Beschlüssen, welche die öffentlich rechtlichen Verhältnisse betreffen. Hier nun entsteht die Frage nach der Verpflichtung der Direktion, einem Beschlusse des Verwaltungsrathes zu gehorchen, der nach ihrer An- sicht den fachmännischen Grundsätzen oder dem öffentlichen Recht wiederspricht. Wir haben dieser Rechtsverhältnisse schon bei dem Verwaltungsrathe erwähnt. Es kann kaum zweifelhaft sein, daß die Direktion im ersten Fall trotz ihrer entgegenstehenden Ueber- zeugung dem Beschlusse des Verwaltungsrathes zu gehorchen, jedoch unter Darlegung aller Gegengründe sich vor jeder Haftung sicher zu stellen hat. Im zweiten Falle dagegen hat die Direktion die Pflicht, den Gehorsam zu verweigern, und ist dem Gerichte selbst dann für den Gehorsam gegen das Gesetz verantwortlich, wenn der Verwaltungsrath seinerseits erklärt hätte, die Verantwortung für sich übernehmen zu wollen. An diese beiden Fälle schließt sich der dritte, wo nämlich der Beschluß des Verwaltungsrathes gegen die Statuten oder gegen einen Beschluß der Generalversammlung zu gehen scheint. In diesem Falle hat die Direktion, wenn es ihre zur Gewißheit ge- wordene Ueberzeugung ist, daß der Beschluß im Widerspruch mit Statut oder Generalversammlung steht, allerdings den Gehorsam zu verweigern, aber auf die Gefahr hin, daß eine gerichtliche Entscheidung ihre Auf- fassung als irrthümlich anerkennt, und sie daher selbst die Folgen tragen muß. Diese Folgen sind nun, wenn der Verwaltungsrath seinerseits nicht nachgibt, die Suspension oder Entlassung aus dem Dienste. Gegen beides kann dann die Direktion entweder bei der Generalversammlung oder bei dem Gerichte klaghaft werden. Der Ungehorsam im ersten Falle werde die Aufhebung des Dienstverhältnisses rechtfertigen; im zweiten Falle wäre umgekehrt diese Auffassung ungerechtfertigt; im dritten muß von Fall zu Fall entschieden werden.
Endlich kann es nicht zweifelhaft sein, daß der Verwaltungsrath die Disciplinargewalt über den Direktor ausübt, welche bis zur Auf- hebung des Dienstverhältnisses geht, wenn die fachmännische und die organische, leitende Thätigkeit des Direktors unter seiner Lebensweise leidet. Auch hier kann der Direktor gerichtlich auf Schadensersatz klagen; alsdann treten die gewöhnlichen Formen des bürgerlichen Pro- cesses ein. Eine weitere Frage ist es, ob der Verwaltungsrath unbe- dingt das Recht zur Suspension des Direktors habe. Diese Frage ist im Allgemeinen zu bejahen; zweifelhaft kann dieß nur in dem Falle sein, wo die Suspension wegen Gehorsamsverweigerung eintrat, weil das öffentliche Recht mit dem Beschlusse des Verwaltungsraths im Widerspruch stand. Da die Aufhebung des Anstellungsvertrages unter dieser Bedingung gar nicht hätte stipulirt werden können, so kann sie
Stein, die Verwaltungslehre. I. 39
Beſchlüſſen, welche die öffentlich rechtlichen Verhältniſſe betreffen. Hier nun entſteht die Frage nach der Verpflichtung der Direktion, einem Beſchluſſe des Verwaltungsrathes zu gehorchen, der nach ihrer An- ſicht den fachmänniſchen Grundſätzen oder dem öffentlichen Recht wiederſpricht. Wir haben dieſer Rechtsverhältniſſe ſchon bei dem Verwaltungsrathe erwähnt. Es kann kaum zweifelhaft ſein, daß die Direktion im erſten Fall trotz ihrer entgegenſtehenden Ueber- zeugung dem Beſchluſſe des Verwaltungsrathes zu gehorchen, jedoch unter Darlegung aller Gegengründe ſich vor jeder Haftung ſicher zu ſtellen hat. Im zweiten Falle dagegen hat die Direktion die Pflicht, den Gehorſam zu verweigern, und iſt dem Gerichte ſelbſt dann für den Gehorſam gegen das Geſetz verantwortlich, wenn der Verwaltungsrath ſeinerſeits erklärt hätte, die Verantwortung für ſich übernehmen zu wollen. An dieſe beiden Fälle ſchließt ſich der dritte, wo nämlich der Beſchluß des Verwaltungsrathes gegen die Statuten oder gegen einen Beſchluß der Generalverſammlung zu gehen ſcheint. In dieſem Falle hat die Direktion, wenn es ihre zur Gewißheit ge- wordene Ueberzeugung iſt, daß der Beſchluß im Widerſpruch mit Statut oder Generalverſammlung ſteht, allerdings den Gehorſam zu verweigern, aber auf die Gefahr hin, daß eine gerichtliche Entſcheidung ihre Auf- faſſung als irrthümlich anerkennt, und ſie daher ſelbſt die Folgen tragen muß. Dieſe Folgen ſind nun, wenn der Verwaltungsrath ſeinerſeits nicht nachgibt, die Suſpenſion oder Entlaſſung aus dem Dienſte. Gegen beides kann dann die Direktion entweder bei der Generalverſammlung oder bei dem Gerichte klaghaft werden. Der Ungehorſam im erſten Falle werde die Aufhebung des Dienſtverhältniſſes rechtfertigen; im zweiten Falle wäre umgekehrt dieſe Auffaſſung ungerechtfertigt; im dritten muß von Fall zu Fall entſchieden werden.
