der Staat gegenüber den politischen Vereinen strafend, gegenüber den Gesellschaften fördernd und ordnend auftritt, tritt er gegenüber den Klassenvereinen verbietend und vorbeugend auf. So bildet sich durch das Zusammenwirken aller dieser Elemente einerseits ein wirkliches Vereinswesen, andererseits eine Vereinsgesetzgebung; nur noch die Wissenschaft ist in Beziehung auf beides im Rückstande, denn noch sind die Begriffe und Rechte keinesweges geklärt, und der höhere Be- griff, der Begriff der freien Verwaltung fehlt, während das Vereins- recht in lauter einzelne Vereinsrechte zerspalten erscheint. Dennoch dürfen wir schon jetzt von demselben als einem Ganzen reden, und es ist die Aufgabe des Folgenden, dafür die Grundlagen zu entwerfen.
Das sind nun die allgemeinen Elemente der Geschichte des Ver- einswesens; an sie schließen sich die Grundlagen der Geschichte des Vereinsrechts an. Es würde von hohem Werthe für das Verständniß der inneren Geschichte Europas sein, wenn die Theorie und namentlich die Rechtsgeschichte auf dieselben etwas mehr Rücksicht nehmen wollte. Die Elemente derselben scheiden sich darnach leicht in drei große Epochen.
Die erste Epoche ist das Vereinsrecht der ständischen Gesellschafts- ordnung. Dieß Vereinsrecht zerfällt wieder in zwei große Gruppen. Die erste bezieht sich auf rein ständische Vereine, ritterschaftliche oder Städtevereine, welche durch die lehensherrliche Stellung ihrer Mitglieder den Charakter von öffentlichen Bündnissen und Verträgen annehmen, obgleich sie in der That nur Vereine sind. Die zweite Gruppe dagegen ist durch die Elemente der staatsbürgerlichen Gesellschaft in dieser Epoche gebildet, und zerfällt in zwei Theile und Formen. Die erste Form ist diejenige, welche innerhalb des eigentlichen Gewerbebetriebs vorkommt, und in den Formen von Statuten der Innungen und Zünfte auf- tritt. Die zweite Form dagegen bedeutet vielmehr die ersten Gesell- schaften, die großen und kleinen Handelscompagnien, und erscheint in der Form der Privilegien.
Die zweite Epoche beginnt mit der Mitte des vorigen Jahrhun- derts. Sie fängt an mit der Vereinsbildung, welche sich dem bestehenden öffentlichen Recht entgegenstellt und darum eine geheime ist, mit den Verbindungen. Gegen diese entsteht sofort der Kampf der bestehenden Staatsgewalt in den strengen Verboten und Bestrafungen; eine ganze Verbindungsgesetzgebung entwickelt sich, deren tiefer Grund aber aller- dings in der Gesammtheit der öffentlichen Zustände liegt. So wie dagegen die Verfassungen entstehen, treten jene Bestrebungen in ihren wichtigsten Erscheinungen an die Oeffentlichkeit als öffentliche Ver- eine und Versammlungen; und an diese schließt sich das zweite Gebiet des Vereinsrechts. Neben beiden erzeugt das gewerbliche Leben die
der Staat gegenüber den politiſchen Vereinen ſtrafend, gegenüber den Geſellſchaften fördernd und ordnend auftritt, tritt er gegenüber den Klaſſenvereinen verbietend und vorbeugend auf. So bildet ſich durch das Zuſammenwirken aller dieſer Elemente einerſeits ein wirkliches Vereinsweſen, andererſeits eine Vereinsgeſetzgebung; nur noch die Wiſſenſchaft iſt in Beziehung auf beides im Rückſtande, denn noch ſind die Begriffe und Rechte keinesweges geklärt, und der höhere Be- griff, der Begriff der freien Verwaltung fehlt, während das Vereins- recht in lauter einzelne Vereinsrechte zerſpalten erſcheint. Dennoch dürfen wir ſchon jetzt von demſelben als einem Ganzen reden, und es iſt die Aufgabe des Folgenden, dafür die Grundlagen zu entwerfen.
Das ſind nun die allgemeinen Elemente der Geſchichte des Ver- einsweſens; an ſie ſchließen ſich die Grundlagen der Geſchichte des Vereinsrechts an. Es würde von hohem Werthe für das Verſtändniß der inneren Geſchichte Europas ſein, wenn die Theorie und namentlich die Rechtsgeſchichte auf dieſelben etwas mehr Rückſicht nehmen wollte. Die Elemente derſelben ſcheiden ſich darnach leicht in drei große Epochen.
