Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

dasselbe gegen Außen, und daß es dasselbe auch nach Innen, am letzten
Orte allein mit dem höchsten Opfer zu vertreten habe; jede gesunde
Armee wird durch das mehr oder weniger klare Bewußtsein dieser seiner
oft so ernsten Aufgabe gehoben und getragen. Das Verständniß dieser
organischen Stellung erscheint in dem einzelnen Gliede des Heeres als
die militärische Ehre, die eben deßhalb ein unbedingtes Element des
Heerwesens ist; und in den großen Aktionen des Heeres ist es dieß
Bewußtsein, das, bis zur Begeisterung gesteigert, die Heere zu Tod und
Sieg führt. Wie wenige von denen, welche seit Plato über das Staats-
wesen und seinen Begriff schreiben und denken, kennen das Heer und
sein eigenthümliches Leben -- und wie viele mögen wohl ernsthaft und
vorurtheilsfrei jemals darüber nachgedacht haben. Es ist nicht gut, daß
dem so ist. Verbannt ein so mächtiges und wichtiges Element des
Ganzen aus der systematischen Wissenschaft oder aus der ethischen An-
schauung des Staatslebens, und ihr werdet nichts anders erzielen, als
daß diejenigen euch und eure Lehre nicht verstehen, die ihr selbst nicht
verstanden habt! --

Die Staatsgewalt, das Staatsoberhaupt ist aber nicht durch das
Heerwesen erschöpft; sie enthält ein zweites organisches Element, das
erst in der zweiten Form der vollziehenden Gewalt zur Erscheinung
gelangt.

In der That nämlich gehört dem Obigen nach das ganze Heer-
wesen überhaupt weder der Gesetzgebung noch der Verwaltung. Es
ist ein Leben für sich, innig und organisch mit dem Staatsoberhaupt
und seiner Gewalt verbunden; aber mit der Verwaltung hat seine voll-
ziehende Kraft nichts zu thun, dieser gehört erst das zweite Element
derselben.

Diese zweite Form der vollziehenden Gewalt bildet sich nun, indem
für die Staatsgewalt die einzelnen besonderen Staatsaufgaben
entstehen, welche den Inhalt des Begriffes der Verwaltung bilden.

Die Regierungsgewalt und ihre drei Formen.

Wir haben bereits oben den Begriff der Regierung festgestellt.
Wenn wir nun von einer eigenen Regierungsgewalt als Form und Inhalt
der vollziehenden Gewalt reden, so geschieht das in folgendem Sinne.

Wenn nämlich die Vollziehung die That des Staats, für sich be-
trachtet, ist, so muß sie einen Willen enthalten, welcher dieß ihr Thun,
oder die Thätigkeit als solche zum Inhalt hat. In der wirklichen
Thätigkeit aber greifen äußere Momente in den Willen der Persönlich-
keit hinein, insofern dieser nur einen Zweck und eine Aufgabe setzte,

daſſelbe gegen Außen, und daß es daſſelbe auch nach Innen, am letzten
Orte allein mit dem höchſten Opfer zu vertreten habe; jede geſunde
Armee wird durch das mehr oder weniger klare Bewußtſein dieſer ſeiner
oft ſo ernſten Aufgabe gehoben und getragen. Das Verſtändniß dieſer
organiſchen Stellung erſcheint in dem einzelnen Gliede des Heeres als
die militäriſche Ehre, die eben deßhalb ein unbedingtes Element des
Heerweſens iſt; und in den großen Aktionen des Heeres iſt es dieß
Bewußtſein, das, bis zur Begeiſterung geſteigert, die Heere zu Tod und
Sieg führt. Wie wenige von denen, welche ſeit Plato über das Staats-
weſen und ſeinen Begriff ſchreiben und denken, kennen das Heer und
ſein eigenthümliches Leben — und wie viele mögen wohl ernſthaft und
vorurtheilsfrei jemals darüber nachgedacht haben. Es iſt nicht gut, daß
dem ſo iſt. Verbannt ein ſo mächtiges und wichtiges Element des
Ganzen aus der ſyſtematiſchen Wiſſenſchaft oder aus der ethiſchen An-
ſchauung des Staatslebens, und ihr werdet nichts anders erzielen, als
daß diejenigen euch und eure Lehre nicht verſtehen, die ihr ſelbſt nicht
verſtanden habt! —

Die Staatsgewalt, das Staatsoberhaupt iſt aber nicht durch das
Heerweſen erſchöpft; ſie enthält ein zweites organiſches Element, das
erſt in der zweiten Form der vollziehenden Gewalt zur Erſcheinung
gelangt.

