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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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nämlich der Amtsorganismus durch die im Begriffe des Gesammtlebens
liegenden, unabänderlichen Aufgaben des Staats als ein festgeschlossenes,
im Wesentlichen immer gleiches Ganze gegeben ist, wird die Selbst-
verwaltung nicht bloß im Princip, sondern auch in ihren Formen je
nach der Zeit wie nach den verschiedenen Völkern eine beständig wech-
selnde und verschiedene sein. Während daher ferner in dem Amts-
organismus die Individualität der einzelnen großen Völker sich in den
Formen zeigt, welche die festen Elemente des Amtsorganismus durch
Natur und Menschen annehmen, bewegt sich im Gebiete der Selbst-
verwaltung die Individualität ganz frei; die Selbstverwaltung ist
eben das wahre Gebiet der Individualität des Staats-
lebens
. Die Vergleichung auf dem Felde der Selbstverwaltung versetzt
uns daher auch bei den verschiedenen Völkern gleichsam in eine neue
Welt; es ist ein ganz anderes Leben das sich uns öffnet, wenn wir
von Deutschland nach Frankreich, von Frankreich nach England gehen,
und wieder anders in andern Ländern. Hier ist es, wo sich der wahre
Reichthum der staatlichen Schöpfung aufschließt; hier ist es aber auch,
wo man jedes staatliche Dasein erst recht zu verstehen hat, denn hier
ist es, wo sich die beiden großen Potenzen desselben, die Persönlichkeit
des Staats und die der Einzelnen, fördern, beschränken, gegenseitig
bekämpfen oder verstehen. Eine unmittelbare Vergleichung ist hier nicht
ausführbar, wie bei dem Amt; sie ist nur möglich durch das Festhalten
der im Wesen der Selbstverwaltung liegenden Grundbegriffe, der
Vertretung und der Selbstverwaltung, und durch die festen Grundformen,
in denen beide erscheinen. Die Frage, die wir daher mit dem Folgenden
zu stellen haben, ist keine geringere als die, ob man das folgende
System der Selbstverwaltung und ihrer principiellen Rechte als Basis
für die ganze Lehre und jede dahin gehörende Vergleichung annehmen
kann oder nicht. Es ist für die Wissenschaft wenigstens das gewiß,
daß man sich einmal über diese Grundbegriffe einigen muß, soll nicht
im endlosen Reden über unklare Vorstellungen oder im Anhäufen
unverarbeiteten Materials der wissenschaftlichen Arbeit die wahre An-
schauung des Lebens verloren gehen.

Wir wollen versuchen, dabei so bestimmt zu sein als es möglich ist.

III. Die beiden Grundbegriffe der Selbstverwaltung, die Vertretungen und
die Selbstverwaltungskörper, ihre Rechtsprincipien und ihre Grundformen.
a) Die allgemeinen Rechtsprincipien der Selbstverwaltung.

Das Recht der Selbstverwaltung entsteht, sowie dieselbe in einem
bestimmten Organe auftritt; es enthält das Maß des Antheils, den

nämlich der Amtsorganismus durch die im Begriffe des Geſammtlebens
liegenden, unabänderlichen Aufgaben des Staats als ein feſtgeſchloſſenes,
im Weſentlichen immer gleiches Ganze gegeben iſt, wird die Selbſt-
verwaltung nicht bloß im Princip, ſondern auch in ihren Formen je
nach der Zeit wie nach den verſchiedenen Völkern eine beſtändig wech-
ſelnde und verſchiedene ſein. Während daher ferner in dem Amts-
organismus die Individualität der einzelnen großen Völker ſich in den
Formen zeigt, welche die feſten Elemente des Amtsorganismus durch
Natur und Menſchen annehmen, bewegt ſich im Gebiete der Selbſt-
verwaltung die Individualität ganz frei; die Selbſtverwaltung iſt
eben das wahre Gebiet der Individualität des Staats-
lebens
. Die Vergleichung auf dem Felde der Selbſtverwaltung verſetzt
uns daher auch bei den verſchiedenen Völkern gleichſam in eine neue
Welt; es iſt ein ganz anderes Leben das ſich uns öffnet, wenn wir
von Deutſchland nach Frankreich, von Frankreich nach England gehen,
und wieder anders in andern Ländern. Hier iſt es, wo ſich der wahre
Reichthum der ſtaatlichen Schöpfung aufſchließt; hier iſt es aber auch,
wo man jedes ſtaatliche Daſein erſt recht zu verſtehen hat, denn hier
iſt es, wo ſich die beiden großen Potenzen deſſelben, die Perſönlichkeit
des Staats und die der Einzelnen, fördern, beſchränken, gegenſeitig
bekämpfen oder verſtehen. Eine unmittelbare Vergleichung iſt hier nicht
ausführbar, wie bei dem Amt; ſie iſt nur möglich durch das Feſthalten
der im Weſen der Selbſtverwaltung liegenden Grundbegriffe, der
Vertretung und der Selbſtverwaltung, und durch die feſten Grundformen,
in denen beide erſcheinen. Die Frage, die wir daher mit dem Folgenden
zu ſtellen haben, iſt keine geringere als die, ob man das folgende
Syſtem der Selbſtverwaltung und ihrer principiellen Rechte als Baſis
für die ganze Lehre und jede dahin gehörende Vergleichung annehmen
kann oder nicht. Es iſt für die Wiſſenſchaft wenigſtens das gewiß,
daß man ſich einmal über dieſe Grundbegriffe einigen muß, ſoll nicht
im endloſen Reden über unklare Vorſtellungen oder im Anhäufen
unverarbeiteten Materials der wiſſenſchaftlichen Arbeit die wahre An-
ſchauung des Lebens verloren gehen.

