Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.IV. Die Elemente des freien öffentlichen Eherechts der staatsbürgerlichen Gesellschaft. (Grundlage desselben ist der Unterschied der Freiheit und der Beschrän- Die gewöhnliche Annahme ist nun, nachdem die bisherigen Stand- Die völlige Freiheit der Ehe würde dieselbe, indem sie sie ganz der Die Grundlage dieses bisher zwar praktisch gültigen, aber nicht Die Ehe ist ihrem Wesen nach einerseits ein Gut der höchsten, IV. Die Elemente des freien öffentlichen Eherechts der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft. (Grundlage deſſelben iſt der Unterſchied der Freiheit und der Beſchrän- Die gewöhnliche Annahme iſt nun, nachdem die bisherigen Stand- Die völlige Freiheit der Ehe würde dieſelbe, indem ſie ſie ganz der Die Grundlage dieſes bisher zwar praktiſch gültigen, aber nicht Die Ehe iſt ihrem Weſen nach einerſeits ein Gut der höchſten, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <pb facs="#f0178" n="156"/> <div n="6"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">IV.</hi> Die Elemente des freien öffentlichen Eherechts der ſtaatsbürgerlichen<lb/> Geſellſchaft.</hi> </head><lb/> <argument> <p>(Grundlage deſſelben iſt der Unterſchied der <hi rendition="#g">Freiheit</hi> und der <hi rendition="#g">Beſchrän-<lb/> kungen</hi> der Ehe auch in dieſer Geſellſchaftsform. Die letzteren entſtehen aus<lb/> den Elementen der Geſchlechter, der ſtändiſchen und der ſtaatsbürgerlichen<lb/> Ordnung.)</p> </argument><lb/> <p>Die gewöhnliche Annahme iſt nun, nachdem die bisherigen Stand-<lb/> punkte des öffentlichen Eherechts überwunden ſind, daß die Ehe der<lb/> ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft im Gegenſatz zur frühern Zeit <hi rendition="#g">eine freie</hi><lb/> geworden ſei. Es kommt darauf an, das richtig zu verſtehen.</p><lb/> <p>Die völlige Freiheit der Ehe würde dieſelbe, indem ſie ſie ganz der<lb/> ſubjektiven Selbſtbeſtimmung des Einzelnen überließe, <hi rendition="#g">überhaupt</hi> des<lb/> öffentlichen Rechts entkleiden. Offenbar iſt das weder der Fall, noch<lb/> kann es das jemals ſein. Die Ehe wird und muß ſtets das Moment<lb/> des öffentlichen Rechts behalten. Und wenn man daher von der Freiheit<lb/> der Ehe redet, ſo muß man ſich den Inhalt dieſer Freiheit <hi rendition="#g">nicht</hi> als<lb/> einen völligen Mangel an Beſtimmungen des öffentlichen Rechts, ſon-<lb/> dern als Syſtem des Eherechts denken, das zu ſeinem rechtsbildenden<lb/> Princip nur noch das <hi rendition="#g">Weſen der Ehe ſelbſt</hi> hat. Die Freiheit der<lb/> ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft beſteht auch hier nicht in der Willkür,<lb/> ſondern in der Befreiung des Rechtsinſtituts von Momenten, die<lb/><hi rendition="#g">außerhalb</hi> deſſelben liegen. <hi rendition="#g">Neben</hi> und in dieſer Freiheit beſteht<lb/> das öffentliche Eherecht fort; und es wird darauf ankommen, in der<lb/> ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaftsordnung die Freiheit der Ehe als die Be-<lb/> freiung derſelben von Rechtsbeſtimmungen, die außer derſelben liegen,<lb/> das öffentliche Eherecht dagegen als das Syſtem des durch das Weſen<lb/> der Ehe ſelbſt geſetzten öffentlichen Rechts hinzuſtellen. Und erſt in<lb/><hi rendition="#g">dieſem</hi> Sinne ſprechen wir vom neuen Syſteme des öffentlichen Ehe-<lb/> rechts unſerer Zeit.</p><lb/> <p>Die Grundlage dieſes bisher zwar praktiſch gültigen, aber nicht<lb/> wiſſenſchaftlich zuſammengefaßten Syſtems des gegenwärtigen Eherechts<lb/> iſt nun folgende.</p><lb/> <p>Die Ehe iſt ihrem Weſen nach <hi rendition="#g">einerſeits</hi> ein Gut der höchſten,<lb/> freien und ſittlichen Selbſtbeſtimmung des Einzelnen. <hi rendition="#g">Inſofern</hi> ſie<lb/> als ſolche erſcheint, muß ſie dieſer Selbſtbeſtimmung überlaſſen, das iſt<lb/> eben <hi rendition="#g">frei</hi> ſein. Sie iſt aber <hi rendition="#g">andererſeits</hi> ein Verhältniß, welches<lb/> theils durch ſich ſelbſt, theils durch die aus ihr entſtehende Familie für<lb/> die Gemeinſchaft in ihren verſchiedenen Formen poſitive, und zwar<lb/> wirthſchaftliche <hi rendition="#g">Verpflichtungen</hi> erzeugt. Inſofern ſie <hi rendition="#g">dieß</hi> thut,<lb/> wird ſie von der Gemeinſchaft und ihrem Willen nothwendig <hi rendition="#g">abhängig</hi>.<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [156/0178]
IV. Die Elemente des freien öffentlichen Eherechts der ſtaatsbürgerlichen
Geſellſchaft.
