lichen Rechts aller, auch der detaillirtesten Verwaltungszweige eingeht. In dieser Beziehung ist er kaum erreicht, geschweige denn übertroffen; sein Werk ist ein Monument deutschen Fleißes und deutscher gelehrter Zuverlässigkeit, aber jeder höheren Anknüpfung baar. Doch wird die künftige Geschichte der Verwaltung den Mann als den Vitriarius der Verwaltungsrechtskunde dereinst zu würdigen wissen. Hinter ihm ent- steht eine große Lücke, die nur die Sammlung von Bergius einiger- maßen ausfüllt. "Teutschland überhaupt" war nicht mehr da. Die einzelnen "Staaten" Deutschlands constituiren und ordnen sich. Jeder von ihnen hat nun, wenn auch keine Verfassung, so doch eine Verwal- tung. Die Kenntniß dieser Verwaltung ist für die Aemter nach wie vor nothwendig. Der Gedanke eines Verwaltungsrechtes ist dabei zwar nothwendig und natürlich, aber er ist neu. Man braucht daher Zeit, bevor man ihn verarbeitet; unterdessen aber wird der concrete Inhalt desselben mit dem öffentlichen oder Staatsrecht überhaupt verschmolzen und so demselben das erste Element seiner neuen Gestalt gegeben. Allein mitten in dieser Verschmelzung erhält sich die Erkenntniß, daß die Ver- waltung denn doch ein besonderes Gebiet sei, und daß es schwierig scheinen müsse, gewisse Dinge, wie z. B. Zählungen, oder Maß- und Gewichtsordnungen u. dergl. als "Staatsrecht" zu bezeichnen. Auch war denn doch die Idee der alten eudämonistischen Staatsphilosophen nicht so ganz verschwunden, daß nicht der Gedanke einer innern, mit dem Staatswohl als letzten Aufgabe gegebenen Einheit jener Verwal- tungsgesetze und Verordnungen übrig geblieben wäre. Daran endlich schloß sich das rein praktische Bedürfniß der amtlichen Verwaltung, über die Masse dieser Gesetze eine Uebersicht zu haben. Alle diese Momente zusammengenommen erzeugten nun jene mehr oder weniger systematische Sammlungen, welche die Verwaltungsgesetzgebung für sich in ein Ganzes, als zunächst äußerlich, dann auch innerlich von dem übrigen Staatsrecht geschieden, umfassen. Man kann in dieser rein juristischen Gestal- tung der Wissenschaft der Verwaltung, die wir mit dem Ausdruck der "Verwaltungsgesetzkunde" am kürzesten bezeichnen, in drei Formen verfolgen.
In ihnen nämlich entstand die Gesammtheit jener Behandlungen der Verwaltung und des Verwaltungsrechts, die wir als die Verbindung der Verwaltungslehre mit dem Staatsrecht oder die öffentlich recht- liche Behandlung der Verwaltung nennen, bei der wir aber freilich je nach dem Vorwiegen des einen oder des andern der obigen Momente die folgenden drei übrigens leicht verständlichen und unsern Lesern gewiß meist bekannten Grundformen unterscheiden:
I. Die erste und natürlichste, wenn auch unvollständigste ist die,
lichen Rechts aller, auch der detaillirteſten Verwaltungszweige eingeht. In dieſer Beziehung iſt er kaum erreicht, geſchweige denn übertroffen; ſein Werk iſt ein Monument deutſchen Fleißes und deutſcher gelehrter Zuverläſſigkeit, aber jeder höheren Anknüpfung baar. Doch wird die künftige Geſchichte der Verwaltung den Mann als den Vitriarius der Verwaltungsrechtskunde dereinſt zu würdigen wiſſen. Hinter ihm ent- ſteht eine große Lücke, die nur die Sammlung von Bergius einiger- maßen ausfüllt. „Teutſchland überhaupt“ war nicht mehr da. Die einzelnen „Staaten“ Deutſchlands conſtituiren und ordnen ſich. Jeder von ihnen hat nun, wenn auch keine Verfaſſung, ſo doch eine Verwal- tung. Die Kenntniß dieſer Verwaltung iſt für die Aemter nach wie vor nothwendig. Der Gedanke eines Verwaltungsrechtes iſt dabei zwar nothwendig und natürlich, aber er iſt neu. Man braucht daher Zeit, bevor man ihn verarbeitet; unterdeſſen aber wird der concrete Inhalt deſſelben mit dem öffentlichen oder Staatsrecht überhaupt verſchmolzen und ſo demſelben das erſte Element ſeiner neuen Geſtalt gegeben. Allein mitten in dieſer Verſchmelzung erhält ſich die Erkenntniß, daß die Ver- waltung denn doch ein beſonderes Gebiet ſei, und daß es ſchwierig ſcheinen müſſe, gewiſſe Dinge, wie z. B. Zählungen, oder Maß- und Gewichtsordnungen u. dergl. als „Staatsrecht“ zu bezeichnen. Auch war denn doch die Idee der alten eudämoniſtiſchen Staatsphiloſophen nicht ſo ganz verſchwunden, daß nicht der Gedanke einer innern, mit dem Staatswohl als letzten Aufgabe gegebenen Einheit jener Verwal- tungsgeſetze und Verordnungen übrig geblieben wäre. Daran endlich ſchloß ſich das rein praktiſche Bedürfniß der amtlichen Verwaltung, über die Maſſe dieſer Geſetze eine Ueberſicht zu haben. Alle dieſe Momente zuſammengenommen erzeugten nun jene mehr oder weniger ſyſtematiſche Sammlungen, welche die Verwaltungsgeſetzgebung für ſich in ein Ganzes, als zunächſt äußerlich, dann auch innerlich von dem übrigen Staatsrecht geſchieden, umfaſſen. Man kann in dieſer rein juriſtiſchen Geſtal- tung der Wiſſenſchaft der Verwaltung, die wir mit dem Ausdruck der „Verwaltungsgeſetzkunde“ am kürzeſten bezeichnen, in drei Formen verfolgen.
