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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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Quesnay nicht eingefallen, ſeine Theorie um der Volkswirthſchaft willen
aufzuſtellen. Er wollte vielmehr nur die Geſetze der Volkswirth-
ſchaft als die einzige und wahre Grundlage für die Auf-
gabe der Verwaltung
darlegen. Der Reichthum und die Macht
von König und Staat war der Zweck ſeiner Arbeiten, das Princip
ſeiner Lehre, und nur dadurch wird ſie eigentlich verſtändlich. Es iſt
nicht unſere Sache, dieß genauer aufzuführen. Wohl aber liegt der
tiefe Unterſchied der damals noch herrſchenden eudämoniſtiſchen Staats-
idee und ſeiner Schule klar genug vor. Dieſe ſucht die Wohlfahrt in
einer abſtracten Idee der ſittlichen Vollendung des Menſchen; die Phyſio-
kraten ſind die erſten, welche die Begründung derſelben durch
die Geſetze der Volkswirthſchaft
ſyſtematiſch entwickelten. Mag
man ſonſt über ihre Meinungen und Lehren denken, wie man will, auf
dieſem Punkte haben ſie gewaltige Bahn gebrochen. Durch ſie iſt die
Verſchmelzung der ſyſtematiſchen Volkswirthſchaftslehre zu einer hundert
Jahre hindurch in Europa herrſchenden Thatſache geworden. Wenn
Europa auch nicht ihre Theorie annahm, das Ziel derſelben ward
allenthalben angenommen. Und dieſe Richtung kam nun zum ent-
ſcheidenden Siege, als Adam Smith von ſeinem urſprünglich rein philo-
ſophiſchen, abſtracten Standpunkt aus, den Bucle in ſeiner History
of the Civilisation of England
ſo wahr als den des ſchottiſchen Geiſtes
bezeichnet, ſein Werk über den Reichthum ſchrieb. Wie es Quesnay
nicht eingefallen war, eine Nationalökonomie zu lehren, ſo fiel es Smith
nicht ein, eine Verwaltungslehre zu ſchreiben. Und dennoch hat Quesnay
einen entſcheidenden Einfluß auf die Volkswirthſchaft gehabt, und Adam
Smith iſt es, der der Verwaltung und der Verwaltungslehre zum Theil
eine neue Geſtalt gegeben hat. Sein ganzes Werk beginnt auf jedem
Punkt mit den Principien der Volkswirthſchaft, und endet mit den
leitenden Grundſätzen für die Verwaltung
. Selbſt ſein größter
Gedanke, der des Freihandels, wird eine adminiſtrative Forderung. Es
iſt unmöglich, dieß Werk zu leſen, ohne das auf jeder Seite, in jedem
ſeiner reichen Citate zu verkennen, wenn man weiß, was Verwaltung
iſt. Hat man aber den Begriff derſelben nicht, oder fragt man
nicht darnach, ſo iſt es freilich auch klar, daß die Verwaltung, die ſich
ſo unbedingt der Nationalökonomie hingibt, dabei ſelbſt nichts anderes
werden kann als eben ein natürlicher Theil der Nationalökonomie. Und
jenen Begriff hatte man eben nicht, als jene franzöſiſch-engliſche Be-
wegung nach Deutſchland kam. Es war im Anfang unſeres Jahrhun-
derts. Der Wohlfahrtsſtaat war zu Grunde gegangen, der Rechtsſtaat
begann ſich mit ſeiner vollen Gleichgültigkeit gegen die Verwaltung zu
entwickeln; das Verwaltungsrecht, welches allein die Idee der letztern

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/62>, abgerufen am 23.02.2025.