(Grundlage deſſelben iſt der Unterſchied der Freiheit und der Beſchrän-
kungen der Ehe auch in dieſer Geſellſchaftsform. Die letzteren entſtehen aus
den Elementen der Geſchlechter, der ſtändiſchen und der ſtaatsbürgerlichen
Ordnung.)
Die gewöhnliche Annahme iſt nun, nachdem die bisherigen Stand-
punkte des öffentlichen Eherechts überwunden ſind, daß die Ehe der
ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft im Gegenſatz zur frühern Zeit eine freie
geworden ſei. Es kommt darauf an, das richtig zu verſtehen.
Die völlige Freiheit der Ehe würde dieſelbe, indem ſie ſie ganz der
ſubjektiven Selbſtbeſtimmung des Einzelnen überließe, überhaupt des
öffentlichen Rechts entkleiden. Offenbar iſt das weder der Fall, noch
kann es das jemals ſein. Die Ehe wird und muß ſtets das Moment
des öffentlichen Rechts behalten. Und wenn man daher von der Freiheit
der Ehe redet, ſo muß man ſich den Inhalt dieſer Freiheit nicht als
einen völligen Mangel an Beſtimmungen des öffentlichen Rechts, ſon-
dern als Syſtem des Eherechts denken, das zu ſeinem rechtsbildenden
Princip nur noch das Weſen der Ehe ſelbſt hat. Die Freiheit der
ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft beſteht auch hier nicht in der Willkür,
ſondern in der Befreiung des Rechtsinſtituts von Momenten, die
außerhalb deſſelben liegen. Neben und in dieſer Freiheit beſteht
das öffentliche Eherecht fort; und es wird darauf ankommen, in der
ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaftsordnung die Freiheit der Ehe als die Be-
freiung derſelben von Rechtsbeſtimmungen, die außer derſelben liegen,
das öffentliche Eherecht dagegen als das Syſtem des durch das Weſen
der Ehe ſelbſt geſetzten öffentlichen Rechts hinzuſtellen. Und erſt in
dieſem Sinne ſprechen wir vom neuen Syſteme des öffentlichen Ehe-
rechts unſerer Zeit.
Die Grundlage dieſes bisher zwar praktiſch gültigen, aber nicht
wiſſenſchaftlich zuſammengefaßten Syſtems des gegenwärtigen Eherechts
iſt nun folgende.
Die Ehe iſt ihrem Weſen nach einerſeits ein Gut der höchſten,
freien und ſittlichen Selbſtbeſtimmung des Einzelnen. Inſofern ſie
als ſolche erſcheint, muß ſie dieſer Selbſtbeſtimmung überlaſſen, das iſt
eben frei ſein. Sie iſt aber andererſeits ein Verhältniß, welches
theils durch ſich ſelbſt, theils durch die aus ihr entſtehende Familie für
die Gemeinſchaft in ihren verſchiedenen Formen poſitive, und zwar
wirthſchaftliche Verpflichtungen erzeugt. Inſofern ſie dieß thut,
wird ſie von der Gemeinſchaft und ihrem Willen nothwendig abhängig.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |