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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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der großen Macht, die das geistige Leben überhaupt ausübt, haben alle
dahin zielenden Vereine eine hohe Wichtigkeit und gerathen unter allen
am leichtesten in offenen oder geheimen Gegensatz mit den Forderungen
des Staats. Während sie daher im Uebrigen dem Vereinswesen über-
haupt angehören, ist bei ihnen sehr leicht eine Neigung vorhanden, ihren
Zweck und ihre Mittel geheim zu halten, indem das Geheimniß als der
letzte Schutz für alles erscheint, was mit dem höheren Zwecke in Wider-
spruch steht. Darum gehören gerade diese Vereine zu denjenigen, bei
denen das Princip der Oeffentlichkeit auf das Bestimmteste aufrecht
gehalten werden muß. Gefahr und Segen liegen nirgends so nahe
neben einander als in dieser Art.

II. Einen wesentlich verschiedenen Charakter hat die zweite große
Klasse der Vereine, die volkswirthschaftlichen Vereine. Diese
Klasse wird aus allen denjenigen Vereinen gebildet, welche durch die
Verbindung der in ihnen enthaltenen Kräfte eine Vermehrung des Volks-
wohlstandes zum Zweck haben. Dieser Zweck kann wieder theils mittel-
bar, theils unmittelbar erreicht werden, und darnach zerfällt diese ganze
Klasse in zwei große Theile. Der erste Theil umfaßt alle diejenigen
Vereine, welche die Herstellung der, in der einzelnen gewerblichen Per-
sönlichkeit liegenden Bedingungen des gewerblichen Erwerbes zum
Zwecke haben; der zweite Theil besteht aus denjenigen, deren Zweck in
einem wirklichen Erwerbe ihrer Mitglieder vermöge des Vereins
bestehen. Beide Gruppen sind sehr wesentlich verschieden.

A. Die erste Gruppe dieser Klasse nennen wir am besten die ge-
werblichen Bildungsvereine
. Alle persönlichen Bedingungen des
individuellen Erwerbes bestehen am letzten Orte immer in einer geistigen
Bildung. Diese aber kann wieder doppelter Natur sein, und darnach
erscheinen diese gewerblichen Bildungsvereine wieder in zwei Haupt-
richtungen.

1) Die erste Unterart derselben ist diejenige, welche die allgemeine
technische Vorbildung zum Inhalt haben, insofern dieselbe jeder gewerb-
lichen Thätigkeit zum Grunde liegt; auf diesem Gebiete berühren sich
dem letzten Zwecke nach die Fachbildungs- und sogar die Unterrichts-
vereine mit den gewerblichen Bildungsvereinen, und die Gränze liegt
hier nicht im Zwecke, sondern vielmehr in der Bestimmung der Indivi-
duen, für welche der Verein thätig ist, und durch deren Lebensverhält-
nisse besondere Regeln für die Thätigkeit des Vereins nothwendig werden.
Die Erkenntniß der Nothwendigkeit dieser Zwecke bewirkt dann, daß
die Staatsverwaltung die Erreichung derselben nicht auf die Dauer von
dem zufälligen Entstehen oder Plane eines Vereins abhängig machen
kann; sie ist vielmehr bestrebt, alsbald eine dauernde und festgeordnete

der großen Macht, die das geiſtige Leben überhaupt ausübt, haben alle
dahin zielenden Vereine eine hohe Wichtigkeit und gerathen unter allen
am leichteſten in offenen oder geheimen Gegenſatz mit den Forderungen
des Staats. Während ſie daher im Uebrigen dem Vereinsweſen über-
haupt angehören, iſt bei ihnen ſehr leicht eine Neigung vorhanden, ihren
Zweck und ihre Mittel geheim zu halten, indem das Geheimniß als der
letzte Schutz für alles erſcheint, was mit dem höheren Zwecke in Wider-
ſpruch ſteht. Darum gehören gerade dieſe Vereine zu denjenigen, bei
denen das Princip der Oeffentlichkeit auf das Beſtimmteſte aufrecht
gehalten werden muß. Gefahr und Segen liegen nirgends ſo nahe
neben einander als in dieſer Art.

II. Einen weſentlich verſchiedenen Charakter hat die zweite große
Klaſſe der Vereine, die volkswirthſchaftlichen Vereine. Dieſe
Klaſſe wird aus allen denjenigen Vereinen gebildet, welche durch die
Verbindung der in ihnen enthaltenen Kräfte eine Vermehrung des Volks-
wohlſtandes zum Zweck haben. Dieſer Zweck kann wieder theils mittel-
bar, theils unmittelbar erreicht werden, und darnach zerfällt dieſe ganze
Klaſſe in zwei große Theile. Der erſte Theil umfaßt alle diejenigen
Vereine, welche die Herſtellung der, in der einzelnen gewerblichen Per-
ſönlichkeit liegenden Bedingungen des gewerblichen Erwerbes zum
Zwecke haben; der zweite Theil beſteht aus denjenigen, deren Zweck in
einem wirklichen Erwerbe ihrer Mitglieder vermöge des Vereins
beſtehen. Beide Gruppen ſind ſehr weſentlich verſchieden.

