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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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Verständnisses unserer Gegenwart, um so mehr als sie selbst zum Theil
großartige Organisationen entwickeln und dadurch eine bedeutsame Macht
gewinnen. Die Zeit wird kommen, wo keine Staatslehre ohne eine
Darstellung auch dieser Vereine gedacht werden kann. -- Dagegen bleibt
ihnen immer das Moment der Zufälligkeit, da sie am Ende sich jeden
Augenblick auflösen und nun unbedingt über ihre Thätigkeit verfügen
können, und andererseits sind sie naturgemäß nur der Ausdruck beson-
derer Interessen und Richtungen. Dennoch ist ihre Substanz, das ge-
werbliche und industrielle Leben, namentlich in der staatsbürgerlichen
Gesellschaft ein unbedingtes Element des Staatslebens, und mithin
eine unbedingte, dauernde und daher nach festen Grundsätzen zu voll-
ziehende Aufgabe der Staatsverwaltung. So wie daher der Staat
erkannt hat, daß er diese Aufgabe als eine organische betrachten muß,
so muß er zugleich fordern, daß dauernde und festgeordnete Organe für
dieselbe seiner vollziehenden Thätigkeit zur Seite stehen. Daraus dann
geht jener Organismus hervor, den wir oben bei den Behörden als das
System der berathenden Organe aufgestellt haben, und das wir
speziell für die gewerblichen Unternehmungen als den Uebergang vom
Vereinswesen zur öffentlichen Organisation der verfassungsmäßigen Ver-
waltung bildend, als die Handels- und Gewerbekammern be-
zeichnen. In den Handels- und Gewerbekammern aller Art ist somit
der Punkt gegeben, auf welchem die Vereine und das Wesen und Recht
derselben wieder den Charakter und die Stellung von staatlichen Organen
annehmen; die Gewerbevereine aller Art werden dadurch auf das ihnen
eigenthümliche Gebiet zurückgeworfen, und stellen sich als Vereinswesen
neben die gewerblichen Vertretungen, die in jenem gegeben sind. Aber
auch dieß Verhältniß ist in den verschiedenen Ländern wieder sehr ver-
schieden, und bietet ein reiches und für die wichtigsten Fragen höchst
lehrreiches Bild dar, das wohl einer genaueren Darstellung werth wäre.

4) Nicht minder bedeutsam, wenn auch nach einer ganz anderen
Richtung, ist nun die zweite Unterart, diejenige Gruppe von Vereinen,
welche auf dem Elemente der Arbeit und ihrer besonderen Stellung
in der Industrie beruht. Wir können diese Vereine am besten mit einem
Worte als Arbeitervereine bezeichnen.

Das Wesen der Arbeitervereine besteht darin, die persönliche Arbeit
und zwar in der gewerblichen Welt als ein selbständiges Element mit
eigenthümlichen Grundlagen und damit auch eigenthümlichen gesellschaft-
lichen Forderungen zur Geltung zu bringen. Die Arbeitervereine sind
es, welche den tiefen gesellschaftlichen Gegensatz der staatsbürgerlichen
Gesellschaft zum äußeren Ausdruck bringen. Man kann ihre Bedeutung
ohne das Wesen dieses Gegensatzes nicht verstehen. Allerdings nämlich

Verſtändniſſes unſerer Gegenwart, um ſo mehr als ſie ſelbſt zum Theil
großartige Organiſationen entwickeln und dadurch eine bedeutſame Macht
gewinnen. Die Zeit wird kommen, wo keine Staatslehre ohne eine
Darſtellung auch dieſer Vereine gedacht werden kann. — Dagegen bleibt
ihnen immer das Moment der Zufälligkeit, da ſie am Ende ſich jeden
Augenblick auflöſen und nun unbedingt über ihre Thätigkeit verfügen
können, und andererſeits ſind ſie naturgemäß nur der Ausdruck beſon-
derer Intereſſen und Richtungen. Dennoch iſt ihre Subſtanz, das ge-
werbliche und induſtrielle Leben, namentlich in der ſtaatsbürgerlichen
Geſellſchaft ein unbedingtes Element des Staatslebens, und mithin
eine unbedingte, dauernde und daher nach feſten Grundſätzen zu voll-
ziehende Aufgabe der Staatsverwaltung. So wie daher der Staat
erkannt hat, daß er dieſe Aufgabe als eine organiſche betrachten muß,
ſo muß er zugleich fordern, daß dauernde und feſtgeordnete Organe für
dieſelbe ſeiner vollziehenden Thätigkeit zur Seite ſtehen. Daraus dann
geht jener Organismus hervor, den wir oben bei den Behörden als das
Syſtem der berathenden Organe aufgeſtellt haben, und das wir
ſpeziell für die gewerblichen Unternehmungen als den Uebergang vom
Vereinsweſen zur öffentlichen Organiſation der verfaſſungsmäßigen Ver-
waltung bildend, als die Handels- und Gewerbekammern be-
zeichnen. In den Handels- und Gewerbekammern aller Art iſt ſomit
der Punkt gegeben, auf welchem die Vereine und das Weſen und Recht
derſelben wieder den Charakter und die Stellung von ſtaatlichen Organen
annehmen; die Gewerbevereine aller Art werden dadurch auf das ihnen
eigenthümliche Gebiet zurückgeworfen, und ſtellen ſich als Vereinsweſen
neben die gewerblichen Vertretungen, die in jenem gegeben ſind. Aber
auch dieß Verhältniß iſt in den verſchiedenen Ländern wieder ſehr ver-
ſchieden, und bietet ein reiches und für die wichtigſten Fragen höchſt
lehrreiches Bild dar, das wohl einer genaueren Darſtellung werth wäre.

