Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Verwaltung im weitesten Sinne begreift darnach die Ge-
sammtheit des thätigen Staatslebens, ohne Rücksicht auf seinen beson-
dern Inhalt. Es ist die abstrakte That des Staats. Eben deßhalb
bezeichnet dieser Ausdruck auch nur den Gedanken der Scheidung von
Wille und That im Staate; er hat an sich keinen Inhalt, als den des
abstrakten Begriffes der That; es gibt keine Verwaltungslehre im
weitesten Sinne, sondern der Inhalt derselben erscheint erst in den
folgenden beiden Begriffen. Diese sind die Vollziehung oder vollziehende
Gewalt, und die eigentliche Verwaltung.

Die Vollziehung ist die Kraft und die Organisation der Thätigkeit
des Staats an sich, noch ohne Rücksicht auf ihren Gegenstand. Sie
erscheint daher als dasjenige, was in allen Gebieten der eigentlichen
Verwaltung das Gemeinsame und Gleichartige ist. Sie ist daher der
allgemeine Theil der Verwaltung, und die Lehre von der vollziehen-
den Gewalt als allgemeine Grundlage jeder besondern Vollziehung in
den einzelnen Gebieten der Verwaltung ist der allgemeine Theil
der Verwaltungslehre
.

Die drei Gebiete der Verwaltung zusammengenommen bilden nun
die Thätigkeit des Staats, insofern sie bestimmte Aufgaben hat, und
daher durch die Natur und Gewalt derselben bedingt erscheint. Wir
nennen die Gesammtheit derselben die eigentliche Verwaltung.
Die eigentliche Verwaltung, ist daher der besondere Theil der Verwal-
tung im weitesten Sinn; aber sie erscheint nur in den drei großen
Grundformen der Verwaltung, der Finanz-, Rechts- und innern Ver-
hältnisse des Staats. Sie hat daher wieder keinen Inhalt für sich;
ihr Inhalt sind diese drei Gebiete. Es gibt daher auch keine eigentliche
Verwaltungslehre, sondern nur eine Verwaltungslehre der Staatswirth-
schaft, der Rechtspflege und der innern Verwaltung. Allen diesen drei
Gebieten liegt nun wieder die vollziehende Gewalt zum Grunde; sie
enthalten diejenige Gestalt und Anwendung der vollziehenden Ge-
walt, welche sie vermöge der Besonderheit ihrer Aufgaben fordern und
erzeugen.

Vielleicht ist es dienlich, namentlich auch um die fast ganz all-
gemeine Unklarheit über den Begriff der innern Verwaltung und
die beständige Verwechslung derselben bald mit der Verwaltung im
weitesten Sinne, bald mit der eigentlichen Verwaltung zu beseitigen,
und endlich eine feste Grundlage auch für die Grundbegriffe und
Kategorien des öffentlichen Rechts zu gewinnen, diesen Organismus
der Begriffe hier zu schematisiren. Derselbe stellt sich in folgender
Weise dar.


Stein, die Verwaltungslehre. I. 2

Die Verwaltung im weiteſten Sinne begreift darnach die Ge-
ſammtheit des thätigen Staatslebens, ohne Rückſicht auf ſeinen beſon-
dern Inhalt. Es iſt die abſtrakte That des Staats. Eben deßhalb
bezeichnet dieſer Ausdruck auch nur den Gedanken der Scheidung von
Wille und That im Staate; er hat an ſich keinen Inhalt, als den des
abſtrakten Begriffes der That; es gibt keine Verwaltungslehre im
weiteſten Sinne, ſondern der Inhalt derſelben erſcheint erſt in den
folgenden beiden Begriffen. Dieſe ſind die Vollziehung oder vollziehende
Gewalt, und die eigentliche Verwaltung.

Die Vollziehung iſt die Kraft und die Organiſation der Thätigkeit
des Staats an ſich, noch ohne Rückſicht auf ihren Gegenſtand. Sie
erſcheint daher als dasjenige, was in allen Gebieten der eigentlichen
Verwaltung das Gemeinſame und Gleichartige iſt. Sie iſt daher der
allgemeine Theil der Verwaltung, und die Lehre von der vollziehen-
den Gewalt als allgemeine Grundlage jeder beſondern Vollziehung in
den einzelnen Gebieten der Verwaltung iſt der allgemeine Theil
der Verwaltungslehre
.

