zu ordnen; daraus wurden sie zu derjenigen Form, in welcher das Gewerbe in die städtische Verfassung hineintrat. In letzter Beziehung verschwinden sie natürlich mit dem neuen Gemeinderecht; in ersterer Beziehung erhalten sie sich bis zum Eintreten der Gewerbefreiheit; in beiden aber verschwinden sie mit dem Eintreten der staatsbürgerlichen Gesellschaft. Ihr zweiter Zweck war dagegen schon ursprünglich ein anderer, in der Begränzung und Ausführung vielfach modificirter, im Princip dagegen beständig gleichartiger. Es war der einer gegenseitigen Unterstützung der Gewerbsgenossen. Dieser Zweck erzeugte einen eigenen Besitz, bald ein Haus, bald ein Grundstück, meist eine "Lade", immer aber irgend ein Objekt einer wirthschaftlichen Selbstverwaltung. Natür- lich blieb dieses Element auch noch in der Epoche der staatsbürgerlichen Gesellschaft; aber durch das allein waren jene Corporationen nicht mehr, was sie gewesen; sie verschwanden als solche und wurden, gerade wie die Adelscorporationen, zu Stiftungen. Die dritte Form dagegen bildet die eigentliche Corporation, die wir als die Berufscorporation bezeichnen. Eine eigentliche Corporation nennen wir sie, weil das Objekt ihrer Selbstverwaltung den Organismus und die Thätigkeit einer Berufs- erfüllung, mithin ein wirklich allgemeines und auch in der staatsbürger- lichen Gesellschaft dauerndes Element betrifft. Ihr Inhalt ist eben deßhalb ein doppelter: erstlich allerdings ihr Besitz und dessen Verwal- tung, dann aber die Erfüllung des Berufes durch die Berufsmitglieder. Und hier ist es nun, wo man auch in unserer Zeit noch von eigent- lichen Corporationen und ihrer Selbstverwaltung reden kann, und wo daher Staat und Selbstverwaltung sich berühren, sich durchdringen, oft aber zum Gegensatze kommen. Um hier die Gränze zu ziehen, muß man unterscheiden, und zwar zwischen dem Besitz und dem Berufe.
Der Corporationsbesitz nämlich hat fast immer eine zweifache Wid- mung. Erstlich ist er für die berufsmäßigen Aufgaben der Corporation bestimmt; zweitens erscheint er als besondere, mit dem Berufe zusam- menhängende Stiftung. Wo das letzte der Fall ist, da treten natürlich die Rechte und Verhältnisse der Stiftungen ein. Wo dagegen das erste der Fall ist, da geschieht, was wir oben bezeichnet haben. Es liegt im unbezweifelten Wesen des Staats, die Ordnung, in welcher ein Beruf überhaupt erfüllt werden soll, zu bestimmen. Es kann kein Recht geben, das ihm dieses Recht absolut entzöge. Nicht einmal das eigene Gesetz des Staats nimmt es ihm, noch weniger die Anerkennung des Rechts der Selbstverwaltung einer Corporation. Denn diese Anerkennung ist nicht das Zusprechen eines Privatrechts, wie bei der Stiftung, sondern die Bestimmung über die Vollziehung einer Funktion, welche im Begriffe der Gemeinschaft der Menschen liegt. In jener Anerkennung steht nicht
zu ordnen; daraus wurden ſie zu derjenigen Form, in welcher das Gewerbe in die ſtädtiſche Verfaſſung hineintrat. In letzter Beziehung verſchwinden ſie natürlich mit dem neuen Gemeinderecht; in erſterer Beziehung erhalten ſie ſich bis zum Eintreten der Gewerbefreiheit; in beiden aber verſchwinden ſie mit dem Eintreten der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft. Ihr zweiter Zweck war dagegen ſchon urſprünglich ein anderer, in der Begränzung und Ausführung vielfach modificirter, im Princip dagegen beſtändig gleichartiger. Es war der einer gegenſeitigen Unterſtützung der Gewerbsgenoſſen. Dieſer Zweck erzeugte einen eigenen Beſitz, bald ein Haus, bald ein Grundſtück, meiſt eine „Lade“, immer aber irgend ein Objekt einer wirthſchaftlichen Selbſtverwaltung. Natür- lich blieb dieſes Element auch noch in der Epoche der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft; aber durch das allein waren jene Corporationen nicht mehr, was ſie geweſen; ſie verſchwanden als ſolche und wurden, gerade wie die Adelscorporationen, zu Stiftungen. Die dritte Form dagegen bildet die eigentliche Corporation, die wir als die Berufscorporation bezeichnen. Eine eigentliche Corporation nennen wir ſie, weil das Objekt ihrer Selbſtverwaltung den Organismus und die Thätigkeit einer Berufs- erfüllung, mithin ein wirklich allgemeines und auch in der ſtaatsbürger- lichen Geſellſchaft dauerndes Element betrifft. Ihr Inhalt iſt eben deßhalb ein doppelter: erſtlich allerdings ihr Beſitz und deſſen Verwal- tung, dann aber die Erfüllung des Berufes durch die Berufsmitglieder. Und hier iſt es nun, wo man auch in unſerer Zeit noch von eigent- lichen Corporationen und ihrer Selbſtverwaltung reden kann, und wo daher Staat und Selbſtverwaltung ſich berühren, ſich durchdringen, oft aber zum Gegenſatze kommen. Um hier die Gränze zu ziehen, muß man unterſcheiden, und zwar zwiſchen dem Beſitz und dem Berufe.