In der That nämlich gehört dem Obigen nach das ganze Heer-
weſen überhaupt weder der Geſetzgebung noch der Verwaltung. Es
iſt ein Leben für ſich, innig und organiſch mit dem Staatsoberhaupt
und ſeiner Gewalt verbunden; aber mit der Verwaltung hat ſeine voll-
ziehende Kraft nichts zu thun, dieſer gehört erſt das zweite Element
derſelben.

Dieſe zweite Form der vollziehenden Gewalt bildet ſich nun, indem
für die Staatsgewalt die einzelnen beſonderen Staatsaufgaben
entſtehen, welche den Inhalt des Begriffes der Verwaltung bilden.

Die Regierungsgewalt und ihre drei Formen.

Wir haben bereits oben den Begriff der Regierung feſtgeſtellt.
Wenn wir nun von einer eigenen Regierungsgewalt als Form und Inhalt
der vollziehenden Gewalt reden, ſo geſchieht das in folgendem Sinne.

Wenn nämlich die Vollziehung die That des Staats, für ſich be-
trachtet, iſt, ſo muß ſie einen Willen enthalten, welcher dieß ihr Thun,
oder die Thätigkeit als ſolche zum Inhalt hat. In der wirklichen
Thätigkeit aber greifen äußere Momente in den Willen der Perſönlich-
keit hinein, inſofern dieſer nur einen Zweck und eine Aufgabe ſetzte,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0067" n="43"/>
da&#x017F;&#x017F;elbe gegen Außen, und daß es da&#x017F;&#x017F;elbe auch nach Innen, am letzten<lb/>
Orte allein mit dem höch&#x017F;ten Opfer zu vertreten habe; jede ge&#x017F;unde<lb/>
Armee wird durch das mehr oder weniger klare Bewußt&#x017F;ein die&#x017F;er &#x017F;einer<lb/>
oft &#x017F;o ern&#x017F;ten Aufgabe gehoben und getragen. Das Ver&#x017F;tändniß die&#x017F;er<lb/>
organi&#x017F;chen Stellung er&#x017F;cheint in dem einzelnen Gliede des Heeres als<lb/>
die militäri&#x017F;che <hi rendition="#g">Ehre</hi>, die eben deßhalb ein unbedingtes Element des<lb/>
Heerwe&#x017F;ens i&#x017F;t; und in den großen Aktionen des Heeres i&#x017F;t es dieß<lb/>
Bewußt&#x017F;ein, das, bis zur Begei&#x017F;terung ge&#x017F;teigert, die Heere zu Tod und<lb/>
Sieg führt. Wie wenige von denen, welche &#x017F;eit Plato über das Staats-<lb/>
we&#x017F;en und &#x017F;einen Begriff &#x017F;chreiben und denken, kennen das Heer und<lb/>
&#x017F;ein eigenthümliches Leben &#x2014; und wie viele mögen wohl ern&#x017F;thaft und<lb/>
vorurtheilsfrei jemals darüber nachgedacht haben. Es i&#x017F;t nicht gut, daß<lb/>
dem &#x017F;o i&#x017F;t. Verbannt ein &#x017F;o mächtiges und wichtiges Element des<lb/>
Ganzen aus der &#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;chen Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft oder aus der ethi&#x017F;chen An-<lb/>
&#x017F;chauung des Staatslebens, und ihr werdet nichts anders erzielen, als<lb/>
daß diejenigen euch und eure Lehre nicht ver&#x017F;tehen, die ihr &#x017F;elb&#x017F;t nicht<lb/>
ver&#x017F;tanden habt! &#x2014;</p><lb/>
              <p>Die Staatsgewalt, das Staatsoberhaupt i&#x017F;t aber nicht durch das<lb/>
Heerwe&#x017F;en er&#x017F;chöpft; &#x017F;ie enthält ein zweites organi&#x017F;ches Element, das<lb/>
er&#x017F;t in der zweiten Form der vollziehenden Gewalt zur Er&#x017F;cheinung<lb/>
gelangt.</p><lb/>
              <p>In der That nämlich gehört dem Obigen nach das ganze Heer-<lb/>
we&#x017F;en überhaupt weder der Ge&#x017F;etzgebung <hi rendition="#g">noch der Verwaltung</hi>. Es<lb/>
i&#x017F;t ein Leben für &#x017F;ich, innig und organi&#x017F;ch mit dem Staatsoberhaupt<lb/>
und &#x017F;einer Gewalt verbunden; aber mit der Verwaltung hat &#x017F;eine voll-<lb/>
ziehende Kraft nichts zu thun, die&#x017F;er gehört er&#x017F;t das zweite Element<lb/>
der&#x017F;elben.</p><lb/>
              <p>Die&#x017F;e zweite Form der vollziehenden Gewalt bildet &#x017F;ich nun, indem<lb/>
