Vermehrung der Bevölkerung in diesen vier Punkten gesetzten Maßregeln bilden das erste System der Bevölkerungspolitik der Staatsverwaltung. Man kann im Allgemeinen sagen, daß dieß System in der Mitte des 17. Jahrhunderts beginnt, bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts aus- schließlich herrscht, und von da an sich noch in einzelnen bedeutenden Maßregeln erhielt.
Mit der Mitte des vorigen Jahrhunderts tritt diesem Streben nun die Industrie mit der Thatsache der örtlichen Uebervölkerung durch An- häufung von Arbeitern auf einzelnen Punkten entgegen, und theils diese Thatsache, theils auch das Entstehen der Versicherungsgesellschaften, welche das Leben der Bevölkerung als Ganzes betrachten und zu be- trachten gezwungen sind, erzeugte diejenige Wissenschaft, welche wir die Bevölkerungslehre nennen. Sie ist bei allen Mängeln, die sie hatte und hat, dennoch von entscheidendem Einflusse auf die Bevöl- kerungspolitik Europas im Ganzen, und der einzelnen Staaten im Be- sondern gewesen, wesentlich deßhalb, weil ihre Resultate sich in höchst einfachen, gemeinverständlichen Sätzen zusammenfassen ließen und daher ein großes und gemeinsames, für die Bevölkerungspolitik im Ganzen entscheidendes Resultat hervorriefen. Man beurtheilt diesen Einfluß am besten, indem man jene Sätze an die Namen ihrer Hauptvertreter knüpft. Während Montesquieu die Zunahme der Bevölkerung von dem Zustande der Verfassung und Verwaltung abhängig macht, und Süßmilch bei aller Energie, mit der er die Vermehrung der Bevölkerung für eine Hauptaufgabe des Staats erklärt, doch zuerst die objektiv gültigen Ge- setze der Bewegung der Bevölkerung auf bestimmte Zahlen und Ta- bellen reducirt, stellt Adam Smith den Grundsatz auf, daß nur da, wo ein Lohn ist, der Arbeiter geboren werde, um den Lohn zu verdienen, und auch Malthus endlich wird, ganz abgesehen von seiner Theorie selbst, dennoch das Princip anerkennen, daß jene Gesetze der Bewegung der Zu- und Abnahme der Bevölkerung nicht bloß durch die Aufstellung der mehr oder weniger durchgreifenden Maßregeln der Verwaltung be- herrscht werden können, sondern als absolute Gesetze in dem Wesen des persönlichen und natürlichen Lebens und ihrem Gegensatze selbst liegen. Zwar nimmt Justi gleichzeitig die ganze Bevölkerungslehre systematisch in die Staatswissenschaft auf und gibt ihr in der Polizeiwissenschaft ihre Stelle. Allein das Auftreten der selbständigen Bevölkerungslehre, verbunden mit der Thatsache, daß die wirklichen Maßregeln der Ver- waltung doch zuletzt ziemlich ohne allen allgemeinen Einfluß seyen, er- zeugte doch zuletzt die Grundansicht, daß jede Verwaltung unfähig sey, einen unmittelbaren Einfluß auf die Bevölkerung zu nehmen, sondern daß jede Sorge für die Bevölkerung in ihrer quantitativen Bewegung
Vermehrung der Bevölkerung in dieſen vier Punkten geſetzten Maßregeln bilden das erſte Syſtem der Bevölkerungspolitik der Staatsverwaltung. Man kann im Allgemeinen ſagen, daß dieß Syſtem in der Mitte des 17. Jahrhunderts beginnt, bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts aus- ſchließlich herrſcht, und von da an ſich noch in einzelnen bedeutenden Maßregeln erhielt.
