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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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und dieß zeigt sich deutlich, so wie man auf die einzelnen Gruppen
derselben eingeht.

Die gesellschaftlichen Vereine zerfallen nämlich durch die Natur der
wirthschaftlichen Zustände, auf welche sie wirken, in zwei große Gruppen,
die wir am kürzesten als Armenvereine und Hülfsvereine be-
zeichnen. Nur muß man auch hier festhalten, daß diese Unterscheidung
in den einzelnen Unterarten des wirklichen Lebens nicht als eine strenge
durchgeführt werden, sondern vielmehr nur den Gesichtspunkt abgeben
kann, nach welchem man sie betrachten muß.

1) Die erste Gruppe der Armenvereine besteht aus der Ge-
sammtheit derjenigen Vereine, welche die Einzelnen in der Verarmung
durch freiwillige, vermöge des Vereins geordnete und vertheilte Unter-
stützungen vor persönlicher Noth bewahren. Das Verhältniß dieser
Armenvereine ist darum kein einfaches, weil jene sittliche Verpflichtung
des Besitzes von jeher als eine absolute erschienen ist. Man bezeichnet
die Gesammtheit der Ordnungen, Anstalten und Thätigkeiten, mit
welchen der Besitz der Armuth hilft, als das Armenwesen. Das
Armenwesen erscheint zuerst als Aufgabe der Kirche; dann wird es
Sache der Corporationen und Stiftungen; namentlich in der ständischen
Ordnung mit dem Entstehen der staatsbürgerlichen Ordnung wird es
zuerst Sache der Gemeinden und bleibt damit eine Aufgabe der Selbst-
verwaltung; als allgemeine Erscheinung der staatsbürgerlichen Gesell-
schaftsordnung wird es dann Gegenstand der Staatsgesetzgebung und
Verwaltung, und fügt sich durch alle diese Dinge so innig in die ganze
Verwaltung hinein, daß es als organische Aufgabe der Verwaltung
erscheinend, dem eigentlichen Vereinswesen immer nur einen kleinen
Raum übrig läßt. In der That haben daher die Armenvereine im
Allgemeinen keine große Bedeutung; sie erscheinen als solche fast nur
auf einem Punkte, wo sie aber um so größere Dienste leisten, als sie,
dort auftretend, keine dauernde Verpflichtung mit sich bringen. Das
ist in den Fällen, wo aus irgend einer Ursache eine plötzliche und
örtliche Noth entsteht, und die Verarmung als Folge bestimmter
Ereignisse, mithin als eine vorübergehende angesehen werden muß.
Solche Fälle fordern eine außerordentliche, und zwar eine allgemeine
Anstrengung des Besitzes; und es ist die Aufgabe des Vereins, theils
diese Anstrengung desselben hervorzurufen, theils sie zu ordnen, theils
sie richtig zu verwenden. Dabei können solche Vereine in ganz ver-
schiedener Weise jene Beiträge für ihren bestimmten Zweck gewinnen.
Sie können sie sammeln; sie können sie von dem Staate erbitten; sie
können sie auch durch wirkliche Leistungen erwerben -- Lotterien, Auf-
führungen, Publikationen u. s. w., ohne daß dadurch der Charakter der

und dieß zeigt ſich deutlich, ſo wie man auf die einzelnen Gruppen
derſelben eingeht.

Die geſellſchaftlichen Vereine zerfallen nämlich durch die Natur der
wirthſchaftlichen Zuſtände, auf welche ſie wirken, in zwei große Gruppen,
die wir am kürzeſten als Armenvereine und Hülfsvereine be-
zeichnen. Nur muß man auch hier feſthalten, daß dieſe Unterſcheidung
in den einzelnen Unterarten des wirklichen Lebens nicht als eine ſtrenge
durchgeführt werden, ſondern vielmehr nur den Geſichtspunkt abgeben
kann, nach welchem man ſie betrachten muß.

