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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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theoretischen Verständnisses des Staatslebens bildet. -- Es ist gar nicht
nöthig, daß dazu gerade eine bestimmte Theorie angenommen zu werden
brauchte. Die Sache an sich, auch nur zum allgemeinen Bewußtsein
gebracht, erzeugt durch ihre eigene inwohnende Kraft schon ihre ent-
sprechenden Organismen.

Es wird demnach eine der Aufgaben der Darstellung der wirklichen
innern Verwaltung sein, dieses bei den Hauptzweigen weiter nachzu-
weisen. Wir finden aber in demselben Satze den Grundgedanken für
die Erledigung der letztern Frage, welche die Eintheilung der Ministerien
betrifft, nämlich der Bestimmung der Competenz der einzelnen Mini-
sterien gegen einander.

Diese Bestimmung des Umfanges der einzelnen Ministerien muß
aus zwei Gesichtspunkten betrachtet werden, dem historischen und dem
rationellen. Und die Geschichte zeigt auch hier die allmählige Entwick-
lung des letzteren aus dem ersteren, während andererseits die thatsäch-
lichen Verschiedenheiten die in dieser Beziehung unter den einzelnen
Staaten bestehen, nichts sind, als der Ausdruck des Stadiums, in
welchem der Kampf zwischen dem historischen und dem rationellen Princip
sich für den Augenblick befindet.

Historisch ist der Umfang der einzelnen Ministerien ziemlich zufällig,
indem die Geschäfte vom Fürsten der einen oder andern Abtheilung zu-
gewiesen worden sind. Im Allgemeinen gilt jedoch der Satz, daß ur-
sprünglich nur drei große Funktionen bestanden, Aeußeres, Krieg und
Finanzen, während Rechtspflege und Inneres der ständischen Selbst-
verwaltung überlassen blieb. Der allgemeine Gang der Entwicklung
besteht nun darin, daß die neuentstehenden Ministerien in der Lage
sind, den alten Ministerien ihre Gebiete allmählig zu entreißen, und so
sich ihr Gebiet zu schaffen. Die Rechtspflege und das Innere haben
dabei sehr leicht sich abgesondert; die Schwierigkeit entstand erst, als
aus dem Ministerium des Innern neue Ministerien sich bildeten. Durch
das Auftreten derselben kamen natürlich einerseits unter diesen Verwal-
tungsministerien die Gebiete der Verwaltung des Innern, andererseits
auch die Gebiete des Finanzministeriums in Frage. Im Einzelnen ist
die Organisation daher eine ziemlich verschiedene. Indem wir hier kurz
die Punkte bezeichnen, auf die es ankommt, soll damit nur der Aus-
gangspunkt zur Vergleichung für das Folgende gegeben werden.

Man wird zu dem Ende praktisch am besten die Ministerien, welche
sich in das Gebiet der innern Verwaltung theilen, mit dem Gesammt-
ausdruck "Verwaltungsministerien" bezeichnen, und sie so den
obigen Ministerien entgegen stellen.

Die erste Frage ist dabei die, ob das Gebiet der alten Regalien,

theoretiſchen Verſtändniſſes des Staatslebens bildet. — Es iſt gar nicht
nöthig, daß dazu gerade eine beſtimmte Theorie angenommen zu werden
brauchte. Die Sache an ſich, auch nur zum allgemeinen Bewußtſein
gebracht, erzeugt durch ihre eigene inwohnende Kraft ſchon ihre ent-
ſprechenden Organismen.

Es wird demnach eine der Aufgaben der Darſtellung der wirklichen
innern Verwaltung ſein, dieſes bei den Hauptzweigen weiter nachzu-
weiſen. Wir finden aber in demſelben Satze den Grundgedanken für
die Erledigung der letztern Frage, welche die Eintheilung der Miniſterien
betrifft, nämlich der Beſtimmung der Competenz der einzelnen Mini-
ſterien gegen einander.

Dieſe Beſtimmung des Umfanges der einzelnen Miniſterien muß
aus zwei Geſichtspunkten betrachtet werden, dem hiſtoriſchen und dem
rationellen. Und die Geſchichte zeigt auch hier die allmählige Entwick-
lung des letzteren aus dem erſteren, während andererſeits die thatſäch-
lichen Verſchiedenheiten die in dieſer Beziehung unter den einzelnen
Staaten beſtehen, nichts ſind, als der Ausdruck des Stadiums, in
welchem der Kampf zwiſchen dem hiſtoriſchen und dem rationellen Princip
ſich für den Augenblick befindet.

Hiſtoriſch iſt der Umfang der einzelnen Miniſterien ziemlich zufällig,
indem die Geſchäfte vom Fürſten der einen oder andern Abtheilung zu-
gewieſen worden ſind. Im Allgemeinen gilt jedoch der Satz, daß ur-
ſprünglich nur drei große Funktionen beſtanden, Aeußeres, Krieg und
Finanzen, während Rechtspflege und Inneres der ſtändiſchen Selbſt-
verwaltung überlaſſen blieb. Der allgemeine Gang der Entwicklung
beſteht nun darin, daß die neuentſtehenden Miniſterien in der Lage
ſind, den alten Miniſterien ihre Gebiete allmählig zu entreißen, und ſo
ſich ihr Gebiet zu ſchaffen. Die Rechtspflege und das Innere haben
dabei ſehr leicht ſich abgeſondert; die Schwierigkeit entſtand erſt, als
aus dem Miniſterium des Innern neue Miniſterien ſich bildeten. Durch
das Auftreten derſelben kamen natürlich einerſeits unter dieſen Verwal-
tungsminiſterien die Gebiete der Verwaltung des Innern, andererſeits
auch die Gebiete des Finanzminiſteriums in Frage. Im Einzelnen iſt
die Organiſation daher eine ziemlich verſchiedene. Indem wir hier kurz
die Punkte bezeichnen, auf die es ankommt, ſoll damit nur der Aus-
gangspunkt zur Vergleichung für das Folgende gegeben werden.

Man wird zu dem Ende praktiſch am beſten die Miniſterien, welche
ſich in das Gebiet der innern Verwaltung theilen, mit dem Geſammt-
ausdruck „Verwaltungsminiſterien“ bezeichnen, und ſie ſo den
obigen Miniſterien entgegen ſtellen.

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[315/0339] theoretiſchen Verſtändniſſes des Staatslebens bildet. — Es iſt gar nicht nöthig, daß dazu gerade eine beſtimmte Theorie angenommen zu werden brauchte. Die Sache an ſich, auch nur zum allgemeinen Bewußtſein gebracht, erzeugt durch ihre eigene inwohnende Kraft ſchon ihre ent- ſprechenden Organismen. Es wird demnach eine der Aufgaben der Darſtellung der wirklichen innern Verwaltung ſein, dieſes bei den Hauptzweigen weiter nachzu- weiſen. Wir finden aber in demſelben Satze den Grundgedanken für die Erledigung der letztern Frage, welche die Eintheilung der Miniſterien betrifft, nämlich der Beſtimmung der Competenz der einzelnen Mini- ſterien gegen einander. Dieſe Beſtimmung des Umfanges der einzelnen Miniſterien muß aus zwei Geſichtspunkten betrachtet werden, dem hiſtoriſchen und dem rationellen. Und die Geſchichte zeigt auch hier die allmählige Entwick- lung des letzteren aus dem erſteren, während andererſeits die thatſäch- lichen Verſchiedenheiten die in dieſer Beziehung unter den einzelnen Staaten beſtehen, nichts ſind, als der Ausdruck des Stadiums, in welchem der Kampf zwiſchen dem hiſtoriſchen und dem rationellen Princip ſich für den Augenblick befindet. Hiſtoriſch iſt der Umfang der einzelnen Miniſterien ziemlich zufällig, indem die Geſchäfte vom Fürſten der einen oder andern Abtheilung zu- gewieſen worden ſind. Im Allgemeinen gilt jedoch der Satz, daß ur- ſprünglich nur drei große Funktionen beſtanden, Aeußeres, Krieg und Finanzen, während Rechtspflege und Inneres der ſtändiſchen Selbſt- verwaltung überlaſſen blieb. Der allgemeine Gang der Entwicklung beſteht nun darin, daß die neuentſtehenden Miniſterien in der Lage ſind, den alten Miniſterien ihre Gebiete allmählig zu entreißen, und ſo ſich ihr Gebiet zu ſchaffen. Die Rechtspflege und das Innere haben dabei ſehr leicht ſich abgeſondert; die Schwierigkeit entſtand erſt, als aus dem Miniſterium des Innern neue Miniſterien ſich bildeten. Durch das Auftreten derſelben kamen natürlich einerſeits unter dieſen Verwal- tungsminiſterien die Gebiete der Verwaltung des Innern, andererſeits auch die Gebiete des Finanzminiſteriums in Frage. Im Einzelnen iſt die Organiſation daher eine ziemlich verſchiedene. Indem wir hier kurz die Punkte bezeichnen, auf die es ankommt, ſoll damit nur der Aus- gangspunkt zur Vergleichung für das Folgende gegeben werden. Man wird zu dem Ende praktiſch am beſten die Miniſterien, welche ſich in das Gebiet der innern Verwaltung theilen, mit dem Geſammt- ausdruck „Verwaltungsminiſterien“ bezeichnen, und ſie ſo den obigen Miniſterien entgegen ſtellen. Die erſte Frage iſt dabei die, ob das Gebiet der alten Regalien,

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/339>, abgerufen am 23.11.2024.