Die drei Gebiete der Verwaltung zuſammengenommen bilden nun
die Thätigkeit des Staats, inſofern ſie beſtimmte Aufgaben hat, und
daher durch die Natur und Gewalt derſelben bedingt erſcheint. Wir
nennen die Geſammtheit derſelben die eigentliche Verwaltung.
Die eigentliche Verwaltung, iſt daher der beſondere Theil der Verwal-
tung im weiteſten Sinn; aber ſie erſcheint nur in den drei großen
Grundformen der Verwaltung, der Finanz-, Rechts- und innern Ver-
hältniſſe des Staats. Sie hat daher wieder keinen Inhalt für ſich;
ihr Inhalt ſind dieſe drei Gebiete. Es gibt daher auch keine eigentliche
Verwaltungslehre, ſondern nur eine Verwaltungslehre der Staatswirth-
ſchaft, der Rechtspflege und der innern Verwaltung. Allen dieſen drei
Gebieten liegt nun wieder die vollziehende Gewalt zum Grunde; ſie
enthalten diejenige Geſtalt und Anwendung der vollziehenden Ge-
walt, welche ſie vermöge der Beſonderheit ihrer Aufgaben fordern und
erzeugen.

Vielleicht iſt es dienlich, namentlich auch um die faſt ganz all-
gemeine Unklarheit über den Begriff der innern Verwaltung und
die beſtändige Verwechslung derſelben bald mit der Verwaltung im
weiteſten Sinne, bald mit der eigentlichen Verwaltung zu beſeitigen,
und endlich eine feſte Grundlage auch für die Grundbegriffe und
Kategorien des öffentlichen Rechts zu gewinnen, dieſen Organismus
der Begriffe hier zu ſchematiſiren. Derſelbe ſtellt ſich in folgender
Weiſe dar.