1) Die erſte Gruppe der Armenvereine beſteht aus der Ge-
ſammtheit derjenigen Vereine, welche die Einzelnen in der Verarmung
durch freiwillige, vermöge des Vereins geordnete und vertheilte Unter-
ſtützungen vor perſönlicher Noth bewahren. Das Verhältniß dieſer
Armenvereine iſt darum kein einfaches, weil jene ſittliche Verpflichtung
des Beſitzes von jeher als eine abſolute erſchienen iſt. Man bezeichnet
die Geſammtheit der Ordnungen, Anſtalten und Thätigkeiten, mit
welchen der Beſitz der Armuth hilft, als das Armenweſen. Das
Armenweſen erſcheint zuerſt als Aufgabe der Kirche; dann wird es
Sache der Corporationen und Stiftungen; namentlich in der ſtändiſchen
Ordnung mit dem Entſtehen der ſtaatsbürgerlichen Ordnung wird es
zuerſt Sache der Gemeinden und bleibt damit eine Aufgabe der Selbſt-
verwaltung; als allgemeine Erſcheinung der ſtaatsbürgerlichen Geſell-
ſchaftsordnung wird es dann Gegenſtand der Staatsgeſetzgebung und
Verwaltung, und fügt ſich durch alle dieſe Dinge ſo innig in die ganze
Verwaltung hinein, daß es als organiſche Aufgabe der Verwaltung
erſcheinend, dem eigentlichen Vereinsweſen immer nur einen kleinen
Raum übrig läßt. In der That haben daher die Armenvereine im
Allgemeinen keine große Bedeutung; ſie erſcheinen als ſolche faſt nur
auf einem Punkte, wo ſie aber um ſo größere Dienſte leiſten, als ſie,
dort auftretend, keine dauernde Verpflichtung mit ſich bringen. Das
iſt in den Fällen, wo aus irgend einer Urſache eine plötzliche und
örtliche Noth entſteht, und die Verarmung als Folge beſtimmter
Ereigniſſe, mithin als eine vorübergehende angeſehen werden muß.
Solche Fälle fordern eine außerordentliche, und zwar eine allgemeine
Anſtrengung des Beſitzes; und es iſt die Aufgabe des Vereins, theils
dieſe Anſtrengung deſſelben hervorzurufen, theils ſie zu ordnen, theils
ſie richtig zu verwenden. Dabei können ſolche Vereine in ganz ver-
ſchiedener Weiſe jene Beiträge für ihren beſtimmten Zweck gewinnen.
Sie können ſie ſammeln; ſie können ſie von dem Staate erbitten; ſie
können ſie auch durch wirkliche Leiſtungen erwerben — Lotterien, Auf-
führungen, Publikationen u. ſ. w., ohne daß dadurch der Charakter der

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[560/0584] und dieß zeigt ſich deutlich, ſo wie man auf die einzelnen Gruppen derſelben eingeht. Die geſellſchaftlichen Vereine zerfallen nämlich durch die Natur der wirthſchaftlichen Zuſtände, auf welche ſie wirken, in zwei große Gruppen, die wir am kürzeſten als Armenvereine und Hülfsvereine be- zeichnen. Nur muß man auch hier feſthalten, daß dieſe Unterſcheidung in den einzelnen Unterarten des wirklichen Lebens nicht als eine ſtrenge durchgeführt werden, ſondern vielmehr nur den Geſichtspunkt abgeben kann, nach welchem man ſie betrachten muß. 1) Die erſte Gruppe der Armenvereine beſteht aus der Ge- ſammtheit derjenigen Vereine, welche die Einzelnen in der Verarmung durch freiwillige, vermöge des Vereins geordnete und vertheilte Unter- ſtützungen vor perſönlicher Noth bewahren. Das Verhältniß dieſer Armenvereine iſt darum kein einfaches, weil jene ſittliche Verpflichtung des Beſitzes von jeher als eine abſolute erſchienen iſt. Man bezeichnet die Geſammtheit der Ordnungen, Anſtalten und Thätigkeiten, mit welchen der Beſitz der Armuth hilft, als das Armenweſen. Das Armenweſen erſcheint zuerſt als Aufgabe der Kirche; dann wird es Sache der Corporationen und Stiftungen; namentlich in der ſtändiſchen Ordnung mit dem Entſtehen der ſtaatsbürgerlichen Ordnung wird es zuerſt Sache der Gemeinden und bleibt damit eine Aufgabe der Selbſt- verwaltung; als allgemeine Erſcheinung der ſtaatsbürgerlichen Geſell- ſchaftsordnung wird es dann Gegenſtand der Staatsgeſetzgebung und Verwaltung, und fügt ſich durch alle dieſe Dinge ſo innig in die ganze Verwaltung hinein, daß es als organiſche Aufgabe der Verwaltung erſcheinend, dem eigentlichen Vereinsweſen immer nur einen kleinen Raum übrig läßt. In der That haben daher die Armenvereine im Allgemeinen keine große Bedeutung; ſie erſcheinen als ſolche faſt nur auf einem Punkte, wo ſie aber um ſo größere Dienſte leiſten, als ſie, dort auftretend, keine dauernde Verpflichtung mit ſich bringen. Das iſt in den Fällen, wo aus irgend einer Urſache eine plötzliche und örtliche Noth entſteht, und die Verarmung als Folge beſtimmter Ereigniſſe, mithin als eine vorübergehende angeſehen werden muß. Solche Fälle fordern eine außerordentliche, und zwar eine allgemeine Anſtrengung des Beſitzes; und es iſt die Aufgabe des Vereins, theils dieſe Anſtrengung deſſelben hervorzurufen, theils ſie zu ordnen, theils ſie richtig zu verwenden. Dabei können ſolche Vereine in ganz ver- ſchiedener Weiſe jene Beiträge für ihren beſtimmten Zweck gewinnen. Sie können ſie ſammeln; ſie können ſie von dem Staate erbitten; ſie können ſie auch durch wirkliche Leiſtungen erwerben — Lotterien, Auf- führungen, Publikationen u. ſ. w., ohne daß dadurch der Charakter der

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/584>, abgerufen am 22.11.2024.