entwickelt sich aus dem Begriff der Staatsgewalt nicht bloß der Begriff, sondern auch das Rechtssystem der vollziehenden Staatsgewalt.
Aber auch hier ist die Staatsgewalt in ihrer vollziehenden Thätig- keit nicht bloß ein Moment am Leben des Staats, sondern sie erscheint auch selbständig in einem nur ihr gehörigen Organismus, der seiner ganzen Natur und seiner äußern Aufgabe nach eben das Organ dieser reinen, allgemeinen Gewalt der Persönlichkeit des Staats ist. Das ist das Heer, die Waffenmacht des Staats. Das Heer des Staats hat keine besondere Aufgabe, als die, die Kraft des Staats an und für sich objektiv darzustellen und zur Geltung zu bringen. Man wird uns, glauben wir, unmöglich mißverstehen, wenn wir demgemäß sagen, das Heer ist die Erscheinung und das Organ der abstrakten voll- ziehenden Gewalt des Staats. In der That folgen daraus die beiden großen Grundsätze in einfachster Weise, welche, so lange es Menschen und Staaten geben wird, das Heerwesen beherrschen müssen und be- herrscht haben. Zuerst folgt, daß das Heer als Haupt nothwendig und ausschließlich das Staatsoberhaupt anerkenne; es ist auch wissenschaftlich ein Unding, das Heer zum Organe der gesetzgebenden Gewalt machen zu wollen. Zweitens folgt, daß das Heer, eben weil es organisch keine wie immer geartete spezielle Aufgabe hat und haben kann, auch keinen selbständigen Willen zu haben bestimmt ist; es ist das Organ des persönlichen Willens des Staatsoberhaupts. Von diesen beiden obersten Grundsätzen kann sich das Heerwesen keiner Zeit, keines Volkes und keines öffentlichen Rechtszustandes trennen; geschieht es dennoch, so ist die Folge eine Zerstörung des ganzen Staatsorganismus. Die Geschichte liefert die entscheidendsten Beispiele für diese Wahrheit, und es ist nur Schwäche des Staatsbürgerthums, auch nur einen Augen- blick die absolute Gültigkeit jener beiden Principien im Namen der staatsbürgerlichen Freiheit bestreiten zu wollen. Jeder Kampf dagegen hat statt der Freiheit naturgemäß nur Schwäche des Staats erzeugt, und nur die, welche der Schwäche des Ganzen froh sind, haben andere Ge- sichtspunkte vertreten. Nicht in der Bestreitung jener Principien liegt die Sicherung der Freiheit; gibt das übrige organische Leben des Staats dieselbe nicht durch sich selbst, so wird man sie gewiß niemals dadurch erreichen und hat sie niemals dadurch erreicht, daß man jene Grund- gewalt des Staatsorganismus zu vernichten trachtet. Jene Principien sind vielmehr in so hohem Sinne organischer Natur, daß sie sich unbe- dingt, ja gegen den direkten Willen der Gesetzgebung, durch ihre eigene innere Macht wieder herstellen, wenn sie einmal angegriffen werden; es lebt in dem Heere aller Zeiten und Völker das lebendige Gefühl, daß das Dasein des Staats an und für sich auf ihm beruhe, daß es
entwickelt ſich aus dem Begriff der Staatsgewalt nicht bloß der Begriff, ſondern auch das Rechtsſyſtem der vollziehenden Staatsgewalt.
Aber auch hier iſt die Staatsgewalt in ihrer vollziehenden Thätig- keit nicht bloß ein Moment am Leben des Staats, ſondern ſie erſcheint auch ſelbſtändig in einem nur ihr gehörigen Organismus, der ſeiner ganzen Natur und ſeiner äußern Aufgabe nach eben das Organ dieſer reinen, allgemeinen Gewalt der Perſönlichkeit des Staats iſt. Das iſt das Heer, die Waffenmacht des Staats. Das Heer des Staats hat keine beſondere Aufgabe, als die, die Kraft des Staats an und für ſich objektiv darzuſtellen und zur Geltung zu bringen. Man wird uns, glauben wir, unmöglich mißverſtehen, wenn wir demgemäß ſagen, das Heer iſt die Erſcheinung und das Organ der abſtrakten voll- ziehenden Gewalt des Staats. In der That folgen daraus die beiden großen Grundſätze in einfachſter Weiſe, welche, ſo lange es Menſchen und Staaten geben wird, das Heerweſen beherrſchen müſſen und be- herrſcht haben. Zuerſt folgt, daß das Heer als Haupt nothwendig und ausſchließlich das Staatsoberhaupt anerkenne; es iſt auch wiſſenſchaftlich ein Unding, das Heer zum Organe der geſetzgebenden Gewalt machen zu wollen. Zweitens folgt, daß das Heer, eben weil es organiſch keine wie immer geartete ſpezielle Aufgabe hat und haben kann, auch keinen ſelbſtändigen Willen zu haben beſtimmt iſt; es iſt das Organ des perſönlichen Willens des Staatsoberhaupts. Von dieſen beiden oberſten Grundſätzen