ist die Verwendung derselben in der Form gegeben, in welcher der Stiftende sie gewollt hat; an dieser kann der Staat nichts ändern, und man wird sie darum, da ihr Zweck stets im Gebiete der Staats- verwaltung selber liegt, eine Staatsverwaltung nennen. Es folgt dar- aus, daß im Falle die von der Stiftung geforderten Organe ihrer Ver- waltung nicht mehr gefunden werden können, der Staat nicht das Recht gewinnt, darum die Stiftung aufzuheben, sondern er muß sie vielmehr als eine hereditas jacens betrachten, und sie unter eine Vermögens- verwaltung stellen, welche in ihrer Thätigkeit genau den Vorschriften der Stiftung gemäß zu verfahren hat. Die Oberaufsicht, welche die Staatsverwaltung über die Verwaltung der Stiftungen hat, ist eben darum nie etwas anderes, als eine Form der Obervormundschaft, und die stiftungsmäßigen Organe der Verwaltung sind daher ganz nach dem Rechte der Vormünder zu behandeln. In zweifelhaften Fällen, in denen es sich bei der Verwendung der Stiftung um die Gränze der Berechtigung der Organe dieser Stiftungsverwaltung handelt, muß daher auch das Vormundschaftsrecht entscheidend sein, und die Befugniß der Organe der Verwaltung nach diesem Rechte ausgedehnt, die Ent- scheidung darüber aber der obersten vormundschaftlichen Behörde über- geben werden.
Dieser letzte Satz erleidet nur da eine Aenderung, wo die Stif- tungen nicht von eigends eingesetzten Organen, sondern von einer Cor- poration verwaltet werden. In diesem Falle erscheinen die Stiftungen als dem Berufe angehörig, welche die Corporation selbst verwaltet, und die Aenderung in der Organisation des Berufes, welche von der Gesetzgebung bestimmt wird, muß daher auch als eine in der Stiftung selbst enthaltene und für sie zulässige angesehen werden. Die höchste leitende Gewalt ist in diesem Falle auch nicht mehr die obervormund- schaftliche Behörde, sondern das Ministerium der Berufe, das Ministerium des Cultus und Unterrichts, selbst in dem Falle, wo, wie bei den Hospitälern, die Ausübung der Stiftung eine sociale Bedeu- tung hat, und daher mit dem Ministerium der socialen Fragen, dem Innern, in Verbindung steht. -- Es versteht sich dabei, daß die Stif- tungsurkunde in jedem Falle maßgebend sein muß; es wäre wohl eine der Wissenschaft der Verwaltung würdige Aufgabe, auf Grundlage dieser Urkunden einmal den historisch entstandenen und gegebenen Orga- nismus wie die Vertheilung der Stiftungen in irgend einem Lande mit voller Vollständigkeit und wissenschaftlicher Beherrschung darzustellen. Das so gewonnene Bild würde nicht bloß großen historischen Werth haben, sondern es würde uns auch zeigen, nach welchen Richtungen und in welchen Formen das Individuum in den verschiedenen Epochen
iſt die Verwendung derſelben in der Form gegeben, in welcher der Stiftende ſie gewollt hat; an dieſer kann der Staat nichts ändern, und man wird ſie darum, da ihr Zweck ſtets im Gebiete der Staats- verwaltung ſelber liegt, eine Staatsverwaltung nennen. Es folgt dar- aus, daß im Falle die von der Stiftung geforderten Organe ihrer Ver- waltung nicht mehr gefunden werden können, der Staat nicht das Recht gewinnt, darum die Stiftung aufzuheben, ſondern er muß ſie vielmehr als eine hereditas jacens betrachten, und ſie unter eine Vermögens- verwaltung ſtellen, welche in ihrer Thätigkeit genau den Vorſchriften der Stiftung gemäß zu verfahren hat. Die Oberaufſicht, welche die Staatsverwaltung über die Verwaltung der Stiftungen hat, iſt eben darum nie etwas anderes, als eine Form der Obervormundſchaft, und die ſtiftungsmäßigen Organe der Verwaltung ſind daher ganz nach dem Rechte der Vormünder zu behandeln. In zweifelhaften Fällen, in denen es ſich bei der Verwendung der Stiftung um die Gränze der Berechtigung der Organe dieſer Stiftungsverwaltung handelt, muß daher auch das Vormundſchaftsrecht entſcheidend ſein, und die Befugniß der Organe der Verwaltung nach dieſem Rechte ausgedehnt, die Ent- ſcheidung darüber aber der oberſten vormundſchaftlichen Behörde über- geben werden.
