, jeder dieſer Gruppen von Lebensverhältniſſen und Auf-
gaben der Verwaltung als einem von eigenthümlichen Geſetzen beherrſch-
ten Ganzen, einen eigenen Verwaltungskörper mit eigenem Miniſterium
zu geben. Und ſo kann man ſagen, daß jene Eintheilung der innern
Verwaltung mit der Entwicklung der Staatswiſſenſchaften gleichen Schritt
hält, von ihr bedingt wird, und gleichſam den praktiſchen Ausdruck des
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/338>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.