Standesunterschied keine Heirath überhaupt ungültig, sondern nur das Erbrecht der Kinder beschränkt werde, was dann gleichfalls allmählig von dem Vermögen überhaupt nur noch auf das Lehngut übergeht, und dadurch die Mißheirath zu einem Begriffe des lehnrecht- lichen Eherechts macht. Wie hartnäckig aber sich die strenge deutsche Geschlechterauffassung gegen diesen Satz, der in der That das Connu- bium für die ständischen Unterschiede herstellt, gesträubt hat, sieht man nirgends deutlicher als aus Vitriarius und seinem Illustrator, dem gewaltigen Gelehrten Pfeffinger. Der letztere, nachdem er alle Citate für und gegen die Freiheit der Ehe aufgeführt, und in der andern Stelle eine förmliche Politik des ständischen Eherechts gegeben, kommt zu dem Schlusse: "Nobilis cum Ignobili legitimum esse matrimonium arbitror (doch nur arbitror! 1731) natusque inde liberos iisdem gaudere praerogativis quibus alias libri ex aequali thoro" wohlverstanden, wenn nicht bestimmte Gesetze (consuetudo, vel lex provincialis) entgegen stehen. Es dauerte also lange, ehe die heutige Idee der Gleichheit dem Princip der Freiheit in der Ehe folgte, bis endlich die erstere mit der staatsbürgerlichen Gesellschaft, vorzüglich aber mit dem Unterschiede des Lehnsbesitzes vom bürgerlichen Besitz verschwand und die rechtlichen Folgen der Ungleichheit bei völliger Freiheit in der Ehe nur noch in den fürstlichen Häusern (morganatische Ehe, Recht der Zustimmung des regierenden Hauptes) sich erhalten, und zu einem Theile des Staatsrechts werden. Wie sehr bedauern wir, daß Labou- laye in seiner gekrönten Preisschrift (Rech. sur la Condition civile et politique des femmes 1842) nicht auch das ständische Connubium und dessen Geschichte in das Frauenrecht einbezogen und sich einfach an die Folgen der ungleichen Ehe für die Erbtheilung gehalten hat. Er hätte mit seinem großen Blick gewiß Bedeutendes geleistet. Wie richtig beur- theilt er den Geist des deutschen Volkes und Rechts in dem vorigen Jahrhundert: "En Allemagne la fusion des differentes classes de la nation ne s'est jamais completement faite; la feodalite, affaiblie par le droit romain, s'est conservee neanmoins dans les privileges et les coutumes de la noblesse; la bourgeoisie s'est cantonnee dans une legislation speciale, en partie de droit romain et de droit con- tumier; les paysans ont conserve des coutumes qui ne sont celles ni des nobles ni des bourgeois" und erst Napoleon hat diesen Zustand gebrochen (S. 308. 309). Nur daß es in Frankreich bis zum 19. Jahrhundert genau eben so aussah, trotz seiner Bemerkung S. 309. -- Jedenfalls werden die obigen Andeutungen genügen, um darzuthun, daß die sociale Geschichte des Connubiums im germanischen Europa noch zu schreiben ist. Auch das Folgende hat nur den Werth auf die
Standesunterſchied keine Heirath überhaupt ungültig, ſondern nur das Erbrecht der Kinder beſchränkt werde, was dann gleichfalls allmählig von dem Vermögen überhaupt nur noch auf das Lehngut übergeht, und dadurch die Mißheirath zu einem Begriffe des lehnrecht- lichen Eherechts macht. Wie hartnäckig aber ſich die ſtrenge deutſche Geſchlechterauffaſſung gegen dieſen Satz, der in der That das Connu- bium für die ſtändiſchen Unterſchiede herſtellt, geſträubt hat, ſieht man nirgends deutlicher als aus Vitriarius und ſeinem Illuſtrator, dem gewaltigen Gelehrten Pfeffinger. Der letztere, nachdem er alle Citate für und gegen die Freiheit der Ehe aufgeführt, und in der andern Stelle eine förmliche Politik des ſtändiſchen Eherechts gegeben, kommt zu dem Schluſſe: „Nobilis cum Ignobili legitimum esse matrimonium arbitror (doch nur arbitror! 1731) natusque inde liberos iisdem gaudere praerogativis quibus alias libri ex aequali thoro“ wohlverſtanden, wenn nicht beſtimmte Geſetze (consuetudo, vel lex provincialis) entgegen ſtehen. Es dauerte alſo lange, ehe die heutige Idee der Gleichheit dem Princip der Freiheit in der Ehe folgte, bis endlich die erſtere mit der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft, vorzüglich aber mit dem Unterſchiede des Lehnsbeſitzes vom bürgerlichen Beſitz verſchwand und die rechtlichen Folgen der Ungleichheit bei völliger Freiheit in der Ehe nur noch in den fürſtlichen Häuſern (morganatiſche Ehe, Recht der Zuſtimmung des regierenden Hauptes) ſich