Mit der Mitte des vorigen Jahrhunderts tritt dieſem Streben nun die Induſtrie mit der Thatſache der örtlichen Uebervölkerung durch An- häufung von Arbeitern auf einzelnen Punkten entgegen, und theils dieſe Thatſache, theils auch das Entſtehen der Verſicherungsgeſellſchaften, welche das Leben der Bevölkerung als Ganzes betrachten und zu be- trachten gezwungen ſind, erzeugte diejenige Wiſſenſchaft, welche wir die Bevölkerungslehre nennen. Sie iſt bei allen Mängeln, die ſie hatte und hat, dennoch von entſcheidendem Einfluſſe auf die Bevöl- kerungspolitik Europas im Ganzen, und der einzelnen Staaten im Be- ſondern geweſen, weſentlich deßhalb, weil ihre Reſultate ſich in höchſt einfachen, gemeinverſtändlichen Sätzen zuſammenfaſſen ließen und daher ein großes und gemeinſames, für die Bevölkerungspolitik im Ganzen entſcheidendes Reſultat hervorriefen. Man beurtheilt dieſen Einfluß am beſten, indem man jene Sätze an die Namen ihrer Hauptvertreter knüpft. Während Montesquieu die Zunahme der Bevölkerung von dem Zuſtande der Verfaſſung und Verwaltung abhängig macht, und Süßmilch bei aller Energie, mit der er die Vermehrung der Bevölkerung für eine Hauptaufgabe des Staats erklärt, doch zuerſt die objektiv gültigen Ge- ſetze der Bewegung der Bevölkerung auf beſtimmte Zahlen und Ta- bellen reducirt, ſtellt Adam Smith den Grundſatz auf, daß nur da, wo ein Lohn iſt, der Arbeiter geboren werde, um den Lohn zu verdienen, und auch Malthus endlich wird, ganz abgeſehen von ſeiner Theorie ſelbſt, dennoch das Princip anerkennen, daß jene Geſetze der Bewegung der Zu- und Abnahme der Bevölkerung nicht bloß durch die Aufſtellung der mehr oder weniger durchgreifenden Maßregeln der Verwaltung be- herrſcht werden können, ſondern als abſolute Geſetze in dem Weſen des perſönlichen und natürlichen Lebens und ihrem Gegenſatze ſelbſt liegen. Zwar nimmt Juſti gleichzeitig die ganze Bevölkerungslehre ſyſtematiſch in die Staatswiſſenſchaft auf und gibt ihr in der Polizeiwiſſenſchaft ihre Stelle. Allein das Auftreten der ſelbſtändigen Bevölkerungslehre, verbunden mit der Thatſache, daß die wirklichen Maßregeln der Ver- waltung doch zuletzt ziemlich ohne allen allgemeinen Einfluß ſeyen, er- zeugte doch zuletzt die Grundanſicht, daß jede Verwaltung unfähig ſey, einen unmittelbaren Einfluß auf die Bevölkerung zu nehmen, ſondern daß jede Sorge für die Bevölkerung in ihrer quantitativen Bewegung
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Vermehrung der Bevölkerung in dieſen vier Punkten geſetzten Maßregeln
bilden das erſte Syſtem der Bevölkerungspolitik der Staatsverwaltung.
Man kann im Allgemeinen ſagen, daß dieß Syſtem in der Mitte des
17. Jahrhunderts beginnt, bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts aus-
ſchließlich herrſcht, und von da an ſich noch in einzelnen bedeutenden
Maßregeln erhielt.
Mit der Mitte des vorigen Jahrhunderts tritt dieſem Streben nun
die Induſtrie mit der Thatſache der örtlichen Uebervölkerung durch An-
häufung von Arbeitern auf einzelnen Punkten entgegen, und theils dieſe
Thatſache, theils auch das Entſtehen der Verſicherungsgeſellſchaften,
welche das Leben der Bevölkerung als Ganzes betrachten und zu be-
trachten gezwungen ſind, erzeugte diejenige Wiſſenſchaft, welche wir die
Bevölkerungslehre nennen. Sie iſt bei allen Mängeln, die ſie
hatte und hat, dennoch von entſcheidendem Einfluſſe auf die Bevöl-
kerungspolitik Europas im Ganzen, und der einzelnen Staaten im Be-
ſondern geweſen, weſentlich deßhalb, weil ihre Reſultate ſich in höchſt
einfachen, gemeinverſtändlichen Sätzen zuſammenfaſſen ließen und daher
ein großes und gemeinſames, für die Bevölkerungspolitik im Ganzen
entſcheidendes Reſultat hervorriefen. Man beurtheilt dieſen Einfluß am
beſten, indem man jene Sätze an die Namen ihrer Hauptvertreter knüpft.
Während Montesquieu die Zunahme der Bevölkerung von dem Zuſtande
der Verfaſſung und Verwaltung abhängig macht, und Süßmilch bei
aller Energie, mit der er die Vermehrung der Bevölkerung für eine
Hauptaufgabe des Staats erklärt, doch zuerſt die objektiv gültigen Ge-
ſetze der Bewegung der Bevölkerung auf beſtimmte Zahlen und Ta-
bellen reducirt, ſtellt Adam Smith den Grundſatz auf, daß nur da,
wo ein Lohn iſt, der Arbeiter geboren werde, um den Lohn zu verdienen,
und auch Malthus endlich wird, ganz abgeſehen von ſeiner Theorie
ſelbſt, dennoch das Princip anerkennen, daß jene Geſetze der Bewegung
der Zu- und Abnahme der Bevölkerung nicht bloß durch die Aufſtellung
der mehr oder weniger durchgreifenden Maßregeln der Verwaltung be-
herrſcht werden können, ſondern als abſolute Geſetze in dem Weſen des
perſönlichen und natürlichen Lebens und ihrem Gegenſatze ſelbſt liegen.
Zwar nimmt Juſti gleichzeitig die ganze Bevölkerungslehre ſyſtematiſch
in die Staatswiſſenſchaft auf und gibt ihr in der Polizeiwiſſenſchaft
ihre Stelle. Allein das Auftreten der ſelbſtändigen Bevölkerungslehre,
verbunden mit der Thatſache, daß die wirklichen Maßregeln der Ver-
waltung doch zuletzt ziemlich ohne allen allgemeinen Einfluß ſeyen, er-
zeugte doch zuletzt die Grundanſicht, daß jede Verwaltung unfähig ſey,
einen unmittelbaren Einfluß auf die Bevölkerung zu nehmen, ſondern
daß jede Sorge für die Bevölkerung in ihrer quantitativen Bewegung
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/134>, abgerufen am 04.12.2024.
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