Hauptinhalte nach aus einer Corporation eine Staatsanstalt. Das letztere ist zunächst die materielle Folge des erstern; vom höheren Stand- punkt aber ist es vielmehr ein organischer Entwicklungsproceß. Denn in der That kann nur im Staate die Verwaltung der höchsten allge- meinen Interessen des Gesammtlebens liegen, und die Abscheidung vom Staate ist durch die Individualisirung der erstern eine Gefährdung des letztern. Auf diesem Punkte nun fragt es sich, ob und in wie weit noch von einer Selbstverwaltung der Corporation die Rede sein kann. Und diese Frage kann nicht einfach beantwortet werden. Man muß vielmehr hier zuerst die Arten der Corporation, und dann das Wesen der Stiftungen und ihr Verhältniß zur Corporation unterscheiden.
Der oben bezeichnete allgemeine Gang der Dinge erklärt es näm- lich, daß der Ausdruck und die Principien des corporativen Rechts auf verschiedene Dinge in der ständischen Welt Anwendung finden, die zum Theil nur sehr uneigentlich den Namen einer Corporation führen. Zuerst gehören dahin diejenigen Formationen der ständischen Welt, welche wir als die ritterschaftlichen oder Adelscorporationen be- zeichnen müssen, und die im Grunde nur Vereine zu gewissen stän- dischen Zwecken, oft mit, oft ohne eigenen Grundbesitz sind, als solche aber in der ständischen Verfassung einen bestimmten Platz haben. Bei diesen ist natürlich von einer Berufsgenossenschaft nicht die Rede, und man muß sie daher auch nur als Corporationen im uneigentlichen Sinne betrachten. Sie haben aus demselben Grunde mit der Verwaltung des Staats nichts zu thun, sondern auf Grundlage ihres Grundbesitzes und zuweilen auch der noch erhaltenen Anerkennung ihrer landständischen Rechte erscheinen sie in der Verfassung mit dem Rechte zur Wahl der Volksvertreter, zuweilen mit Virilstimmen, da wo das ständische Element der Verfassung noch erhalten ist. Von einer Selbstverwaltung ist bei ihnen daher auch nur dann die Rede, wenn sie zufällig ein bestimmtes eigenes Vermögen haben; das aber nimmt eben dadurch, indem es für ganz bestimmte Zwecke verwendet wird, den Charakter einer Stiftung an, und fällt damit unter die Grundsätze, welche für die Verwaltung derselben gelten. So verschwindet diese erste Form der Corporationen mit dem Auftreten der staatsbürgerlichen Gesellschaft. Ein ähnliches Schicksal hat die zweite Form, die wir als die städtische Form der Corporationen, die gewerblichen Corporationen, bezeichnen müssen. Die Gründe, weßhalb, und die Ordnung, in welcher sich diese Gewerbe zu selbständigen Corporationen ausgebildet haben, sind bekannt und gehören der Geschichte des städtischen Lebens. Meistens aber haben dieselben zwei Hauptzwecke zugleich gehabt, und ihr Schicksal ist je nach diesen Zwecken ein verschiedenes. Der erste war der, das Gewerbe selbst
Stein, die Verwaltungslehre. I. 33
Hauptinhalte nach aus einer Corporation eine Staatsanſtalt. Das letztere iſt zunächſt die materielle Folge des erſtern; vom höheren Stand- punkt aber iſt es vielmehr ein organiſcher Entwicklungsproceß. Denn in der That kann nur im Staate die Verwaltung der höchſten allge- meinen Intereſſen des Geſammtlebens liegen, und die Abſcheidung vom Staate iſt durch die Individualiſirung der erſtern eine Gefährdung des letztern. Auf dieſem Punkte nun fragt es ſich, ob und in wie weit noch von einer Selbſtverwaltung der Corporation die Rede ſein kann. Und dieſe Frage kann nicht einfach beantwortet werden. Man muß vielmehr hier zuerſt die Arten der Corporation, und dann das Weſen der Stiftungen und ihr Verhältniß zur Corporation unterſcheiden.
