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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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beruht die staatsbürgerliche Gesellschaftsordnung auf dem Princip der
Gleichheit der Persönlichkeit. Allein diese Gleichheit erscheint in der
wirklichen Welt als das gleiche Recht auf den wirthschaftlichen Erwerb.
Der wirthschaftliche Erwerb beruht seinerseits auf ganz bestimmten Be-
dingungen, die das bloße Princip des persönlichen Lebens nicht ändert.
Die herrschende unter diesen Bedingungen ist die Größe des Kapitals.
Der Unterschied in der Größe des Kapitals erzeugt daher unabweisbar
einen Unterschied unter den Persönlichkeiten. Der Weg, auf welchem
dieser Unterschied entsteht, gehört der selbständigen Gesellschaftslehre;
wir haben denselben, und mit ihm den gegenseitigen Einfluß von Gut
und geistiger Entwicklung, von der scharfen Begränzung des ersteren
und der unendlichen Bewegung der letzteren als bekannt vorauszusetzen.
Ist der Unterschied in der wirklichen staatsbürgerlichen Gesellschaft aber
einmal gesetzt, so ist auch der Widerspruch mit dem abstrakten Principe
derselben unläugbar; die Gleichheit ist keine wirkliche mehr; an ihrer
Stelle erscheinen zwei Klassen, die Klasse der Kapitalisten und die Klasse
der Arbeiter. Beide stehen aber nicht etwa einfach neben einander wie
ein ruhender Unterschied. Im Gegentheil bringt es die Natur der ge-
werblichen Thätigkeit mit sich, daß die Arbeit und mit ihr die Klasse
der Arbeiter von dem Kapital und mit ihm von den Besitzern desselben
abhängig sei. Diese Abhängigkeit nun ist es, welche von den ersteren
bekämpft wird. Der Kampf gegen dieselbe ist wie jeder entstehende
gesellschaftliche Kampf im Anfange ein roher und ganz unverständiger;
es herrscht die Vorstellung, als ob die Arbeit in dem Kapital einen
unbedingten Feind habe, und als könne man den Widerspruch der Sache
selbst durch die Vernichtung der Erscheinung dieses Widerspruches, durch
die einfache Vernichtung des Kapitals selbst aufheben. Diese Vorstellung
gewinnt Leben in den ersten Arbeitervereinen, die wir kennen, den
communistischen Arbeitervereinen der französischen Revolution. Es wird
jetzt einleuchten, weßhalb diese Vereine das Kapital als solches auf-
heben, und mit ihm seine unwiderstehliche Macht, Unterschiede zu erzeugen,
definitiv beseitigen wollen. Die Gütergemeinschaft ist in der That nun
die Negation des Kapitals als Grundlage der Ungleichheit in der prin-
cipiell gleichen staatsbürgerlichen Gesellschaft. Die Geschichte dieser
Erscheinungen haben wir anderswo dargelegt. Obwohl dieselben nur
vorübergehen, so erhält sich dennoch das Bewußtsein der Sache. Mit
dem vollständigen Sieg der staatsbürgerlichen Gesellschaft in den drei-
ßiger Jahren unseres Jahrhunderts tritt dasselbe wieder ins Leben,
aber erst mit dem Ende des fünften Jahrzehnts gewinnt es Gestalt
theils in England, theils in Frankreich, theils in Deutschland. Man
kann sagen, daß mit dieser Zeit die erste Epoche überwunden ist; die

beruht die ſtaatsbürgerliche Geſellſchaftsordnung auf dem Princip der
Gleichheit der Perſönlichkeit. Allein dieſe Gleichheit erſcheint in der
wirklichen Welt als das gleiche Recht auf den wirthſchaftlichen Erwerb.
Der wirthſchaftliche Erwerb beruht ſeinerſeits auf ganz beſtimmten Be-
dingungen, die das bloße Princip des perſönlichen Lebens nicht ändert.
Die herrſchende unter dieſen Bedingungen iſt die Größe des Kapitals.
Der Unterſchied in der Größe des Kapitals erzeugt daher unabweisbar
einen Unterſchied unter den Perſönlichkeiten. Der Weg, auf welchem
dieſer Unterſchied entſteht, gehört der ſelbſtändigen Geſellſchaftslehre;
wir haben denſelben, und mit ihm den gegenſeitigen Einfluß von Gut
und geiſtiger Entwicklung, von der ſcharfen Begränzung des erſteren
und der unendlichen Bewegung der letzteren als bekannt vorauszuſetzen.
Iſt der Unterſchied in der wirklichen ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft aber
einmal geſetzt, ſo iſt auch der Widerſpruch mit dem abſtrakten Principe
derſelben unläugbar; die Gleichheit iſt keine wirkliche mehr; an ihrer
Stelle erſcheinen zwei Klaſſen, die Klaſſe der Kapitaliſten und die Klaſſe
der Arbeiter. Beide ſtehen aber nicht etwa einfach neben einander wie
ein ruhender Unterſchied. Im Gegentheil bringt es die Natur der ge-
werblichen Thätigkeit mit ſich, daß die Arbeit und mit ihr die Klaſſe
der Arbeiter von dem Kapital und mit ihm von den Beſitzern deſſelben
abhängig ſei. Dieſe Abhängigkeit nun iſt es, welche von den erſteren
bekämpft wird. Der Kampf gegen dieſelbe iſt wie jeder entſtehende
geſellſchaftliche Kampf im Anfange ein roher und ganz unverſtändiger;
es herrſcht die Vorſtellung, als ob die Arbeit in dem Kapital einen
unbedingten Feind habe, und als könne man den Widerſpruch der Sache
ſelbſt durch die Vernichtung der Erſcheinung dieſes Widerſpruches, durch
die einfache Vernichtung des Kapitals ſelbſt aufheben. Dieſe Vorſtellung
gewinnt Leben in den erſten Arbeitervereinen, die wir kennen, den
communiſtiſchen Arbeitervereinen der franzöſiſchen Revolution. Es wird
jetzt einleuchten, weßhalb dieſe Vereine das Kapital als ſolches auf-
heben, und mit ihm ſeine unwiderſtehliche Macht, Unterſchiede zu erzeugen,
definitiv beſeitigen wollen. Die Gütergemeinſchaft iſt in der That nun
die Negation des Kapitals als Grundlage der Ungleichheit in der prin-
cipiell gleichen ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft. Die Geſchichte dieſer
Erſcheinungen haben wir anderswo dargelegt. Obwohl dieſelben nur
vorübergehen, ſo erhält ſich dennoch das Bewußtſein der Sache. Mit
dem vollſtändigen Sieg der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft in den drei-
ßiger Jahren unſeres Jahrhunderts tritt daſſelbe wieder ins Leben,
aber erſt mit dem Ende des fünften Jahrzehnts gewinnt es Geſtalt
theils in England, theils in Frankreich, theils in Deutſchland. Man
kann ſagen, daß mit dieſer Zeit die erſte Epoche überwunden iſt; die

