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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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Verwaltung und setzte die Vorschriften über die Visa derselben im In-
lande fest, deren Gültigkeit das Decret vom 11. Juli 1810 auf ein
Jahr beschränkte. Dem Fremden kann auch nach seinem Eintritt mit
ordnungsmäßigem Paß der Aufenthalt verweigert werden. Gesetz vom
19. October 1797. Der Cod. Pen. Art. 155 nahm endlich die Bestim-
mung auf, daß jeder Beamtete, der einen Paß ausstellt, bei strenger Strafe
die Identität der Person durch zwei Zeugen constatiren lassen muß,
wenn ihm die Person nicht selbst bekannt ist. Das Wichtigste aber ist,
daß niemand seinen Canton verlassen darf ohne einen Paß,
bei kleinen Orten vom Maire, bei Orten über 40,000 Einwohner vom
Präfect (Gesetz vom 10. vend. an IV, Art. 1. 2. und wiederholt Gesetz
vom 5. Mai 1855!) wovon nur die diplomes des membres des societes
de secours mutuels approuves
eine Ausnahme bilden (Decret vom
26. März 1852). So ist Frankreich die eigentliche Heimath des polizeilichen
Paß- und Fremdenwesens in seinem ganzen Umfange! Doch scheint in
neuester Zeit die Praxis sich vor der Unmöglichkeit zu beugen, diese
Grundsätze in ihrer vollen Ausführung zu erhalten, obgleich Laferriere
(Droit adm. I. S. 1. Cap. 2) das Paßwesen auch gegenwärtig in Frank-
reich noch als eine ganz natürliche Maßregel der police de saurete, und
rein als "restriction" auffaßt und motivirt.

Die deutschen Staaten endlich sind offenbar in einem durch-
greifenden Uebergang begriffen, dessen rasche Beendigung wir nur wün-
schen können. Während nämlich einige Staaten gar kein obligates
Paßwesen, sondern nur das freie Paßwesen Englands haben (Hamburg,
Lübeck, Bremen) und uns von den meisten gar nichts bekannt ist, haben
die größern Staaten eine eigene Entwicklung durchgemacht. Ohne Zweifel
ist hier Preußen vorangegangen mit seinem Paß-Edict vom 22. Juni
1817. Dieß Paß-Edict war zunächst eine Milderung der früheren Vor-
schriften des Paß-Reglements vom 20. März 1813, indem wie
es im Eingange des erstern heißt "die veränderten Verhältnisse es ge-
statten, die in der Paßpolizei nothwendig gewordene Strenge der Auf-
sicht auf die Reisenden zu mildern." Das Paß-Reglement von 1813
hatte jedoch den Vorzug, das erste allgemeine Paßrecht für Preußen
zu bilden; bis dahin bestanden meist lokale, aus den frühern Jahr-
hunderten stammende, oder (am Rhein) französische Vorschriften. (Rönne
und Simon, Polizeiwesen der preußischen Monarchie. I. 291 ff.)
Das neue Paß-Edict von 1817 dagegen ist mit allem Guten und
Schlimmen für den größten Theil von Deutschland maßgebend geworden.
Die Grundlage desselben ist nämlich die hier zuerst aufgestellte und
streng durchgeführte Scheidung des Paßwesens und des Frem-
denwesens
. Das Paßwesen bezieht sich nemlich ganz bestimmt nur

Verwaltung und ſetzte die Vorſchriften über die Viſa derſelben im In-
lande feſt, deren Gültigkeit das Decret vom 11. Juli 1810 auf ein
Jahr beſchränkte. Dem Fremden kann auch nach ſeinem Eintritt mit
ordnungsmäßigem Paß der Aufenthalt verweigert werden. Geſetz vom
19. October 1797. Der Cod. Pen. Art. 155 nahm endlich die Beſtim-
mung auf, daß jeder Beamtete, der einen Paß ausſtellt, bei ſtrenger Strafe
die Identität der Perſon durch zwei Zeugen conſtatiren laſſen muß,
wenn ihm die Perſon nicht ſelbſt bekannt iſt. Das Wichtigſte aber iſt,
daß niemand ſeinen Canton verlaſſen darf ohne einen Paß,
bei kleinen Orten vom Maire, bei Orten über 40,000 Einwohner vom
Präfect (Geſetz vom 10. vend. an IV, Art. 1. 2. und wiederholt Geſetz
vom 5. Mai 1855!) wovon nur die diplômes des membres des sociétés
de secours mutuels approuvés
eine Ausnahme bilden (Decret vom
26. März 1852). So iſt Frankreich die eigentliche Heimath des polizeilichen
Paß- und Fremdenweſens in ſeinem ganzen Umfange! Doch ſcheint in
neueſter Zeit die Praxis ſich vor der Unmöglichkeit zu beugen, dieſe
Grundſätze in ihrer vollen Ausführung zu erhalten, obgleich Laferrière
(Droit adm. I. S. 1. Cap. 2) das Paßweſen auch gegenwärtig in Frank-
reich noch als eine ganz natürliche Maßregel der police de sûreté, und
rein als „restriction“ auffaßt und motivirt.