Der oben bezeichnete allgemeine Gang der Dinge erklärt es näm- lich, daß der Ausdruck und die Principien des corporativen Rechts auf verſchiedene Dinge in der ſtändiſchen Welt Anwendung finden, die zum Theil nur ſehr uneigentlich den Namen einer Corporation führen. Zuerſt gehören dahin diejenigen Formationen der ſtändiſchen Welt, welche wir als die ritterſchaftlichen oder Adelscorporationen be- zeichnen müſſen, und die im Grunde nur Vereine zu gewiſſen ſtän- diſchen Zwecken, oft mit, oft ohne eigenen Grundbeſitz ſind, als ſolche aber in der ſtändiſchen Verfaſſung einen beſtimmten Platz haben. Bei dieſen iſt natürlich von einer Berufsgenoſſenſchaft nicht die Rede, und man muß ſie daher auch nur als Corporationen im uneigentlichen Sinne betrachten. Sie haben aus demſelben Grunde mit der Verwaltung des Staats nichts zu thun, ſondern auf Grundlage ihres Grundbeſitzes und zuweilen auch der noch erhaltenen Anerkennung ihrer landſtändiſchen Rechte erſcheinen ſie in der Verfaſſung mit dem Rechte zur Wahl der Volksvertreter, zuweilen mit Virilſtimmen, da wo das ſtändiſche Element der Verfaſſung noch erhalten iſt. Von einer Selbſtverwaltung iſt bei ihnen daher auch nur dann die Rede, wenn ſie zufällig ein beſtimmtes eigenes Vermögen haben; das aber nimmt eben dadurch, indem es für ganz beſtimmte Zwecke verwendet wird, den Charakter einer Stiftung an, und fällt damit unter die Grundſätze, welche für die Verwaltung derſelben gelten. So verſchwindet dieſe erſte Form der Corporationen mit dem Auftreten der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft. Ein ähnliches Schickſal hat die zweite Form, die wir als die ſtädtiſche Form der Corporationen, die gewerblichen Corporationen, bezeichnen müſſen. Die Gründe, weßhalb, und die Ordnung, in welcher ſich dieſe Gewerbe zu ſelbſtändigen Corporationen ausgebildet haben, ſind bekannt und gehören der Geſchichte des ſtädtiſchen Lebens. Meiſtens aber haben dieſelben zwei Hauptzwecke zugleich gehabt, und ihr Schickſal iſt je nach dieſen Zwecken ein verſchiedenes. Der erſte war der, das Gewerbe ſelbſt
Stein, die Verwaltungslehre. I. 33
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Hauptinhalte nach aus einer Corporation eine Staatsanſtalt. Das
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in der That kann nur im Staate die Verwaltung der höchſten allge-
meinen Intereſſen des Geſammtlebens liegen, und die Abſcheidung vom
Staate iſt durch die Individualiſirung der erſtern eine Gefährdung des
letztern. Auf dieſem Punkte nun fragt es ſich, ob und in wie weit
noch von einer Selbſtverwaltung der Corporation die Rede ſein
kann. Und dieſe Frage kann nicht einfach beantwortet werden. Man
muß vielmehr hier zuerſt die Arten der Corporation, und dann das
Weſen der Stiftungen und ihr Verhältniß zur Corporation unterſcheiden.
Der oben bezeichnete allgemeine Gang der Dinge erklärt es näm-
lich, daß der Ausdruck und die Principien des corporativen Rechts auf
verſchiedene Dinge in der ſtändiſchen Welt Anwendung finden, die zum
Theil nur ſehr uneigentlich den Namen einer Corporation führen.
Zuerſt gehören dahin diejenigen Formationen der ſtändiſchen Welt,
welche wir als die ritterſchaftlichen oder Adelscorporationen be-
zeichnen müſſen, und die im Grunde nur Vereine zu gewiſſen ſtän-
diſchen Zwecken, oft mit, oft ohne eigenen Grundbeſitz ſind, als ſolche
aber in der ſtändiſchen Verfaſſung einen beſtimmten Platz haben. Bei
dieſen iſt natürlich von einer Berufsgenoſſenſchaft nicht die Rede, und
man muß ſie daher auch nur als Corporationen im uneigentlichen Sinne
betrachten. Sie haben aus demſelben Grunde mit der Verwaltung des
Staats nichts zu thun, ſondern auf Grundlage ihres Grundbeſitzes und
zuweilen auch der noch erhaltenen Anerkennung ihrer landſtändiſchen
Rechte erſcheinen ſie in der Verfaſſung mit dem Rechte zur Wahl der
Volksvertreter, zuweilen mit Virilſtimmen, da wo das ſtändiſche Element
der Verfaſſung noch erhalten iſt. Von einer Selbſtverwaltung iſt bei
ihnen daher auch nur dann die Rede, wenn ſie zufällig ein beſtimmtes
eigenes Vermögen haben; das aber nimmt eben dadurch, indem es für
ganz beſtimmte Zwecke verwendet wird, den Charakter einer Stiftung
an, und fällt damit unter die Grundſätze, welche für die Verwaltung
derſelben gelten. So verſchwindet dieſe erſte Form der Corporationen
mit dem Auftreten der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft. Ein ähnliches
Schickſal hat die zweite Form, die wir als die ſtädtiſche Form der
Corporationen, die gewerblichen Corporationen, bezeichnen müſſen.
Die Gründe, weßhalb, und die Ordnung, in welcher ſich dieſe Gewerbe
zu ſelbſtändigen Corporationen ausgebildet haben, ſind bekannt und
gehören der Geſchichte des ſtädtiſchen Lebens. Meiſtens aber haben
dieſelben zwei Hauptzwecke zugleich gehabt, und ihr Schickſal iſt je nach
dieſen Zwecken ein verſchiedenes. Der erſte war der, das Gewerbe ſelbſt
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/537>, abgerufen am 22.11.2024.
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