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[551/0575] beruht die ſtaatsbürgerliche Geſellſchaftsordnung auf dem Princip der Gleichheit der Perſönlichkeit. Allein dieſe Gleichheit erſcheint in der wirklichen Welt als das gleiche Recht auf den wirthſchaftlichen Erwerb. Der wirthſchaftliche Erwerb beruht ſeinerſeits auf ganz beſtimmten Be- dingungen, die das bloße Princip des perſönlichen Lebens nicht ändert. Die herrſchende unter dieſen Bedingungen iſt die Größe des Kapitals. Der Unterſchied in der Größe des Kapitals erzeugt daher unabweisbar einen Unterſchied unter den Perſönlichkeiten. Der Weg, auf welchem dieſer Unterſchied entſteht, gehört der ſelbſtändigen Geſellſchaftslehre; wir haben denſelben, und mit ihm den gegenſeitigen Einfluß von Gut und geiſtiger Entwicklung, von der ſcharfen Begränzung des erſteren und der unendlichen Bewegung der letzteren als bekannt vorauszuſetzen. Iſt der Unterſchied in der wirklichen ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft aber einmal geſetzt, ſo iſt auch der Widerſpruch mit dem abſtrakten Principe derſelben unläugbar; die Gleichheit iſt keine wirkliche mehr; an ihrer Stelle erſcheinen zwei Klaſſen, die Klaſſe der Kapitaliſten und die Klaſſe der Arbeiter. Beide ſtehen aber nicht etwa einfach neben einander wie ein ruhender Unterſchied. Im Gegentheil bringt es die Natur der ge- werblichen Thätigkeit mit ſich, daß die Arbeit und mit ihr die Klaſſe der Arbeiter von dem Kapital und mit ihm von den Beſitzern deſſelben abhängig ſei. Dieſe Abhängigkeit nun iſt es, welche von den erſteren bekämpft wird. Der Kampf gegen dieſelbe iſt wie jeder entſtehende geſellſchaftliche Kampf im Anfange ein roher und ganz unverſtändiger; es herrſcht die Vorſtellung, als ob die Arbeit in dem Kapital einen unbedingten Feind habe, und als könne man den Widerſpruch der Sache ſelbſt durch die Vernichtung der Erſcheinung dieſes Widerſpruches, durch die einfache Vernichtung des Kapitals ſelbſt aufheben. Dieſe Vorſtellung gewinnt Leben in den erſten Arbeitervereinen, die wir kennen, den communiſtiſchen Arbeitervereinen der franzöſiſchen Revolution. Es wird jetzt einleuchten, weßhalb dieſe Vereine das Kapital als ſolches auf- heben, und mit ihm ſeine unwiderſtehliche Macht, Unterſchiede zu erzeugen, definitiv beſeitigen wollen. Die Gütergemeinſchaft iſt in der That nun die Negation des Kapitals als Grundlage der Ungleichheit in der prin- cipiell gleichen ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft. Die Geſchichte dieſer Erſcheinungen haben wir anderswo dargelegt. Obwohl dieſelben nur vorübergehen, ſo erhält ſich dennoch das Bewußtſein der Sache. Mit dem vollſtändigen Sieg der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft in den drei- ßiger Jahren unſeres Jahrhunderts tritt daſſelbe wieder ins Leben, aber erſt mit dem Ende des fünften Jahrzehnts gewinnt es Geſtalt theils in England, theils in Frankreich, theils in Deutſchland. Man kann ſagen, daß mit dieſer Zeit die erſte Epoche überwunden iſt; die

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/575>, abgerufen am 22.11.2024.