kann ſich das Heerweſen keiner Zeit, keines Volkes und keines öffentlichen Rechtszuſtandes trennen; geſchieht es dennoch, ſo iſt die Folge eine Zerſtörung des ganzen Staatsorganismus. Die Geſchichte liefert die entſcheidendſten Beiſpiele für dieſe Wahrheit, und es iſt nur Schwäche des Staatsbürgerthums, auch nur einen Augen- blick die abſolute Gültigkeit jener beiden Principien im Namen der ſtaatsbürgerlichen Freiheit beſtreiten zu wollen. Jeder Kampf dagegen hat ſtatt der Freiheit naturgemäß nur Schwäche des Staats erzeugt, und nur die, welche der Schwäche des Ganzen froh ſind, haben andere Ge- ſichtspunkte vertreten. Nicht in der Beſtreitung jener Principien liegt die Sicherung der Freiheit; gibt das übrige organiſche Leben des Staats dieſelbe nicht durch ſich ſelbſt, ſo wird man ſie gewiß niemals dadurch erreichen und hat ſie niemals dadurch erreicht, daß man jene Grund- gewalt des Staatsorganismus zu vernichten trachtet. Jene Principien ſind vielmehr in ſo hohem Sinne organiſcher Natur, daß ſie ſich unbe- dingt, ja gegen den direkten Willen der Geſetzgebung, durch ihre eigene innere Macht wieder herſtellen, wenn ſie einmal angegriffen werden; es lebt in dem Heere aller Zeiten und Völker das lebendige Gefühl, daß das Daſein des Staats an und für ſich auf ihm beruhe, daß es
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entwickelt ſich aus dem Begriff der Staatsgewalt nicht bloß der Begriff,
ſondern auch das Rechtsſyſtem der vollziehenden Staatsgewalt.
Aber auch hier iſt die Staatsgewalt in ihrer vollziehenden Thätig-
keit nicht bloß ein Moment am Leben des Staats, ſondern ſie erſcheint
auch ſelbſtändig in einem nur ihr gehörigen Organismus, der ſeiner
ganzen Natur und ſeiner äußern Aufgabe nach eben das Organ dieſer
reinen, allgemeinen Gewalt der Perſönlichkeit des Staats iſt. Das iſt
das Heer, die Waffenmacht des Staats. Das Heer des Staats hat
keine beſondere Aufgabe, als die, die Kraft des Staats an und für
ſich objektiv darzuſtellen und zur Geltung zu bringen. Man wird uns,
glauben wir, unmöglich mißverſtehen, wenn wir demgemäß ſagen,
das Heer iſt die Erſcheinung und das Organ der abſtrakten voll-
ziehenden Gewalt des Staats. In der That folgen daraus die beiden
großen Grundſätze in einfachſter Weiſe, welche, ſo lange es Menſchen
und Staaten geben wird, das Heerweſen beherrſchen müſſen und be-
herrſcht haben. Zuerſt folgt, daß das Heer als Haupt nothwendig und
ausſchließlich das Staatsoberhaupt anerkenne; es iſt auch wiſſenſchaftlich
ein Unding, das Heer zum Organe der geſetzgebenden Gewalt machen
zu wollen. Zweitens folgt, daß das Heer, eben weil es organiſch
keine wie immer geartete ſpezielle Aufgabe hat und haben kann, auch
keinen ſelbſtändigen Willen zu haben beſtimmt iſt; es iſt das Organ
des perſönlichen Willens des Staatsoberhaupts. Von dieſen beiden
oberſten Grundſätzen kann ſich das Heerweſen keiner Zeit, keines Volkes
und keines öffentlichen Rechtszuſtandes trennen; geſchieht es dennoch,
ſo iſt die Folge eine Zerſtörung des ganzen Staatsorganismus. Die
Geſchichte liefert die entſcheidendſten Beiſpiele für dieſe Wahrheit, und
es iſt nur Schwäche des Staatsbürgerthums, auch nur einen Augen-
blick die abſolute Gültigkeit jener beiden Principien im Namen der
ſtaatsbürgerlichen Freiheit beſtreiten zu wollen. Jeder Kampf dagegen hat
ſtatt der Freiheit naturgemäß nur Schwäche des Staats erzeugt, und
nur die, welche der Schwäche des Ganzen froh ſind, haben andere Ge-
ſichtspunkte vertreten. Nicht in der Beſtreitung jener Principien liegt
die Sicherung der Freiheit; gibt das übrige organiſche Leben des Staats
dieſelbe nicht durch ſich ſelbſt, ſo wird man ſie gewiß niemals dadurch
erreichen und hat ſie niemals dadurch erreicht, daß man jene Grund-
gewalt des Staatsorganismus zu vernichten trachtet. Jene Principien
ſind vielmehr in ſo hohem Sinne organiſcher Natur, daß ſie ſich unbe-
dingt, ja gegen den direkten Willen der Geſetzgebung, durch ihre eigene
innere Macht wieder herſtellen, wenn ſie einmal angegriffen werden;
es lebt in dem Heere aller Zeiten und Völker das lebendige Gefühl,
daß das Daſein des Staats an und für ſich auf ihm beruhe, daß es
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/66>, abgerufen am 25.11.2024.
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