Dieß Verbot läßt aber im Grunde das Verhältniß nach einer solchen Ehe unentschieden. Daher treten andere Gesetze viel bestimmter auf. Der Zorn der Geschlechter fordert bei den Longobarden den Tod bei der Frau (L. Longobard. II. 9. 2. et illam, quae servo fuerit consor- tiens, habeant parentes potestatem occidendi -- und thun sie es nicht, so soll der Gastaldus Regis sie zu den ancillis geben). Die Ripuarier lassen die Ehe bestehen, aber der Mann wird leibeigen mit seinem Weibe (L. IX. T. 58). Die Lex Salica XXVII. 6. ist mit einer Buße von 111 solidis gegen den Herrn der ancilla zufrieden. Die Sachsen, bei denen das Geschlechterprincip sich am durchgeführtesten ausgeprägt zeigt, sagen: Nobilis nobilem ducat uxorum, liber liberam, libertus conjugator libertae, servus ancillae -- wer aber ein Weib aus der höheren Ordnung nimmt, "cum vitae suae damno com- ponat." Das war der Standpunkt, den noch Meginhardt (de mir. S. Alex. CI. op. Langebeck Script. R. Dan. II. 39, vergl. dazu Adam. Bremensis Hist. Eccl., Cap. V. p. 7. 8.) als geltendes Recht jener Zeit des 12. und 13. Jahrhunderts im Norden Deutschlands aufführt, während im Süden schon mildere Ansicht waltet. Schon die Capitu- larien sprechen die Gültigkeit des Satzes aus: "Quod Deus junxit homo non separet" gegenüber den Scheidungen, welche die Herren über die Ehe ihrer servi vornahmen, und erkannten die Gültigkeit der Ehe (etiamsi diversos dominos habeant, Cap. add. III. Bal. p. 806). Vergl. Laboulaye, Condition des femmes, p. 327--330 und unten. Diese letztere zeigt sich nun vorzüglich in den standesmäßigen Ehen in ihrem Recht, die sich eben nur auf die ständischen Unterschiede der Freiheit der Persönlichkeit beziehen; Grundsatz ist hier bekanntlich, daß die Kinder der "ärgeren Hand" folgen und zwar hat das den doppelten Sinn eines socialen Rechts für den persönlichen Stand und eines wirthschaftlichen für das Erbrecht. Die Kinder können nicht das väterliche Erbe erwerben, namentlich da nicht, wo die Mutter unehelicher Geburt war (Vitriar. Illustr. L. III. T. XX. §. 74). Alle diese Vorstel- lungen treten nun alsbald in schroffen Gegensatz zu dem Princip des Sacraments der Ehe einerseits, der Freiheit der Ehe andererseits (Hugo Grotius, s. oben). Beide forderten mit gleichem Nachdruck die Auf- hebung der Rechtsungültigkeit der Ehe zwischen verschiedenen Standes- gliedern. Der Streit über diese Frage ist ein sehr lebhafter und wird mit allen Waffen der Gelehrsamkeit geführt, bis sich der Begriff der "Mißheirathen" feststellt und von dem der "verbotenen Heirathen" scheidet. Pfeffinger hat ziemlich die ganze Literatur über diese Frage bis zum 18. Jahrhundert aufgeführt. (Vitr. Illustr. III. T. XX. §. 74) Mit diesem Unterschiede tritt dann der Rechtssatz ein, daß durch den
Dieß Verbot läßt aber im Grunde das Verhältniß nach einer ſolchen Ehe unentſchieden. Daher treten andere Geſetze viel beſtimmter auf. Der Zorn der Geſchlechter fordert bei den Longobarden den Tod bei der Frau (L. Longobard. II. 9. 2. et illam, quae servo fuerit consor- tiens, habeant parentes potestatem occidendi — und thun ſie es nicht, ſo ſoll der Gastaldus Regis ſie zu den ancillis geben). Die Ripuarier laſſen die Ehe beſtehen, aber der Mann wird leibeigen mit ſeinem Weibe (L. IX. T. 58). Die Lex Salica XXVII. 6. iſt mit einer Buße von 111 solidis gegen den Herrn der ancilla zufrieden. Die Sachſen, bei denen das Geſchlechterprincip ſich am durchgeführteſten ausgeprägt zeigt, ſagen: Nobilis nobilem ducat uxorum, liber liberam, libertus conjugator libertae, servus ancillae — wer aber ein Weib aus der höheren Ordnung nimmt, „cum vitae suae damno com- ponat.“ Das war der Standpunkt, den noch Meginhardt (de mir. S. Alex. CI. op. Langebeck Script. R. Dan. II. 39, vergl. dazu Adam. Bremensis Hist. Eccl., Cap. V. p. 7. 