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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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höhere Bildung des gewerblichen Berufes sowohl von Seiten des Staats
als von Seiten der Selbstverwaltung ganz sich selbst überlassen ist.
Ein Hauptbeispiel dafür sind die Mechanics Institutions in England.
Auf dem Continente, wo für das Lernen auch der Erwachsenen in den
höheren Unterrichtsanstalten so viel geschieht, waltet dagegen der Cha-
rakter der Unterhaltung vor, und das Vereinswesen hat für die letztern
die große Bedeutung, sie selber zu veredeln und Sitte und Maaß in
sie hinein zu bringen. Ganz anders gestalten sich die Dinge, wo das
zweite Moment in diese Vereine hineintritt.

Das zweite Moment ist auch hier das gesellschaftliche Bewußtsein,
daß die gewerbliche Arbeit ein Beruf sei, und als Beruf ein gewisses,
wenn auch sehr verschieden formulirtes, gemeinsames Interesse für
alle Berufsgenossen habe. Dieses Bewußtsein bringt dann zwei wesent-
lich verschiedene Arten von Vereinen und von Vereinsthätigkeiten hervor,
von denen die erste auf dem Elemente des Kapitals und seiner
Interessen, die zweite auf dem Elemente der Arbeit beruht.

3) Aus dem gewerblichen Kapitale zunächst gehen alle diejenigen
Vereine hervor, welche einerseits die höhere Bildung der gewerblichen
Unternehmer als solche durch einen Verein bezwecken, und die wir nicht
besser als mit dem allgemeinen Namen der Gewerbevereine bezeich-
nen können, weil sie eben von der Erkenntniß getragen sind, daß alle
Arten der Gewerbe von den Ergebnissen der höheren technischen Bildung
einen Vortheil haben. Naturgemäß aber sind diese Vereine zugleich
der Boden, auf welchem die allgemein im Wesen des gewerblichen
Kapitals liegenden Interessen zur Besprechung und zum Verständniß
gelangen. Ihre Aufgabe als Vereine geht dabei allerdings nicht weiter,
als die Hervorrufung oder Klärung von subjektiven Ueberzeugungen der
einzelnen Mitglieder; sie wirken aber durch die Gleichartigkeit ihrer
Mittel stets ausgleichend und gemeinsam, und ergeben dadurch stets
gemeinsame Erfolge, wenn auch dieselben wesentlich vom Umfange der
Vereine und zum großen Theil von einzelnen Persönlichkeiten abhängig
sind. Wie nun der Begriff der gewerblichen Unternehmung sich all-
mählig in bestimmte Gebiete mit eigenen Voraussetzungen auflöst, so
gestaltet sich auch hier ein förmliches, je nach den gegebenen Verhält-
nissen höchst verschieden ausgebildetes System von solchen Vereinen,
die auf Grundlage gemeinsamer, aber speziell gewerblicher Bildung alle
einzelnen Hauptarten der Produktion umfassen; Vereine der Urpro-
ducenten (Bergwerke), Vereine der Landwirthe, Vereine der Forstwirthe,
Vereine der einzelnen Zweige der Industriellen, in den verschiedensten
Gruppirungen. Die Kenntniß und Beobachtung derselben und ihrer
Thätigkeit wird mehr und mehr ein unentbehrliches Element des

höhere Bildung des gewerblichen Berufes ſowohl von Seiten des Staats
als von Seiten der Selbſtverwaltung ganz ſich ſelbſt überlaſſen iſt.
Ein Hauptbeiſpiel dafür ſind die Mechanics Institutions in England.
Auf dem Continente, wo für das Lernen auch der Erwachſenen in den
höheren Unterrichtsanſtalten ſo viel geſchieht, waltet dagegen der Cha-
rakter der Unterhaltung vor, und das Vereinsweſen hat für die letztern
die große Bedeutung, ſie ſelber zu veredeln und Sitte und Maaß in
ſie hinein zu bringen. Ganz anders geſtalten ſich die Dinge, wo das
zweite Moment in dieſe Vereine hineintritt.

Das zweite Moment iſt auch hier das geſellſchaftliche Bewußtſein,
daß die gewerbliche Arbeit ein Beruf ſei, und als Beruf ein gewiſſes,
wenn auch ſehr verſchieden formulirtes, gemeinſames Intereſſe für
alle Berufsgenoſſen habe. Dieſes Bewußtſein bringt dann zwei weſent-
lich verſchiedene Arten von Vereinen und von Vereinsthätigkeiten hervor,
von denen die erſte auf dem Elemente des Kapitals und ſeiner
Intereſſen, die zweite auf dem Elemente der Arbeit beruht.