Dieſer letzte Satz erleidet nur da eine Aenderung, wo die Stif- tungen nicht von eigends eingeſetzten Organen, ſondern von einer Cor- poration verwaltet werden. In dieſem Falle erſcheinen die Stiftungen als dem Berufe angehörig, welche die Corporation ſelbſt verwaltet, und die Aenderung in der Organiſation des Berufes, welche von der Geſetzgebung beſtimmt wird, muß daher auch als eine in der Stiftung ſelbſt enthaltene und für ſie zuläſſige angeſehen werden. Die höchſte leitende Gewalt iſt in dieſem Falle auch nicht mehr die obervormund- ſchaftliche Behörde, ſondern das Miniſterium der Berufe, das Miniſterium des Cultus und Unterrichts, ſelbſt in dem Falle, wo, wie bei den Hoſpitälern, die Ausübung der Stiftung eine ſociale Bedeu- tung hat, und daher mit dem Miniſterium der ſocialen Fragen, dem Innern, in Verbindung ſteht. — Es verſteht ſich dabei, daß die Stif- tungsurkunde in jedem Falle maßgebend ſein muß; es wäre wohl eine der Wiſſenſchaft der Verwaltung würdige Aufgabe, auf Grundlage dieſer Urkunden einmal den hiſtoriſch entſtandenen und gegebenen Orga- nismus wie die Vertheilung der Stiftungen in irgend einem Lande mit voller Vollſtändigkeit und wiſſenſchaftlicher Beherrſchung darzuſtellen. Das ſo gewonnene Bild würde nicht bloß großen hiſtoriſchen Werth haben, ſondern es würde uns auch zeigen, nach welchen Richtungen und in welchen Formen das Individuum in den verſchiedenen Epochen
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iſt die Verwendung derſelben in der Form gegeben, in welcher der
Stiftende ſie gewollt hat; an dieſer kann der Staat nichts ändern,
und man wird ſie darum, da ihr Zweck ſtets im Gebiete der Staats-
verwaltung ſelber liegt, eine Staatsverwaltung nennen. Es folgt dar-
aus, daß im Falle die von der Stiftung geforderten Organe ihrer Ver-
waltung nicht mehr gefunden werden können, der Staat nicht das Recht
gewinnt, darum die Stiftung aufzuheben, ſondern er muß ſie vielmehr
als eine hereditas jacens betrachten, und ſie unter eine Vermögens-
verwaltung ſtellen, welche in ihrer Thätigkeit genau den Vorſchriften
der Stiftung gemäß zu verfahren hat. Die Oberaufſicht, welche die
Staatsverwaltung über die Verwaltung der Stiftungen hat, iſt eben
darum nie etwas anderes, als eine Form der Obervormundſchaft,
und die ſtiftungsmäßigen Organe der Verwaltung ſind daher ganz nach
dem Rechte der Vormünder zu behandeln. In zweifelhaften Fällen,
in denen es ſich bei der Verwendung der Stiftung um die Gränze der
Berechtigung der Organe dieſer Stiftungsverwaltung handelt, muß
daher auch das Vormundſchaftsrecht entſcheidend ſein, und die Befugniß
der Organe der Verwaltung nach dieſem Rechte ausgedehnt, die Ent-
ſcheidung darüber aber der oberſten vormundſchaftlichen Behörde über-
geben werden.
Dieſer letzte Satz erleidet nur da eine Aenderung, wo die Stif-
tungen nicht von eigends eingeſetzten Organen, ſondern von einer Cor-
poration verwaltet werden. In dieſem Falle erſcheinen die Stiftungen
als dem Berufe angehörig, welche die Corporation ſelbſt verwaltet,
und die Aenderung in der Organiſation des Berufes, welche von der
Geſetzgebung beſtimmt wird, muß daher auch als eine in der Stiftung
ſelbſt enthaltene und für ſie zuläſſige angeſehen werden. Die höchſte
leitende Gewalt iſt in dieſem Falle auch nicht mehr die obervormund-
ſchaftliche Behörde, ſondern das Miniſterium der Berufe, das
Miniſterium des Cultus und Unterrichts, ſelbſt in dem Falle, wo, wie
bei den Hoſpitälern, die Ausübung der Stiftung eine ſociale Bedeu-
tung hat, und daher mit dem Miniſterium der ſocialen Fragen, dem
Innern, in Verbindung ſteht. — Es verſteht ſich dabei, daß die Stif-
tungsurkunde in jedem Falle maßgebend ſein muß; es wäre wohl eine
der Wiſſenſchaft der Verwaltung würdige Aufgabe, auf Grundlage
dieſer Urkunden einmal den hiſtoriſch entſtandenen und gegebenen Orga-
nismus wie die Vertheilung der Stiftungen in irgend einem Lande mit
voller Vollſtändigkeit und wiſſenſchaftlicher Beherrſchung darzuſtellen.
Das ſo gewonnene Bild würde nicht bloß großen hiſtoriſchen Werth
haben, ſondern es würde uns auch zeigen, nach welchen Richtungen
und in welchen Formen das Individuum in den verſchiedenen Epochen
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 518. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/542>, abgerufen am 22.11.2024.
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