Stein, die Verwaltungslehre. I. 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0041" n="17"/>
          <p>Die Verwaltung <hi rendition="#g">im weite&#x017F;ten Sinne</hi> begreift darnach die Ge-<lb/>
&#x017F;ammtheit des thätigen Staatslebens, ohne Rück&#x017F;icht auf &#x017F;einen be&#x017F;on-<lb/>
dern Inhalt. Es i&#x017F;t die ab&#x017F;trakte That des Staats. Eben deßhalb<lb/>
bezeichnet die&#x017F;er Ausdruck auch nur den Gedanken der <hi rendition="#g">Scheidung</hi> von<lb/>
Wille und That im Staate; er hat an &#x017F;ich keinen Inhalt, als den des<lb/>
ab&#x017F;trakten Begriffes der That; es gibt keine Verwaltungslehre im<lb/>
weite&#x017F;ten Sinne, &#x017F;ondern der Inhalt der&#x017F;elben er&#x017F;cheint er&#x017F;t in den<lb/>
folgenden beiden Begriffen. Die&#x017F;e &#x017F;ind die Vollziehung oder vollziehende<lb/>
Gewalt, und die eigentliche Verwaltung.</p><lb/>
          <p>Die Vollziehung i&#x017F;t die Kraft und die Organi&#x017F;ation der Thätigkeit<lb/>
des Staats an &#x017F;ich, noch ohne Rück&#x017F;icht auf ihren Gegen&#x017F;tand. Sie<lb/>
er&#x017F;cheint daher als dasjenige, was in allen Gebieten der eigentlichen<lb/>
Verwaltung das Gemein&#x017F;ame und Gleichartige i&#x017F;t. Sie i&#x017F;t daher der<lb/><hi rendition="#g">allgemeine Theil</hi> der Verwaltung, und die Lehre von der vollziehen-<lb/>
den Gewalt als allgemeine Grundlage jeder be&#x017F;ondern Vollziehung in<lb/>
den einzelnen Gebieten der Verwaltung i&#x017F;t der <hi rendition="#g">allgemeine Theil<lb/>
der Verwaltungslehre</hi>.</p><lb/>
          <p>Die drei Gebiete der Verwaltung zu&#x017F;ammengenommen bilden nun<lb/>
die Thätigkeit des Staats, <hi rendition="#g">in&#x017F;ofern</hi> &#x017F;ie be&#x017F;timmte Aufgaben hat, und<lb/>
daher durch die Natur und Gewalt der&#x017F;elben bedingt er&#x017F;cheint. Wir<lb/>
nennen die Ge&#x017F;ammtheit der&#x017F;elben die <hi rendition="#g">eigentliche Verwaltung</hi>.<lb/>
Die eigentliche Verwaltung, i&#x017F;t daher der <hi rendition="#g">be&#x017F;ondere</hi> Theil der Verwal-<lb/>
tung im weite&#x017F;ten Sinn; aber &#x017F;ie er&#x017F;cheint nur in den drei großen<lb/>
Grundformen der Verwaltung, der Finanz-, Rechts- und innern Ver-<lb/>
hältni&#x017F;&#x017F;e des Staats. Sie hat daher wieder keinen Inhalt für &#x017F;ich;<lb/>
ihr Inhalt &#x017F;ind die&#x017F;e drei Gebiete. Es gibt daher auch keine eigentliche<lb/>
Verwaltungslehre, &#x017F;ondern nur eine Verwaltungslehre der Staatswirth-<lb/>
&#x017F;chaft, der Rechtspflege und der innern Verwaltung. Allen die&#x017F;en drei<lb/>
Gebieten liegt nun wieder die vollziehende Gewalt zum Grunde; &#x017F;ie<lb/>
enthalten diejenige <hi rendition="#g">Ge&#x017F;talt und Anwendung</hi> der vollziehenden Ge-<lb/>
walt, welche &#x017F;ie vermöge der Be&#x017F;onderheit ihrer Aufgaben fordern und<lb/>
erzeugen.</p><lb/>
          <p>Vielleicht i&#x017F;t es dienlich, namentlich auch um die fa&#x017F;t ganz all-<lb/>
gemeine Unklarheit über den Begriff der innern Verwaltung und<lb/>
die be&#x017F;tändige Verwechslung der&#x017F;elben bald mit der Verwaltung im<lb/>
weite&#x017F;ten Sinne, bald mit der eigentlichen Verwaltung zu be&#x017F;eitigen,<lb/>
und endlich eine fe&#x017F;te Grundlage auch für die Grundbegriffe und<lb/>
Kategorien des öffentlichen Rechts zu gewinnen, die&#x017F;en Organismus<lb/>
der Begriffe hier zu &#x017F;chemati&#x017F;iren. Der&#x017F;elbe &#x017F;tellt &#x017F;ich in folgender<lb/>
Wei&#x017F;e dar.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Stein</hi>, die Verwaltungslehre. <hi rendition="#aq">I.</hi> 2</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0041] Die Verwaltung im weiteſten Sinne begreift darnach die Ge- ſammtheit des thätigen Staatslebens, ohne Rückſicht auf ſeinen beſon- dern Inhalt. Es iſt die abſtrakte That des Staats. Eben deßhalb bezeichnet dieſer Ausdruck auch nur den Gedanken der Scheidung von Wille und That im Staate; er hat an ſich keinen Inhalt, als den des abſtrakten Begriffes der That; es gibt keine Verwaltungslehre im weiteſten Sinne, ſondern der Inhalt derſelben erſcheint erſt in den folgenden beiden Begriffen. Dieſe ſind die Vollziehung oder vollziehende Gewalt, und die eigentliche Verwaltung. Die Vollziehung iſt die Kraft und die Organiſation der Thätigkeit des Staats an ſich, noch ohne Rückſicht auf ihren Gegenſtand. Sie erſcheint daher als dasjenige, was in allen Gebieten der eigentlichen Verwaltung das Gemeinſame und Gleichartige iſt. Sie iſt daher der allgemeine Theil der Verwaltung, und die Lehre von der vollziehen- den Gewalt als allgemeine Grundlage jeder beſondern Vollziehung in den einzelnen Gebieten der Verwaltung iſt der allgemeine Theil der Verwaltungslehre. Die drei Gebiete der Verwaltung zuſammengenommen bilden nun die Thätigkeit des Staats, inſofern ſie beſtimmte Aufgaben hat, und daher durch die Natur und Gewalt derſelben bedingt erſcheint. Wir nennen die Geſammtheit derſelben die eigentliche Verwaltung. Die eigentliche Verwaltung, iſt daher der beſondere Theil der Verwal- tung im weiteſten Sinn; aber ſie erſcheint nur in den drei großen Grundformen der Verwaltung, der Finanz-, Rechts- und innern Ver- hältniſſe des Staats. Sie hat daher wieder keinen Inhalt für ſich; ihr Inhalt ſind dieſe drei Gebiete. Es gibt daher auch keine eigentliche Verwaltungslehre, ſondern nur eine Verwaltungslehre der Staatswirth- ſchaft, der Rechtspflege und der innern Verwaltung. Allen dieſen drei Gebieten liegt nun wieder die vollziehende Gewalt zum Grunde; ſie enthalten diejenige Geſtalt und Anwendung der vollziehenden Ge- walt, welche ſie vermöge der Beſonderheit ihrer Aufgaben fordern und erzeugen. Vielleicht iſt es dienlich, namentlich auch um die faſt ganz all- gemeine Unklarheit über den Begriff der innern Verwaltung und die beſtändige Verwechslung derſelben bald mit der Verwaltung im weiteſten Sinne, bald mit der eigentlichen Verwaltung zu beſeitigen, und endlich eine feſte Grundlage auch für die Grundbegriffe und Kategorien des öffentlichen Rechts zu gewinnen, dieſen Organismus der Begriffe hier zu ſchematiſiren. Derſelbe ſtellt ſich in folgender Weiſe dar. Stein, die Verwaltungslehre. I. 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/41
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/41>, abgerufen am 21.11.2024.