Wir wollen verſuchen, dabei ſo beſtimmt zu ſein als es möglich iſt.

III. Die beiden Grundbegriffe der Selbſtverwaltung, die Vertretungen und
die Selbſtverwaltungskörper, ihre Rechtsprincipien und ihre Grundformen.
a) Die allgemeinen Rechtsprincipien der Selbſtverwaltung.

Das Recht der Selbſtverwaltung entſteht, ſowie dieſelbe in einem
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[368/0392] nämlich der Amtsorganismus durch die im Begriffe des Geſammtlebens liegenden, unabänderlichen Aufgaben des Staats als ein feſtgeſchloſſenes, im Weſentlichen immer gleiches Ganze gegeben iſt, wird die Selbſt- verwaltung nicht bloß im Princip, ſondern auch in ihren Formen je nach der Zeit wie nach den verſchiedenen Völkern eine beſtändig wech- ſelnde und verſchiedene ſein. Während daher ferner in dem Amts- organismus die Individualität der einzelnen großen Völker ſich in den Formen zeigt, welche die feſten Elemente des Amtsorganismus durch Natur und Menſchen annehmen, bewegt ſich im Gebiete der Selbſt- verwaltung die Individualität ganz frei; die Selbſtverwaltung iſt eben das wahre Gebiet der Individualität des Staats- lebens. Die Vergleichung auf dem Felde der Selbſtverwaltung verſetzt uns daher auch bei den verſchiedenen Völkern gleichſam in eine neue Welt; es iſt ein ganz anderes Leben das ſich uns öffnet, wenn wir von Deutſchland nach Frankreich, von Frankreich nach England gehen, und wieder anders in andern Ländern. Hier iſt es, wo ſich der wahre Reichthum der ſtaatlichen Schöpfung aufſchließt; hier iſt es aber auch, wo man jedes ſtaatliche Daſein erſt recht zu verſtehen hat, denn hier iſt es, wo ſich die beiden großen Potenzen deſſelben, die Perſönlichkeit des Staats und die der Einzelnen, fördern, beſchränken, gegenſeitig bekämpfen oder verſtehen. Eine unmittelbare Vergleichung iſt hier nicht ausführbar, wie bei dem Amt; ſie iſt nur möglich durch das Feſthalten der im Weſen der Selbſtverwaltung liegenden Grundbegriffe, der Vertretung und der Selbſtverwaltung, und durch die feſten Grundformen, in denen beide erſcheinen. Die Frage, die wir daher mit dem Folgenden zu ſtellen haben, iſt keine geringere als die, ob man das folgende Syſtem der Selbſtverwaltung und ihrer principiellen Rechte als Baſis für die ganze Lehre und jede dahin gehörende Vergleichung annehmen kann oder nicht. Es iſt für die Wiſſenſchaft wenigſtens das gewiß, daß man ſich einmal über dieſe Grundbegriffe einigen muß, ſoll nicht im endloſen Reden über unklare Vorſtellungen oder im Anhäufen unverarbeiteten Materials der wiſſenſchaftlichen Arbeit die wahre An- ſchauung des Lebens verloren gehen. Wir wollen verſuchen, dabei ſo beſtimmt zu ſein als es möglich iſt. III. Die beiden Grundbegriffe der Selbſtverwaltung, die Vertretungen und die Selbſtverwaltungskörper, ihre Rechtsprincipien und ihre Grundformen. a) Die allgemeinen Rechtsprincipien der Selbſtverwaltung. Das Recht der Selbſtverwaltung entſteht, ſowie dieſelbe in einem beſtimmten Organe auftritt; es enthält das Maß des Antheils, den

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/392>, abgerufen am 22.11.2024.