die meiste Kraft und die schärfsten juristischen Untersuchungen an sich gezogen hat, und das ist es, was der Staatsdienerliteratur unseres Jahrhunderts einen vorwiegend juristischen Charakter gegeben hat, indem man das Recht auf das Amt mit möglichster juristischer Genauigkeit bestimmen wollte. Das Ge- fühl jenes Widerspruches, der noch unausgetragen in den Verhältnissen lag, zeigte in der That, daß die Absetzbarkeit der Beamteten die Verfassung, die Unabsetzbarkeit die Verwaltung ernstlich bedrohe, und daß daher eine bestimmte Rechtsordnung gerade auf diesem Gebiete einen wesentlichen Theil des ver- fassungsmäßigen Verwaltungsrechts ausmache. Daher denn die Erscheinung, daß in den deutschen Staaten das Staatsdienerrecht als ein Theil der Ver- fassungen anerkannt und mit seinen Hauptgränzen in dieselben aufgenommen wird, während die genauere Ausführung dieses Rechts entweder als selbständige Beilage zur Verfassung, wie in Bayern (Edikt vom 28. Mai 1818); Gotha (Beilage V. zum Staatsgrundgesetz); oder auf Grundlage der Verfassung an ein eigenes Gesetz verwiesen wird -- wie in Baden (Verfassung §. 24 und Dienstpragmatik vom 22. August 1818); Sachsen (Verfassung §. 44, Staats- dienergesetz vom 7. März 1835); Hannover (Verfassung von 1848, §. 105 und 108, Staatsdienergesetz vom 8. Mai 1852); Preußen (Verfassung von 1850, Art. 117) -- ohne daß das Staatsdienergesetz bis jetzt erschienen wäre (RönneII. §. 290) -- oder unmittelbar in der Verfassung selbst bestimmt wird, wie in Württemberg (Verf. §. 43), Kurhessen (§. 54 ff.) und andern. Vergl. Zachariä, Deutsches Staatsrecht §. 133. Andere Staaten dagegen haben ein solches Recht noch inmer nicht gesetzlich formulirt und halten sich an den hergebrachten Usus. Offenbar nun ist es, daß man mit juristischen Definitionen hier nicht auslangt. Viel weiter als Malchus in seiner Politik der innern Verwaltung (I. 15) ist die Theorie noch jetzt kaum, wenn er sagt: "Die Frage über das rechtliche Verhältniß der Staatsdiener zum Staat hat eben so häufig theoretische Erörterungen veranlaßt, als auch, besonders in neueren Zeiten, in den meisten Staaten die Gesetzgebung in Anspruch genommen, jedoch ohne daß aus den ersteren übereinstimmende Grundsätze hervorgegangen sind, oder daß in den letzteren die Fragen, die sich herausstellen, nach gleichen Ansichten ent- schieden wären." Er selbst sagt merkwürdigerweise gar nichts darüber; Klüber dagegen führt als Quelle des "Rechts zwischen Staat und Staatsbeamten" Dienstvertrag, Staatsdienergesetz, und drittens die Natur des gegen- seitigen Verhältnisses auf, ohne diese Natur zu bestimmen (§. 482). Erst in der neuesten Zeit kommt man, wie Zachariä und Zöpfl zeigen, der Wahrheit näher, indem man das Recht des Staatsdienstes auf das Wesen des Berufes zurückführt; und in der That gibt es, wo nicht ganz positive Bestimmungen vorliegen, keinen andern Standpunkt. Unter der zum Theil in's Casuistische gehenden Untersuchung der obigen Rechtsfrage ist nun die Auffassung des Staats- dienerrechts in seiner Totalität fast verloren gegangen, und die übrigen Seiten desselben viel zu wenig beachtet. In der That aber muß man festhalten, daß sie innerlich zusammengehören und sich gegenseitig erklären; der Standpunkt des reinen Gegensatzes zwischen den beiden Rechtssubjekten, Staat und Diener, ist nicht mehr ausreichend; er ist ein nothwendiger, aber er ist nur ein Moment