3) Aus dem gewerblichen Kapitale zunächſt gehen alle diejenigen
Vereine hervor, welche einerſeits die höhere Bildung der gewerblichen
Unternehmer als ſolche durch einen Verein bezwecken, und die wir nicht
beſſer als mit dem allgemeinen Namen der Gewerbevereine bezeich-
nen können, weil ſie eben von der Erkenntniß getragen ſind, daß alle
Arten der Gewerbe von den Ergebniſſen der höheren techniſchen Bildung
einen Vortheil haben. Naturgemäß aber ſind dieſe Vereine zugleich
der Boden, auf welchem die allgemein im Weſen des gewerblichen
Kapitals liegenden Intereſſen zur Beſprechung und zum Verſtändniß
gelangen. Ihre Aufgabe als Vereine geht dabei allerdings nicht weiter,
als die Hervorrufung oder Klärung von ſubjektiven Ueberzeugungen der
einzelnen Mitglieder; ſie wirken aber durch die Gleichartigkeit ihrer
Mittel ſtets ausgleichend und gemeinſam, und ergeben dadurch ſtets
gemeinſame Erfolge, wenn auch dieſelben weſentlich vom Umfange der
Vereine und zum großen Theil von einzelnen Perſönlichkeiten abhängig
ſind. Wie nun der Begriff der gewerblichen Unternehmung ſich all-
mählig in beſtimmte Gebiete mit eigenen Vorausſetzungen auflöst, ſo
geſtaltet ſich auch hier ein förmliches, je nach den gegebenen Verhält-
niſſen höchſt verſchieden ausgebildetes Syſtem von ſolchen Vereinen,
die auf Grundlage gemeinſamer, aber ſpeziell gewerblicher Bildung alle
einzelnen Hauptarten der Produktion umfaſſen; Vereine der Urpro-
ducenten (Bergwerke), Vereine der Landwirthe, Vereine der Forſtwirthe,
Vereine der einzelnen Zweige der Induſtriellen, in den verſchiedenſten
Gruppirungen. Die Kenntniß und Beobachtung derſelben und ihrer
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[549/0573] höhere Bildung des gewerblichen Berufes ſowohl von Seiten des Staats als von Seiten der Selbſtverwaltung ganz ſich ſelbſt überlaſſen iſt. Ein Hauptbeiſpiel dafür ſind die Mechanics Institutions in England. Auf dem Continente, wo für das Lernen auch der Erwachſenen in den höheren Unterrichtsanſtalten ſo viel geſchieht, waltet dagegen der Cha- rakter der Unterhaltung vor, und das Vereinsweſen hat für die letztern die große Bedeutung, ſie ſelber zu veredeln und Sitte und Maaß in ſie hinein zu bringen. Ganz anders geſtalten ſich die Dinge, wo das zweite Moment in dieſe Vereine hineintritt. Das zweite Moment iſt auch hier das geſellſchaftliche Bewußtſein, daß die gewerbliche Arbeit ein Beruf ſei, und als Beruf ein gewiſſes, wenn auch ſehr verſchieden formulirtes, gemeinſames Intereſſe für alle Berufsgenoſſen habe. Dieſes Bewußtſein bringt dann zwei weſent- lich verſchiedene Arten von Vereinen und von Vereinsthätigkeiten hervor, von denen die erſte auf dem Elemente des Kapitals und ſeiner Intereſſen, die zweite auf dem Elemente der Arbeit beruht. 3) Aus dem gewerblichen Kapitale zunächſt gehen alle diejenigen Vereine hervor, welche einerſeits die höhere Bildung der gewerblichen Unternehmer als ſolche durch einen Verein bezwecken, und die wir nicht beſſer als mit dem allgemeinen Namen der Gewerbevereine bezeich- nen können, weil ſie eben von der Erkenntniß getragen ſind, daß alle Arten der Gewerbe von den Ergebniſſen der höheren techniſchen Bildung einen Vortheil haben. Naturgemäß aber ſind dieſe Vereine zugleich der Boden, auf welchem die allgemein im Weſen des gewerblichen Kapitals liegenden Intereſſen zur Beſprechung und zum Verſtändniß gelangen. Ihre Aufgabe als Vereine geht dabei allerdings nicht weiter, als die Hervorrufung oder Klärung von ſubjektiven Ueberzeugungen der einzelnen Mitglieder; ſie wirken aber durch die Gleichartigkeit ihrer Mittel ſtets ausgleichend und gemeinſam, und ergeben dadurch ſtets gemeinſame Erfolge, wenn auch dieſelben weſentlich vom Umfange der Vereine und zum großen Theil von einzelnen Perſönlichkeiten abhängig ſind. Wie nun der Begriff der gewerblichen Unternehmung ſich all- mählig in beſtimmte Gebiete mit eigenen Vorausſetzungen auflöst, ſo geſtaltet ſich auch hier ein förmliches, je nach den gegebenen Verhält- niſſen höchſt verſchieden ausgebildetes Syſtem von ſolchen Vereinen, die auf Grundlage gemeinſamer, aber ſpeziell gewerblicher Bildung alle einzelnen Hauptarten der Produktion umfaſſen; Vereine der Urpro- ducenten (Bergwerke), Vereine der Landwirthe, Vereine der Forſtwirthe, Vereine der einzelnen Zweige der Induſtriellen, in den verſchiedenſten Gruppirungen. Die Kenntniß und Beobachtung derſelben und ihrer Thätigkeit wird mehr und mehr ein unentbehrliches Element des

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 549. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/573>, abgerufen am 22.11.2024.