Die erſte Epoche iſt das Vereinsrecht der ſtändiſchen Geſellſchafts- ordnung. Dieß Vereinsrecht zerfällt wieder in zwei große Gruppen. Die erſte bezieht ſich auf rein ſtändiſche Vereine, ritterſchaftliche oder Städtevereine, welche durch die lehensherrliche Stellung ihrer Mitglieder den Charakter von öffentlichen Bündniſſen und Verträgen annehmen, obgleich ſie in der That nur Vereine ſind. Die zweite Gruppe dagegen iſt durch die Elemente der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft in dieſer Epoche gebildet, und zerfällt in zwei Theile und Formen. Die erſte Form iſt diejenige, welche innerhalb des eigentlichen Gewerbebetriebs vorkommt, und in den Formen von Statuten der Innungen und Zünfte auf- tritt. Die zweite Form dagegen bedeutet vielmehr die erſten Geſell- ſchaften, die großen und kleinen Handelscompagnien, und erſcheint in der Form der Privilegien.
Die zweite Epoche beginnt mit der Mitte des vorigen Jahrhun- derts. Sie fängt an mit der Vereinsbildung, welche ſich dem beſtehenden öffentlichen Recht entgegenſtellt und darum eine geheime iſt, mit den Verbindungen. Gegen dieſe entſteht ſofort der Kampf der beſtehenden Staatsgewalt in den ſtrengen Verboten und Beſtrafungen; eine ganze Verbindungsgeſetzgebung entwickelt ſich, deren tiefer Grund aber aller- dings in der Geſammtheit der öffentlichen Zuſtände liegt. So wie dagegen die Verfaſſungen entſtehen, treten jene Beſtrebungen in ihren wichtigſten Erſcheinungen an die Oeffentlichkeit als öffentliche Ver- eine und Verſammlungen; und an dieſe ſchließt ſich das zweite Gebiet des Vereinsrechts. Neben beiden erzeugt das gewerbliche Leben die
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[537/0561]
der Staat gegenüber den politiſchen Vereinen ſtrafend, gegenüber den
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Klaſſenvereinen verbietend und vorbeugend auf. So bildet ſich durch
das Zuſammenwirken aller dieſer Elemente einerſeits ein wirkliches
Vereinsweſen, andererſeits eine Vereinsgeſetzgebung; nur noch
die Wiſſenſchaft iſt in Beziehung auf beides im Rückſtande, denn noch
ſind die Begriffe und Rechte keinesweges geklärt, und der höhere Be-
griff, der Begriff der freien Verwaltung fehlt, während das Vereins-
recht in lauter einzelne Vereinsrechte zerſpalten erſcheint. Dennoch dürfen
wir ſchon jetzt von demſelben als einem Ganzen reden, und es iſt die
Aufgabe des Folgenden, dafür die Grundlagen zu entwerfen.
Das ſind nun die allgemeinen Elemente der Geſchichte des Ver-
einsweſens; an ſie ſchließen ſich die Grundlagen der Geſchichte des
Vereinsrechts an. Es würde von hohem Werthe für das Verſtändniß
der inneren Geſchichte Europas ſein, wenn die Theorie und namentlich
die Rechtsgeſchichte auf dieſelben etwas mehr Rückſicht nehmen wollte.
Die Elemente derſelben ſcheiden ſich darnach leicht in drei große Epochen.
Die erſte Epoche iſt das Vereinsrecht der ſtändiſchen Geſellſchafts-
ordnung. Dieß Vereinsrecht zerfällt wieder in zwei große Gruppen.
Die erſte bezieht ſich auf rein ſtändiſche Vereine, ritterſchaftliche oder
Städtevereine, welche durch die lehensherrliche Stellung ihrer Mitglieder
den Charakter von öffentlichen Bündniſſen und Verträgen annehmen,
obgleich ſie in der That nur Vereine ſind. Die zweite Gruppe dagegen
iſt durch die Elemente der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft in dieſer Epoche
gebildet, und zerfällt in zwei Theile und Formen. Die erſte Form iſt
diejenige, welche innerhalb des eigentlichen Gewerbebetriebs vorkommt,
und in den Formen von Statuten der Innungen und Zünfte auf-
tritt. Die zweite Form dagegen bedeutet vielmehr die erſten Geſell-
ſchaften, die großen und kleinen Handelscompagnien, und erſcheint in
der Form der Privilegien.
Die zweite Epoche beginnt mit der Mitte des vorigen Jahrhun-
derts. Sie fängt an mit der Vereinsbildung, welche ſich dem beſtehenden
öffentlichen Recht entgegenſtellt und darum eine geheime iſt, mit den
Verbindungen. Gegen dieſe entſteht ſofort der Kampf der beſtehenden
Staatsgewalt in den ſtrengen Verboten und Beſtrafungen; eine ganze
Verbindungsgeſetzgebung entwickelt ſich, deren tiefer Grund aber aller-
dings in der Geſammtheit der öffentlichen Zuſtände liegt. So wie
dagegen die Verfaſſungen entſtehen, treten jene Beſtrebungen in ihren
wichtigſten Erſcheinungen an die Oeffentlichkeit als öffentliche Ver-
eine und Verſammlungen; und an dieſe ſchließt ſich das zweite Gebiet
des Vereinsrechts. Neben beiden erzeugt das gewerbliche Leben die
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 537. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/561>, abgerufen am 22.11.2024.
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