A. Die erſte Gruppe dieſer Klaſſe nennen wir am beſten die ge-
werblichen Bildungsvereine
. Alle perſönlichen Bedingungen des
individuellen Erwerbes beſtehen am letzten Orte immer in einer geiſtigen
Bildung. Dieſe aber kann wieder doppelter Natur ſein, und darnach
erſcheinen dieſe gewerblichen Bildungsvereine wieder in zwei Haupt-
richtungen.

1) Die erſte Unterart derſelben iſt diejenige, welche die allgemeine
techniſche Vorbildung zum Inhalt haben, inſofern dieſelbe jeder gewerb-
lichen Thätigkeit zum Grunde liegt; auf dieſem Gebiete berühren ſich
dem letzten Zwecke nach die Fachbildungs- und ſogar die Unterrichts-
vereine mit den gewerblichen Bildungsvereinen, und die Gränze liegt
hier nicht im Zwecke, ſondern vielmehr in der Beſtimmung der Indivi-
duen, für welche der Verein thätig iſt, und durch deren Lebensverhält-
niſſe beſondere Regeln für die Thätigkeit des Vereins nothwendig werden.
Die Erkenntniß der Nothwendigkeit dieſer Zwecke bewirkt dann, daß
die Staatsverwaltung die Erreichung derſelben nicht auf die Dauer von
dem zufälligen Entſtehen oder Plane eines Vereins abhängig machen
kann; ſie iſt vielmehr beſtrebt, alsbald eine dauernde und feſtgeordnete

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[547/0571] der großen Macht, die das geiſtige Leben überhaupt ausübt, haben alle dahin zielenden Vereine eine hohe Wichtigkeit und gerathen unter allen am leichteſten in offenen oder geheimen Gegenſatz mit den Forderungen des Staats. Während ſie daher im Uebrigen dem Vereinsweſen über- haupt angehören, iſt bei ihnen ſehr leicht eine Neigung vorhanden, ihren Zweck und ihre Mittel geheim zu halten, indem das Geheimniß als der letzte Schutz für alles erſcheint, was mit dem höheren Zwecke in Wider- ſpruch ſteht. Darum gehören gerade dieſe Vereine zu denjenigen, bei denen das Princip der Oeffentlichkeit auf das Beſtimmteſte aufrecht gehalten werden muß. Gefahr und Segen liegen nirgends ſo nahe neben einander als in dieſer Art. II. Einen weſentlich verſchiedenen Charakter hat die zweite große Klaſſe der Vereine, die volkswirthſchaftlichen Vereine. Dieſe Klaſſe wird aus allen denjenigen Vereinen gebildet, welche durch die Verbindung der in ihnen enthaltenen Kräfte eine Vermehrung des Volks- wohlſtandes zum Zweck haben. Dieſer Zweck kann wieder theils mittel- bar, theils unmittelbar erreicht werden, und darnach zerfällt dieſe ganze Klaſſe in zwei große Theile. Der erſte Theil umfaßt alle diejenigen Vereine, welche die Herſtellung der, in der einzelnen gewerblichen Per- ſönlichkeit liegenden Bedingungen des gewerblichen Erwerbes zum Zwecke haben; der zweite Theil beſteht aus denjenigen, deren Zweck in einem wirklichen Erwerbe ihrer Mitglieder vermöge des Vereins beſtehen. Beide Gruppen ſind ſehr weſentlich verſchieden. A. Die erſte Gruppe dieſer Klaſſe nennen wir am beſten die ge- werblichen Bildungsvereine. Alle perſönlichen Bedingungen des individuellen Erwerbes beſtehen am letzten Orte immer in einer geiſtigen Bildung. Dieſe aber kann wieder doppelter Natur ſein, und darnach erſcheinen dieſe gewerblichen Bildungsvereine wieder in zwei Haupt- richtungen. 1) Die erſte Unterart derſelben iſt diejenige, welche die allgemeine techniſche Vorbildung zum Inhalt haben, inſofern dieſelbe jeder gewerb- lichen Thätigkeit zum Grunde liegt; auf dieſem Gebiete berühren ſich dem letzten Zwecke nach die Fachbildungs- und ſogar die Unterrichts- vereine mit den gewerblichen Bildungsvereinen, und die Gränze liegt hier nicht im Zwecke, ſondern vielmehr in der Beſtimmung der Indivi- duen, für welche der Verein thätig iſt, und durch deren Lebensverhält- niſſe beſondere Regeln für die Thätigkeit des Vereins nothwendig werden. Die Erkenntniß der Nothwendigkeit dieſer Zwecke bewirkt dann, daß die Staatsverwaltung die Erreichung derſelben nicht auf die Dauer von dem zufälligen Entſtehen oder Plane eines Vereins abhängig machen kann; ſie iſt vielmehr beſtrebt, alsbald eine dauernde und feſtgeordnete

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 547. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/571>, abgerufen am 22.11.2024.