für die Staatsgewalt die <hi rendition="#g">einzelnen be&#x017F;onderen</hi> Staatsaufgaben<lb/>
ent&#x017F;tehen, welche den Inhalt des Begriffes der Verwaltung bilden.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>Die Regierungsgewalt und ihre drei Formen.</head><lb/>
              <p>Wir haben bereits oben den Begriff der Regierung fe&#x017F;tge&#x017F;tellt.<lb/>
Wenn wir nun von einer eigenen Regierungsgewalt als Form und Inhalt<lb/>
der vollziehenden Gewalt reden, &#x017F;o ge&#x017F;chieht das in folgendem Sinne.</p><lb/>
              <p>Wenn nämlich die Vollziehung die That des Staats, für &#x017F;ich be-<lb/>
trachtet, i&#x017F;t, &#x017F;o muß &#x017F;ie einen Willen enthalten, welcher dieß ihr Thun,<lb/>
oder die Thätigkeit <hi rendition="#g">als &#x017F;olche</hi> zum Inhalt hat. In der wirklichen<lb/>
Thätigkeit aber greifen äußere Momente in den Willen der Per&#x017F;önlich-<lb/>
keit hinein, in&#x017F;ofern die&#x017F;er nur einen Zweck und eine Aufgabe &#x017F;etzte,<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0067] daſſelbe gegen Außen, und daß es daſſelbe auch nach Innen, am letzten Orte allein mit dem höchſten Opfer zu vertreten habe; jede geſunde Armee wird durch das mehr oder weniger klare Bewußtſein dieſer ſeiner oft ſo ernſten Aufgabe gehoben und getragen. Das Verſtändniß dieſer organiſchen Stellung erſcheint in dem einzelnen Gliede des Heeres als die militäriſche Ehre, die eben deßhalb ein unbedingtes Element des Heerweſens iſt; und in den großen Aktionen des Heeres iſt es dieß Bewußtſein, das, bis zur Begeiſterung geſteigert, die Heere zu Tod und Sieg führt. Wie wenige von denen, welche ſeit Plato über das Staats- weſen und ſeinen Begriff ſchreiben und denken, kennen das Heer und ſein eigenthümliches Leben — und wie viele mögen wohl ernſthaft und vorurtheilsfrei jemals darüber nachgedacht haben. Es iſt nicht gut, daß dem ſo iſt. Verbannt ein ſo mächtiges und wichtiges Element des Ganzen aus der ſyſtematiſchen Wiſſenſchaft oder aus der ethiſchen An- ſchauung des Staatslebens, und ihr werdet nichts anders erzielen, als daß diejenigen euch und eure Lehre nicht verſtehen, die ihr ſelbſt nicht verſtanden habt! — Die Staatsgewalt, das Staatsoberhaupt iſt aber nicht durch das Heerweſen erſchöpft; ſie enthält ein zweites organiſches Element, das erſt in der zweiten Form der vollziehenden Gewalt zur Erſcheinung gelangt. In der That nämlich gehört dem Obigen nach das ganze Heer- weſen überhaupt weder der Geſetzgebung noch der Verwaltung. Es iſt ein Leben für ſich, innig und organiſch mit dem Staatsoberhaupt und ſeiner Gewalt verbunden; aber mit der Verwaltung hat ſeine voll- ziehende Kraft nichts zu thun, dieſer gehört erſt das zweite Element derſelben. Dieſe zweite Form der vollziehenden Gewalt bildet ſich nun, indem für die Staatsgewalt die einzelnen beſonderen Staatsaufgaben entſtehen, welche den Inhalt des Begriffes der Verwaltung bilden. Die Regierungsgewalt und ihre drei Formen. Wir haben bereits oben den Begriff der Regierung feſtgeſtellt. Wenn wir nun von einer eigenen Regierungsgewalt als Form und Inhalt der vollziehenden Gewalt reden, ſo geſchieht das in folgendem Sinne. Wenn nämlich die Vollziehung die That des Staats, für ſich be- trachtet, iſt, ſo muß ſie einen Willen enthalten, welcher dieß ihr Thun, oder die Thätigkeit als ſolche zum Inhalt hat. In der wirklichen Thätigkeit aber greifen äußere Momente in den Willen der Perſönlich- keit hinein, inſofern dieſer nur einen Zweck und eine Aufgabe ſetzte,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/67
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/67>, abgerufen am 25.11.2024.