4) Nicht minder bedeutſam, wenn auch nach einer ganz anderen
Richtung, iſt nun die zweite Unterart, diejenige Gruppe von Vereinen,
welche auf dem Elemente der Arbeit und ihrer beſonderen Stellung
in der Induſtrie beruht. Wir können dieſe Vereine am beſten mit einem
Worte als Arbeitervereine bezeichnen.

Das Weſen der Arbeitervereine beſteht darin, die perſönliche Arbeit
und zwar in der gewerblichen Welt als ein ſelbſtändiges Element mit
eigenthümlichen Grundlagen und damit auch eigenthümlichen geſellſchaft-
lichen Forderungen zur Geltung zu bringen. Die Arbeitervereine ſind
es, welche den tiefen geſellſchaftlichen Gegenſatz der ſtaatsbürgerlichen
Geſellſchaft zum äußeren Ausdruck bringen. Man kann ihre Bedeutung
ohne das Weſen dieſes Gegenſatzes nicht verſtehen. Allerdings nämlich

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[550/0574] Verſtändniſſes unſerer Gegenwart, um ſo mehr als ſie ſelbſt zum Theil großartige Organiſationen entwickeln und dadurch eine bedeutſame Macht gewinnen. Die Zeit wird kommen, wo keine Staatslehre ohne eine Darſtellung auch dieſer Vereine gedacht werden kann. — Dagegen bleibt ihnen immer das Moment der Zufälligkeit, da ſie am Ende ſich jeden Augenblick auflöſen und nun unbedingt über ihre Thätigkeit verfügen können, und andererſeits ſind ſie naturgemäß nur der Ausdruck beſon- derer Intereſſen und Richtungen. Dennoch iſt ihre Subſtanz, das ge- werbliche und induſtrielle Leben, namentlich in der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft ein unbedingtes Element des Staatslebens, und mithin eine unbedingte, dauernde und daher nach feſten Grundſätzen zu voll- ziehende Aufgabe der Staatsverwaltung. So wie daher der Staat erkannt hat, daß er dieſe Aufgabe als eine organiſche betrachten muß, ſo muß er zugleich fordern, daß dauernde und feſtgeordnete Organe für dieſelbe ſeiner vollziehenden Thätigkeit zur Seite ſtehen. Daraus dann geht jener Organismus hervor, den wir oben bei den Behörden als das Syſtem der berathenden Organe aufgeſtellt haben, und das wir ſpeziell für die gewerblichen Unternehmungen als den Uebergang vom Vereinsweſen zur öffentlichen Organiſation der verfaſſungsmäßigen Ver- waltung bildend, als die Handels- und Gewerbekammern be- zeichnen. In den Handels- und Gewerbekammern aller Art iſt ſomit der Punkt gegeben, auf welchem die Vereine und das Weſen und Recht derſelben wieder den Charakter und die Stellung von ſtaatlichen Organen annehmen; die Gewerbevereine aller Art werden dadurch auf das ihnen eigenthümliche Gebiet zurückgeworfen, und ſtellen ſich als Vereinsweſen neben die gewerblichen Vertretungen, die in jenem gegeben ſind. Aber auch dieß Verhältniß iſt in den verſchiedenen Ländern wieder ſehr ver- ſchieden, und bietet ein reiches und für die wichtigſten Fragen höchſt lehrreiches Bild dar, das wohl einer genaueren Darſtellung werth wäre. 4) Nicht minder bedeutſam, wenn auch nach einer ganz anderen Richtung, iſt nun die zweite Unterart, diejenige Gruppe von Vereinen, welche auf dem Elemente der Arbeit und ihrer beſonderen Stellung in der Induſtrie beruht. Wir können dieſe Vereine am beſten mit einem Worte als Arbeitervereine bezeichnen. Das Weſen der Arbeitervereine beſteht darin, die perſönliche Arbeit und zwar in der gewerblichen Welt als ein ſelbſtändiges Element mit eigenthümlichen Grundlagen und damit auch eigenthümlichen geſellſchaft- lichen Forderungen zur Geltung zu bringen. Die Arbeitervereine ſind es, welche den tiefen geſellſchaftlichen Gegenſatz der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft zum äußeren Ausdruck bringen. Man kann ihre Bedeutung ohne das Weſen dieſes Gegenſatzes nicht verſtehen. Allerdings nämlich

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/574>, abgerufen am 22.11.2024.