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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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noch vertrat, hatte auch ſeinerſeits keine Idee des Staats; die großen
Wahrheiten, welche innerhalb der einzelnen Zweige der Verwaltung
ſelbſtändige Arbeiten erzeugten, entbehrten der organiſchen Verbindung
in einem gemeinſamen Begriffe; das was von der alten Polizeiwiſſen-
ſchaft übrig war, wie die Bücher von Jacobs u. a., war zu unbedeu-
tend, um irgend einen Einfluß auszuüben; und ſo geſchah es in ein-
facher Weiſe, daß ſich die größeren Ideen der Verwaltung, die Geſammt-
auffaſſung derſelben auch in Deutſchland in das Gebiet flüchteten, wo
ſie in Frankreich und England blühten, in das lebendige und mächtige
Gebiet der Volkswirthſchaftslehre. Zwar hatte faſt gleichzeitig mit
Quesnay der deutſche Geiſt in Sonnenfels mit der für ſeine Zeit groß-
artigen Trilogie: Polizei, Handel und Finanz den Verſuch gemacht,
die Verwaltungslehre ſelbſtändig zu erhalten und neben ihr die Finanz-
wiſſenſchaft zu begründen, aber er war zu wenig bekannt, und der
Rechtsſtaat abſorbirte alle bedeutenden Geiſter. Es war daher natür-
lich, daß die deutſche Volkswirthſchaftslehre nach fremdem Muſter die
Verwaltung mit verarbeitete, und ſelbſt Rau konnte ſich nicht davon
losmachen, ſeine Volkswirthſchaftspflege einfach als einen zweiten Theil
der Nationalökonomie aufzuſtellen. In ſpäterer Zeit hat die letztere
dieſen Weg nicht nur nicht verlaſſen, ſondern ihn ſogar ſehr bequem
gefunden. In Wirth, Roſcher, ſelbſt in Kamtz und ſo vielen andern
iſt ſogar die Rau’ſche Unterſcheidung von Volkswirthſchaft und Volks-
wirthſchaftspflege wieder verwiſcht, und ein unbeſtimmtes Etwas unter
dem Namen „Nationalökonomik“ entſtanden, in dem ſich nur noch
ſchwach das Gefühl erhielt, daß es denn doch etwas weſentlich anderes
iſt, die Geſetze, nach denen die Güter entſtehen und verbraucht werden,
und das Verhältniß des Staats zu dieſen an ſich ſelbſtändigen,
vom Staate ewig unabhängigen Geſetzen, darzuſtellen! Freilich ward
die Sache dadurch leichter; denn zuerſt bedurfte man damit keines Be-
griffes vom Staat, man bedurfte keiner Idee der Verwaltung oder orga-
niſchen Einheit, man bedurfte keiner Kritik der ſog. Polizeiwiſſenſchaft,
keiner ſchwerfälligen Bewältigung des maſſenhaften, unbeabreiteten
Stoffes des poſitiven Verwaltungsrechts, ja nicht einmal eines wiſſen-
ſchaftlichen Syſtems, ſondern nur einer mehr oder weniger zweckmäßigen
Anordnung, und konnte gelegentlich mit Reflexionen über die Verwal-
tung den Mangel der Reflexion über das Weſen der Güter erſetzen und
ausfüllen. Doch es iſt hier nicht der Platz, eine Kritik dieſer Ab-
hängigkeit von England, in dem die Verwaltung zu wenig, und von
Frankreich, in dem ſie zu viel zu thun hat, zu geben. Gewiß iſt nur
das Eine, daß dieſe Verſchmelzung von Nationalökonomie und Ver-
waltung die wichtige Folge hatte, die Vorſtellung von der Aufgabe der

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/63>, abgerufen am 23.02.2025.