Endlich kann es nicht zweifelhaft ſein, daß der Verwaltungsrath die Disciplinargewalt über den Direktor ausübt, welche bis zur Auf- hebung des Dienſtverhältniſſes geht, wenn die fachmänniſche und die organiſche, leitende Thätigkeit des Direktors unter ſeiner Lebensweiſe leidet. Auch hier kann der Direktor gerichtlich auf Schadenserſatz klagen; alsdann treten die gewöhnlichen Formen des bürgerlichen Pro- ceſſes ein. Eine weitere Frage iſt es, ob der Verwaltungsrath unbe- dingt das Recht zur Suſpenſion des Direktors habe. Dieſe Frage iſt im Allgemeinen zu bejahen; zweifelhaft kann dieß nur in dem Falle ſein, wo die Suſpenſion wegen Gehorſamsverweigerung eintrat, weil das öffentliche Recht mit dem Beſchluſſe des Verwaltungsraths im Widerſpruch ſtand. Da die Aufhebung des Anſtellungsvertrages unter dieſer Bedingung gar nicht hätte ſtipulirt werden können, ſo kann ſie
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Beſchlüſſen, welche die öffentlich rechtlichen Verhältniſſe betreffen. Hier
nun entſteht die Frage nach der Verpflichtung der Direktion, einem
Beſchluſſe des Verwaltungsrathes zu gehorchen, der nach ihrer An-
ſicht den fachmänniſchen Grundſätzen oder dem öffentlichen Recht
wiederſpricht. Wir haben dieſer Rechtsverhältniſſe ſchon bei dem
Verwaltungsrathe erwähnt. Es kann kaum zweifelhaft ſein, daß
die Direktion im erſten Fall trotz ihrer entgegenſtehenden Ueber-
zeugung dem Beſchluſſe des Verwaltungsrathes zu gehorchen, jedoch
unter Darlegung aller Gegengründe ſich vor jeder Haftung ſicher
zu ſtellen hat. Im zweiten Falle dagegen hat die Direktion die
Pflicht, den Gehorſam zu verweigern, und iſt dem Gerichte ſelbſt
dann für den Gehorſam gegen das Geſetz verantwortlich, wenn der
Verwaltungsrath ſeinerſeits erklärt hätte, die Verantwortung für ſich
übernehmen zu wollen. An dieſe beiden Fälle ſchließt ſich der dritte,
wo nämlich der Beſchluß des Verwaltungsrathes gegen die Statuten
oder gegen einen Beſchluß der Generalverſammlung zu gehen ſcheint.
In dieſem Falle hat die Direktion, wenn es ihre zur Gewißheit ge-
wordene Ueberzeugung iſt, daß der Beſchluß im Widerſpruch mit Statut
oder Generalverſammlung ſteht, allerdings den Gehorſam zu verweigern,
aber auf die Gefahr hin, daß eine gerichtliche Entſcheidung ihre Auf-
faſſung als irrthümlich anerkennt, und ſie daher ſelbſt die Folgen tragen
muß. Dieſe Folgen ſind nun, wenn der Verwaltungsrath ſeinerſeits
nicht nachgibt, die Suſpenſion oder Entlaſſung aus dem Dienſte. Gegen
beides kann dann die Direktion entweder bei der Generalverſammlung
oder bei dem Gerichte klaghaft werden. Der Ungehorſam im erſten
Falle werde die Aufhebung des Dienſtverhältniſſes rechtfertigen; im
zweiten Falle wäre umgekehrt dieſe Auffaſſung ungerechtfertigt; im
dritten muß von Fall zu Fall entſchieden werden.
Endlich kann es nicht zweifelhaft ſein, daß der Verwaltungsrath
die Disciplinargewalt über den Direktor ausübt, welche bis zur Auf-
hebung des Dienſtverhältniſſes geht, wenn die fachmänniſche und die
organiſche, leitende Thätigkeit des Direktors unter ſeiner Lebensweiſe
leidet. Auch hier kann der Direktor gerichtlich auf Schadenserſatz
klagen; alsdann treten die gewöhnlichen Formen des bürgerlichen Pro-
ceſſes ein. Eine weitere Frage iſt es, ob der Verwaltungsrath unbe-
dingt das Recht zur Suſpenſion des Direktors habe. Dieſe Frage
iſt im Allgemeinen zu bejahen; zweifelhaft kann dieß nur in dem Falle
ſein, wo die Suſpenſion wegen Gehorſamsverweigerung eintrat, weil
das öffentliche Recht mit dem Beſchluſſe des Verwaltungsraths im
Widerſpruch ſtand. Da die Aufhebung des Anſtellungsvertrages unter
dieſer Bedingung gar nicht hätte ſtipulirt werden können, ſo kann ſie
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 609. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/633>, abgerufen am 22.11.2024.
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