In ihnen nämlich entſtand die Geſammtheit jener Behandlungen der Verwaltung und des Verwaltungsrechts, die wir als die Verbindung der Verwaltungslehre mit dem Staatsrecht oder die öffentlich recht- liche Behandlung der Verwaltung nennen, bei der wir aber freilich je nach dem Vorwiegen des einen oder des andern der obigen Momente die folgenden drei übrigens leicht verſtändlichen und unſern Leſern gewiß meiſt bekannten Grundformen unterſcheiden:
I. Die erſte und natürlichſte, wenn auch unvollſtändigſte iſt die,
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lichen Rechts aller, auch der detaillirteſten Verwaltungszweige eingeht.
In dieſer Beziehung iſt er kaum erreicht, geſchweige denn übertroffen;
ſein Werk iſt ein Monument deutſchen Fleißes und deutſcher gelehrter
Zuverläſſigkeit, aber jeder höheren Anknüpfung baar. Doch wird die
künftige Geſchichte der Verwaltung den Mann als den Vitriarius der
Verwaltungsrechtskunde dereinſt zu würdigen wiſſen. Hinter ihm ent-
ſteht eine große Lücke, die nur die Sammlung von Bergius einiger-
maßen ausfüllt. „Teutſchland überhaupt“ war nicht mehr da. Die
einzelnen „Staaten“ Deutſchlands conſtituiren und ordnen ſich. Jeder
von ihnen hat nun, wenn auch keine Verfaſſung, ſo doch eine Verwal-
tung. Die Kenntniß dieſer Verwaltung iſt für die Aemter nach wie
vor nothwendig. Der Gedanke eines Verwaltungsrechtes iſt dabei zwar
nothwendig und natürlich, aber er iſt neu. Man braucht daher Zeit,
bevor man ihn verarbeitet; unterdeſſen aber wird der concrete Inhalt
deſſelben mit dem öffentlichen oder Staatsrecht überhaupt verſchmolzen
und ſo demſelben das erſte Element ſeiner neuen Geſtalt gegeben. Allein
mitten in dieſer Verſchmelzung erhält ſich die Erkenntniß, daß die Ver-
waltung denn doch ein beſonderes Gebiet ſei, und daß es ſchwierig
ſcheinen müſſe, gewiſſe Dinge, wie z. B. Zählungen, oder Maß- und
Gewichtsordnungen u. dergl. als „Staatsrecht“ zu bezeichnen. Auch
war denn doch die Idee der alten eudämoniſtiſchen Staatsphiloſophen
nicht ſo ganz verſchwunden, daß nicht der Gedanke einer innern, mit
dem Staatswohl als letzten Aufgabe gegebenen Einheit jener Verwal-
tungsgeſetze und Verordnungen übrig geblieben wäre. Daran endlich
ſchloß ſich das rein praktiſche Bedürfniß der amtlichen Verwaltung, über
die Maſſe dieſer Geſetze eine Ueberſicht zu haben. Alle dieſe Momente
zuſammengenommen erzeugten nun jene mehr oder weniger ſyſtematiſche
Sammlungen, welche die Verwaltungsgeſetzgebung für ſich in ein Ganzes,
als zunächſt äußerlich, dann auch innerlich von dem übrigen Staatsrecht
geſchieden, umfaſſen. Man kann in dieſer rein juriſtiſchen Geſtal-
tung der Wiſſenſchaft der Verwaltung, die wir mit dem Ausdruck der
„Verwaltungsgeſetzkunde“ am kürzeſten bezeichnen, in drei Formen
verfolgen.
In ihnen nämlich entſtand die Geſammtheit jener Behandlungen der
Verwaltung und des Verwaltungsrechts, die wir als die Verbindung
der Verwaltungslehre mit dem Staatsrecht oder die öffentlich recht-
liche Behandlung der Verwaltung nennen, bei der wir aber
freilich je nach dem Vorwiegen des einen oder des andern der obigen
Momente die folgenden drei übrigens leicht verſtändlichen und unſern
Leſern gewiß meiſt bekannten Grundformen unterſcheiden:
I. Die erſte und natürlichſte, wenn auch unvollſtändigſte iſt die,
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/57>, abgerufen am 23.02.2025.
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