erhalten, und zu einem Theile des Staatsrechts werden. Wie ſehr bedauern wir, daß Labou- laye in ſeiner gekrönten Preisſchrift (Rech. sur la Condition civile et politique des femmes 1842) nicht auch das ſtändiſche Connubium und deſſen Geſchichte in das Frauenrecht einbezogen und ſich einfach an die Folgen der ungleichen Ehe für die Erbtheilung gehalten hat. Er hätte mit ſeinem großen Blick gewiß Bedeutendes geleiſtet. Wie richtig beur- theilt er den Geiſt des deutſchen Volkes und Rechts in dem vorigen Jahrhundert: „En Allemagne la fusion des différentes classes de la nation ne s’est jamais complètement faite; la feodalité, affaiblie par le droit romain, s’est conservée neanmoins dans les privilèges et les coutumes de la noblesse; la bourgeoisie s’est cantonnée dans une législation speciale, en partie de droit romain et de droit con- tumier; les paysans ont conservé des coutumes qui ne sont celles ni des nobles ni des bourgeois“ und erſt Napoleon hat dieſen Zuſtand gebrochen (S. 308. 309). Nur daß es in Frankreich bis zum 19. Jahrhundert genau eben ſo ausſah, trotz ſeiner Bemerkung S. 309. — Jedenfalls werden die obigen Andeutungen genügen, um darzuthun, daß die ſociale Geſchichte des Connubiums im germaniſchen Europa noch zu ſchreiben iſt. Auch das Folgende hat nur den Werth auf die
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Standesunterſchied keine Heirath überhaupt ungültig, ſondern nur
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allmählig von dem Vermögen überhaupt nur noch auf das Lehngut
übergeht, und dadurch die Mißheirath zu einem Begriffe des lehnrecht-
lichen Eherechts macht. Wie hartnäckig aber ſich die ſtrenge deutſche
Geſchlechterauffaſſung gegen dieſen Satz, der in der That das Connu-
bium für die ſtändiſchen Unterſchiede herſtellt, geſträubt hat, ſieht man
nirgends deutlicher als aus Vitriarius und ſeinem Illuſtrator, dem
gewaltigen Gelehrten Pfeffinger. Der letztere, nachdem er alle
Citate für und gegen die Freiheit der Ehe aufgeführt, und in der
andern Stelle eine förmliche Politik des ſtändiſchen Eherechts gegeben,
kommt zu dem Schluſſe: „Nobilis cum Ignobili legitimum esse
matrimonium arbitror (doch nur arbitror! 1731) natusque inde liberos
iisdem gaudere praerogativis quibus alias libri ex aequali thoro“
wohlverſtanden, wenn nicht beſtimmte Geſetze (consuetudo, vel lex
provincialis) entgegen ſtehen. Es dauerte alſo lange, ehe die heutige
Idee der Gleichheit dem Princip der Freiheit in der Ehe folgte, bis
endlich die erſtere mit der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft, vorzüglich aber
mit dem Unterſchiede des Lehnsbeſitzes vom bürgerlichen Beſitz verſchwand
und die rechtlichen Folgen der Ungleichheit bei völliger Freiheit in der
Ehe nur noch in den fürſtlichen Häuſern (morganatiſche Ehe, Recht
der Zuſtimmung des regierenden Hauptes) ſich erhalten, und zu einem
Theile des Staatsrechts werden. Wie ſehr bedauern wir, daß Labou-
laye in ſeiner gekrönten Preisſchrift (Rech. sur la Condition civile et
politique des femmes 1842) nicht auch das ſtändiſche Connubium und
deſſen Geſchichte in das Frauenrecht einbezogen und ſich einfach an die
Folgen der ungleichen Ehe für die Erbtheilung gehalten hat. Er hätte
mit ſeinem großen Blick gewiß Bedeutendes geleiſtet. Wie richtig beur-
theilt er den Geiſt des deutſchen Volkes und Rechts in dem vorigen
Jahrhundert: „En Allemagne la fusion des différentes classes de la
nation ne s’est jamais complètement faite; la feodalité, affaiblie par
le droit romain, s’est conservée neanmoins dans les privilèges et
les coutumes de la noblesse; la bourgeoisie s’est cantonnée dans
une législation speciale, en partie de droit romain et de droit con-
tumier; les paysans ont conservé des coutumes qui ne sont celles
ni des nobles ni des bourgeois“ und erſt Napoleon hat dieſen Zuſtand
gebrochen (S. 308. 309). Nur daß es in Frankreich bis zum 19.
Jahrhundert genau eben ſo ausſah, trotz ſeiner Bemerkung S. 309.
— Jedenfalls werden die obigen Andeutungen genügen, um darzuthun,
daß die ſociale Geſchichte des Connubiums im germaniſchen Europa
noch zu ſchreiben iſt. Auch das Folgende hat nur den Werth auf die
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/156>, abgerufen am 24.11.2024.
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