8.) als geltendes Recht jener Zeit des 12. und 13. Jahrhunderts im Norden Deutſchlands aufführt, während im Süden ſchon mildere Anſicht waltet. Schon die Capitu- larien ſprechen die Gültigkeit des Satzes aus: „Quod Deus junxit homo non separet“ gegenüber den Scheidungen, welche die Herren über die Ehe ihrer servi vornahmen, und erkannten die Gültigkeit der Ehe (etiamsi diversos dominos habeant, Cap. add. III. Bal. p. 806). Vergl. Laboulaye, Condition des femmes, p. 327—330 und unten. Dieſe letztere zeigt ſich nun vorzüglich in den ſtandesmäßigen Ehen in ihrem Recht, die ſich eben nur auf die ſtändiſchen Unterſchiede der Freiheit der Perſönlichkeit beziehen; Grundſatz iſt hier bekanntlich, daß die Kinder der „ärgeren Hand“ folgen und zwar hat das den doppelten Sinn eines ſocialen Rechts für den perſönlichen Stand und eines wirthſchaftlichen für das Erbrecht. Die Kinder können nicht das väterliche Erbe erwerben, namentlich da nicht, wo die Mutter unehelicher Geburt war (Vitriar. Illustr. L. III. T. XX. §. 74). Alle dieſe Vorſtel- lungen treten nun alsbald in ſchroffen Gegenſatz zu dem Princip des Sacraments der Ehe einerſeits, der Freiheit der Ehe andererſeits (Hugo Grotius, ſ. oben). Beide forderten mit gleichem Nachdruck die Auf- hebung der Rechtsungültigkeit der Ehe zwiſchen verſchiedenen Standes- gliedern. Der Streit über dieſe Frage iſt ein ſehr lebhafter und wird mit allen Waffen der Gelehrſamkeit geführt, bis ſich der Begriff der „Mißheirathen“ feſtſtellt und von dem der „verbotenen Heirathen“ ſcheidet. Pfeffinger hat ziemlich die ganze Literatur über dieſe Frage bis zum 18. Jahrhundert aufgeführt. (Vitr. Illustr. III. T. XX. §. 74) Mit dieſem Unterſchiede tritt dann der Rechtsſatz ein, daß durch den
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[133/0155]
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Der Zorn der Geſchlechter fordert bei den Longobarden den Tod bei
der Frau (L. Longobard. II. 9. 2. et illam, quae servo fuerit consor-
tiens, habeant parentes potestatem occidendi — und thun ſie es
nicht, ſo ſoll der Gastaldus Regis ſie zu den ancillis geben). Die
Ripuarier laſſen die Ehe beſtehen, aber der Mann wird leibeigen mit
ſeinem Weibe (L. IX. T. 58). Die Lex Salica XXVII. 6. iſt mit
einer Buße von 111 solidis gegen den Herrn der ancilla zufrieden.
Die Sachſen, bei denen das Geſchlechterprincip ſich am durchgeführteſten
ausgeprägt zeigt, ſagen: Nobilis nobilem ducat uxorum, liber liberam,
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aus der höheren Ordnung nimmt, „cum vitae suae damno com-
ponat.“ Das war der Standpunkt, den noch Meginhardt (de mir. S.
Alex. CI. op. Langebeck Script. R. Dan. II. 39, vergl. dazu Adam.
Bremensis Hist. Eccl., Cap. V. p. 7. 8.) als geltendes Recht jener
Zeit des 12. und 13. Jahrhunderts im Norden Deutſchlands aufführt,
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homo non separet“ gegenüber den Scheidungen, welche die Herren
über die Ehe ihrer servi vornahmen, und erkannten die Gültigkeit der
Ehe (etiamsi diversos dominos habeant, Cap. add. III. Bal. p. 806).
Vergl. Laboulaye, Condition des femmes, p. 327—330 und unten.
Dieſe letztere zeigt ſich nun vorzüglich in den ſtandesmäßigen Ehen
in ihrem Recht, die ſich eben nur auf die ſtändiſchen Unterſchiede der
Freiheit der Perſönlichkeit beziehen; Grundſatz iſt hier bekanntlich,
daß die Kinder der „ärgeren Hand“ folgen und zwar hat das den
doppelten Sinn eines ſocialen Rechts für den perſönlichen Stand und
eines wirthſchaftlichen für das Erbrecht. Die Kinder können nicht das
väterliche Erbe erwerben, namentlich da nicht, wo die Mutter unehelicher
Geburt war (Vitriar. Illustr. L. III. T. XX. §. 74). Alle dieſe Vorſtel-
lungen treten nun alsbald in ſchroffen Gegenſatz zu dem Princip des
Sacraments der Ehe einerſeits, der Freiheit der Ehe andererſeits (Hugo
Grotius, ſ. oben). Beide forderten mit gleichem Nachdruck die Auf-
hebung der Rechtsungültigkeit der Ehe zwiſchen verſchiedenen Standes-
gliedern. Der Streit über dieſe Frage iſt ein ſehr lebhafter und wird
mit allen Waffen der Gelehrſamkeit geführt, bis ſich der Begriff der
„Mißheirathen“ feſtſtellt und von dem der „verbotenen Heirathen“
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bis zum 18. Jahrhundert aufgeführt. (Vitr. Illustr. III. T. XX. §. 74)
Mit dieſem Unterſchiede tritt dann der Rechtsſatz ein, daß durch den
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/155>, abgerufen am 16.02.2025.
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