Die deutſchen Staaten endlich ſind offenbar in einem durch-
greifenden Uebergang begriffen, deſſen raſche Beendigung wir nur wün-
ſchen können. Während nämlich einige Staaten gar kein obligates
Paßweſen, ſondern nur das freie Paßweſen Englands haben (Hamburg,
Lübeck, Bremen) und uns von den meiſten gar nichts bekannt iſt, haben
die größern Staaten eine eigene Entwicklung durchgemacht. Ohne Zweifel
iſt hier Preußen vorangegangen mit ſeinem Paß-Edict vom 22. Juni
1817. Dieß Paß-Edict war zunächſt eine Milderung der früheren Vor-
ſchriften des Paß-Reglements vom 20. März 1813, indem wie
es im Eingange des erſtern heißt „die veränderten Verhältniſſe es ge-
ſtatten, die in der Paßpolizei nothwendig gewordene Strenge der Auf-
ſicht auf die Reiſenden zu mildern.“ Das Paß-Reglement von 1813
hatte jedoch den Vorzug, das erſte allgemeine Paßrecht für Preußen
zu bilden; bis dahin beſtanden meiſt lokale, aus den frühern Jahr-
hunderten ſtammende, oder (am Rhein) franzöſiſche Vorſchriften. (Rönne
und Simon, Polizeiweſen der preußiſchen Monarchie. I. 291 ff.)
Das neue Paß-Edict von 1817 dagegen iſt mit allem Guten und
Schlimmen für den größten Theil von Deutſchland maßgebend geworden.
Die Grundlage deſſelben iſt nämlich die hier zuerſt aufgeſtellte und
ſtreng durchgeführte Scheidung des Paßweſens und des Frem-
denweſens
. Das Paßweſen bezieht ſich nemlich ganz beſtimmt nur

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[262/0284] Verwaltung und ſetzte die Vorſchriften über die Viſa derſelben im In- lande feſt, deren Gültigkeit das Decret vom 11. Juli 1810 auf ein Jahr beſchränkte. Dem Fremden kann auch nach ſeinem Eintritt mit ordnungsmäßigem Paß der Aufenthalt verweigert werden. Geſetz vom 19. October 1797. Der Cod. Pen. Art. 155 nahm endlich die Beſtim- mung auf, daß jeder Beamtete, der einen Paß ausſtellt, bei ſtrenger Strafe die Identität der Perſon durch zwei Zeugen conſtatiren laſſen muß, wenn ihm die Perſon nicht ſelbſt bekannt iſt. Das Wichtigſte aber iſt, daß niemand ſeinen Canton verlaſſen darf ohne einen Paß, bei kleinen Orten vom Maire, bei Orten über 40,000 Einwohner vom Präfect (Geſetz vom 10. vend. an IV, Art. 1. 2. und wiederholt Geſetz vom 5. Mai 1855!) wovon nur die diplômes des membres des sociétés de secours mutuels approuvés eine Ausnahme bilden (Decret vom 26. März 1852). So iſt Frankreich die eigentliche Heimath des polizeilichen Paß- und Fremdenweſens in ſeinem ganzen Umfange! Doch ſcheint in neueſter Zeit die Praxis ſich vor der Unmöglichkeit zu beugen, dieſe Grundſätze in ihrer vollen Ausführung zu erhalten, obgleich Laferrière (Droit adm. I. S. 1. Cap. 2) das Paßweſen auch gegenwärtig in Frank- reich noch als eine ganz natürliche Maßregel der police de sûreté, und rein als „restriction“ auffaßt und motivirt. Die deutſchen Staaten endlich ſind offenbar in einem durch- greifenden Uebergang begriffen, deſſen raſche Beendigung wir nur wün- ſchen können. Während nämlich einige Staaten gar kein obligates Paßweſen, ſondern nur das freie Paßweſen Englands haben (Hamburg, Lübeck, Bremen) und uns von den meiſten gar nichts bekannt iſt, haben die größern Staaten eine eigene Entwicklung durchgemacht. Ohne Zweifel iſt hier Preußen vorangegangen mit ſeinem Paß-Edict vom 22. Juni 1817. Dieß Paß-Edict war zunächſt eine Milderung der früheren Vor- ſchriften des Paß-Reglements vom 20. März 1813, indem wie es im Eingange des erſtern heißt „die veränderten Verhältniſſe es ge- ſtatten, die in der Paßpolizei nothwendig gewordene Strenge der Auf- ſicht auf die Reiſenden zu mildern.“ Das Paß-Reglement von 1813 hatte jedoch den Vorzug, das erſte allgemeine Paßrecht für Preußen zu bilden; bis dahin beſtanden meiſt lokale, aus den frühern Jahr- hunderten ſtammende, oder (am Rhein) franzöſiſche Vorſchriften. (Rönne und Simon, Polizeiweſen der preußiſchen Monarchie. I. 291 ff.) Das neue Paß-Edict von 1817 dagegen iſt mit allem Guten und Schlimmen für den größten Theil von Deutſchland maßgebend geworden. Die Grundlage deſſelben iſt nämlich die hier zuerſt aufgeſtellte und ſtreng durchgeführte Scheidung des Paßweſens und des Frem- denweſens. Das Paßweſen bezieht ſich nemlich ganz beſtimmt nur

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/284>, abgerufen am 21.11.2024.