die meiſte Kraft und die ſchärfſten juriſtiſchen Unterſuchungen an ſich gezogen hat, und das iſt es, was der Staatsdienerliteratur unſeres Jahrhunderts einen vorwiegend juriſtiſchen Charakter gegeben hat, indem man das Recht auf das Amt mit möglichſter juriſtiſcher Genauigkeit beſtimmen wollte. Das Ge- fühl jenes Widerſpruches, der noch unausgetragen in den Verhältniſſen lag, zeigte in der That, daß die Abſetzbarkeit der Beamteten die Verfaſſung, die Unabſetzbarkeit die Verwaltung ernſtlich bedrohe, und daß daher eine beſtimmte Rechtsordnung gerade auf dieſem Gebiete einen weſentlichen Theil des ver- faſſungsmäßigen Verwaltungsrechts ausmache. Daher denn die Erſcheinung, daß in den deutſchen Staaten das Staatsdienerrecht als ein Theil der Ver- faſſungen anerkannt und mit ſeinen Hauptgränzen in dieſelben aufgenommen wird, während die genauere Ausführung dieſes Rechts entweder als ſelbſtändige Beilage zur Verfaſſung, wie in Bayern (Edikt vom 28. Mai 1818); Gotha (Beilage V. zum Staatsgrundgeſetz); oder auf Grundlage der Verfaſſung an ein eigenes Geſetz verwieſen wird — wie in Baden (Verfaſſung §. 24 und Dienſtpragmatik vom 22. Auguſt 1818); Sachſen (Verfaſſung §. 44, Staats- dienergeſetz vom 7. März 1835); Hannover (Verfaſſung von 1848, §. 105 und 108, Staatsdienergeſetz vom 8. Mai 1852); Preußen (Verfaſſung von 1850, Art. 117) — ohne daß das Staatsdienergeſetz bis jetzt erſchienen wäre (RönneII. §. 290) — oder unmittelbar in der Verfaſſung ſelbſt beſtimmt wird, wie in Württemberg (Verf. §. 43), Kurheſſen (§. 54 ff.) und andern. Vergl. Zachariä, Deutſches Staatsrecht §. 133. Andere Staaten dagegen haben ein ſolches Recht noch inmer nicht geſetzlich formulirt und halten ſich an den hergebrachten Uſus. Offenbar nun iſt es, daß man mit juriſtiſchen Definitionen hier nicht auslangt. Viel weiter als Malchus in ſeiner Politik der innern Verwaltung (I. 15) iſt die Theorie noch jetzt kaum, wenn er ſagt: „Die Frage über das rechtliche Verhältniß der Staatsdiener zum Staat hat eben ſo häufig theoretiſche Erörterungen veranlaßt, als auch, beſonders in neueren Zeiten, in den meiſten Staaten die Geſetzgebung in Anſpruch genommen, jedoch ohne daß aus den erſteren übereinſtimmende Grundſätze hervorgegangen ſind, oder daß in den letzteren die Fragen, die ſich herausſtellen, nach gleichen Anſichten ent- ſchieden wären.“ Er ſelbſt ſagt merkwürdigerweiſe gar nichts darüber; Klüber dagegen führt als Quelle des „Rechts zwiſchen Staat und Staatsbeamten“ Dienſtvertrag, Staatsdienergeſetz, und drittens die Natur des gegen- ſeitigen Verhältniſſes auf, ohne dieſe Natur zu beſtimmen (§. 482). Erſt in der neueſten Zeit kommt man, wie Zachariä und Zöpfl zeigen, der Wahrheit näher, indem man das Recht des Staatsdienſtes auf das Weſen des Berufes zurückführt; und in der That gibt es, wo nicht ganz poſitive Beſtimmungen vorliegen, keinen andern Standpunkt. Unter der zum Theil in’s Caſuiſtiſche gehenden Unterſuchung der obigen Rechtsfrage iſt nun die Auffaſſung des Staats- dienerrechts in ſeiner Totalität faſt verloren gegangen, und die übrigen Seiten deſſelben viel zu wenig beachtet. In der That aber muß man feſthalten, daß ſie innerlich zuſammengehören und ſich gegenſeitig erklären; der Standpunkt des reinen Gegenſatzes zwiſchen den beiden Rechtsſubjekten, Staat und Diener, iſt nicht mehr ausreichend; er iſt ein nothwendiger, aber er iſt nur ein Moment
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die meiſte Kraft und die ſchärfſten juriſtiſchen Unterſuchungen an ſich gezogen
hat, und das iſt es, was der Staatsdienerliteratur unſeres Jahrhunderts einen
vorwiegend juriſtiſchen Charakter gegeben hat, indem man das Recht auf
das Amt mit möglichſter juriſtiſcher Genauigkeit beſtimmen wollte. Das Ge-
fühl jenes Widerſpruches, der noch unausgetragen in den Verhältniſſen lag,
zeigte in der That, daß die Abſetzbarkeit der Beamteten die Verfaſſung, die
Unabſetzbarkeit die Verwaltung ernſtlich bedrohe, und daß daher eine beſtimmte
Rechtsordnung gerade auf dieſem Gebiete einen weſentlichen Theil des ver-
faſſungsmäßigen Verwaltungsrechts ausmache. Daher denn die Erſcheinung,
daß in den deutſchen Staaten das Staatsdienerrecht als ein Theil der Ver-
faſſungen anerkannt und mit ſeinen Hauptgränzen in dieſelben aufgenommen
wird, während die genauere Ausführung dieſes Rechts entweder als ſelbſtändige
Beilage zur Verfaſſung, wie in Bayern (Edikt vom 28. Mai 1818); Gotha
(Beilage V. zum Staatsgrundgeſetz); oder auf Grundlage der Verfaſſung an
ein eigenes Geſetz verwieſen wird — wie in Baden (Verfaſſung §. 24 und
Dienſtpragmatik vom 22. Auguſt 1818); Sachſen (Verfaſſung §. 44, Staats-
dienergeſetz vom 7. März 1835); Hannover (Verfaſſung von 1848, §. 105
und 108, Staatsdienergeſetz vom 8. Mai 1852); Preußen (Verfaſſung von
1850, Art. 117) — ohne daß das Staatsdienergeſetz bis jetzt erſchienen wäre
(Rönne II. §. 290) — oder unmittelbar in der Verfaſſung ſelbſt beſtimmt wird,
wie in Württemberg (Verf. §. 43), Kurheſſen (§. 54 ff.) und andern.
Vergl. Zachariä, Deutſches Staatsrecht §. 133. Andere Staaten dagegen
haben ein ſolches Recht noch inmer nicht geſetzlich formulirt und halten ſich an den
hergebrachten Uſus. Offenbar nun iſt es, daß man mit juriſtiſchen Definitionen
hier nicht auslangt. Viel weiter als Malchus in ſeiner Politik der innern
Verwaltung (I. 15) iſt die Theorie noch jetzt kaum, wenn er ſagt: „Die Frage
über das rechtliche Verhältniß der Staatsdiener zum Staat hat eben ſo häufig
theoretiſche Erörterungen veranlaßt, als auch, beſonders in neueren Zeiten, in
den meiſten Staaten die Geſetzgebung in Anſpruch genommen, jedoch ohne daß
aus den erſteren übereinſtimmende Grundſätze hervorgegangen ſind, oder daß
in den letzteren die Fragen, die ſich herausſtellen, nach gleichen Anſichten ent-
ſchieden wären.“ Er ſelbſt ſagt merkwürdigerweiſe gar nichts darüber; Klüber
dagegen führt als Quelle des „Rechts zwiſchen Staat und Staatsbeamten“
Dienſtvertrag, Staatsdienergeſetz, und drittens die Natur des gegen-
ſeitigen Verhältniſſes auf, ohne dieſe Natur zu beſtimmen (§. 482). Erſt in der
neueſten Zeit kommt man, wie Zachariä und Zöpfl zeigen, der Wahrheit
näher, indem man das Recht des Staatsdienſtes auf das Weſen des Berufes
zurückführt; und in der That gibt es, wo nicht ganz poſitive Beſtimmungen
vorliegen, keinen andern Standpunkt. Unter der zum Theil in’s Caſuiſtiſche
gehenden Unterſuchung der obigen Rechtsfrage iſt nun die Auffaſſung des Staats-
dienerrechts in ſeiner Totalität faſt verloren gegangen, und die übrigen Seiten
deſſelben viel zu wenig beachtet. In der That aber muß man feſthalten, daß
ſie innerlich zuſammengehören und ſich gegenſeitig erklären; der Standpunkt
des reinen Gegenſatzes zwiſchen den beiden Rechtsſubjekten, Staat und Diener,
iſt nicht mehr ausreichend; er iſt ein nothwendiger, aber er iſt nur ein Moment
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/374>, abgerufen am 22.11.2024.
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