Der Corporationsbeſitz nämlich hat faſt immer eine zweifache Wid- mung. Erſtlich iſt er für die berufsmäßigen Aufgaben der Corporation beſtimmt; zweitens erſcheint er als beſondere, mit dem Berufe zuſam- menhängende Stiftung. Wo das letzte der Fall iſt, da treten natürlich die Rechte und Verhältniſſe der Stiftungen ein. Wo dagegen das erſte der Fall iſt, da geſchieht, was wir oben bezeichnet haben. Es liegt im unbezweifelten Weſen des Staats, die Ordnung, in welcher ein Beruf überhaupt erfüllt werden ſoll, zu beſtimmen. Es kann kein Recht geben, das ihm dieſes Recht abſolut entzöge. Nicht einmal das eigene Geſetz des Staats nimmt es ihm, noch weniger die Anerkennung des Rechts der Selbſtverwaltung einer Corporation. Denn dieſe Anerkennung iſt nicht das Zuſprechen eines Privatrechts, wie bei der Stiftung, ſondern die Beſtimmung über die Vollziehung einer Funktion, welche im Begriffe der Gemeinſchaft der Menſchen liegt. In jener Anerkennung ſteht nicht
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[514/0538]
zu ordnen; daraus wurden ſie zu derjenigen Form, in welcher das
Gewerbe in die ſtädtiſche Verfaſſung hineintrat. In letzter Beziehung
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Beziehung erhalten ſie ſich bis zum Eintreten der Gewerbefreiheit; in
beiden aber verſchwinden ſie mit dem Eintreten der ſtaatsbürgerlichen
Geſellſchaft. Ihr zweiter Zweck war dagegen ſchon urſprünglich ein
anderer, in der Begränzung und Ausführung vielfach modificirter, im
Princip dagegen beſtändig gleichartiger. Es war der einer gegenſeitigen
Unterſtützung der Gewerbsgenoſſen. Dieſer Zweck erzeugte einen eigenen
Beſitz, bald ein Haus, bald ein Grundſtück, meiſt eine „Lade“, immer
aber irgend ein Objekt einer wirthſchaftlichen Selbſtverwaltung. Natür-
lich blieb dieſes Element auch noch in der Epoche der ſtaatsbürgerlichen
Geſellſchaft; aber durch das allein waren jene Corporationen nicht mehr,
was ſie geweſen; ſie verſchwanden als ſolche und wurden, gerade wie
die Adelscorporationen, zu Stiftungen. Die dritte Form dagegen bildet
die eigentliche Corporation, die wir als die Berufscorporation
bezeichnen. Eine eigentliche Corporation nennen wir ſie, weil das Objekt
ihrer Selbſtverwaltung den Organismus und die Thätigkeit einer Berufs-
erfüllung, mithin ein wirklich allgemeines und auch in der ſtaatsbürger-
lichen Geſellſchaft dauerndes Element betrifft. Ihr Inhalt iſt eben
deßhalb ein doppelter: erſtlich allerdings ihr Beſitz und deſſen Verwal-
tung, dann aber die Erfüllung des Berufes durch die Berufsmitglieder.
Und hier iſt es nun, wo man auch in unſerer Zeit noch von eigent-
lichen Corporationen und ihrer Selbſtverwaltung reden kann, und wo
daher Staat und Selbſtverwaltung ſich berühren, ſich durchdringen, oft
aber zum Gegenſatze kommen. Um hier die Gränze zu ziehen, muß man
unterſcheiden, und zwar zwiſchen dem Beſitz und dem Berufe.
Der Corporationsbeſitz nämlich hat faſt immer eine zweifache Wid-
mung. Erſtlich iſt er für die berufsmäßigen Aufgaben der Corporation
beſtimmt; zweitens erſcheint er als beſondere, mit dem Berufe zuſam-
menhängende Stiftung. Wo das letzte der Fall iſt, da treten natürlich
die Rechte und Verhältniſſe der Stiftungen ein. Wo dagegen das erſte
der Fall iſt, da geſchieht, was wir oben bezeichnet haben. Es liegt im
unbezweifelten Weſen des Staats, die Ordnung, in welcher ein Beruf
überhaupt erfüllt werden ſoll, zu beſtimmen. Es kann kein Recht geben,
das ihm dieſes Recht abſolut entzöge. Nicht einmal das eigene Geſetz
des Staats nimmt es ihm, noch weniger die Anerkennung des Rechts
der Selbſtverwaltung einer Corporation. Denn dieſe Anerkennung iſt
nicht das Zuſprechen eines Privatrechts, wie bei der Stiftung, ſondern
die Beſtimmung über die Vollziehung einer Funktion, welche im Begriffe
der Gemeinſchaft der Menſchen liegt. In jener Anerkennung ſteht nicht
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/538>, abgerufen am 22.11.2024.
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