Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.die das Neueste für ihren Inhalt aus dem österreichischen Sanitäts- Die Organisation des Gesundheitswesens in England, obwohl Stein, die Verwaltungslehre. III. 3
die das Neueſte für ihren Inhalt aus dem öſterreichiſchen Sanitäts- Die Organiſation des Geſundheitsweſens in England, obwohl Stein, die Verwaltungslehre. III. 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0049" n="33"/> die das Neueſte für ihren Inhalt aus dem öſterreichiſchen Sanitäts-<lb/> Normale von 1770 nimmt, während die Form franzöſiſch iſt. Es<lb/> werden hier <hi rendition="#g">alle</hi> Verhältniſſe des Geſundheitsweſens polizeilich normirt,<lb/> und dieſe Herſtellung des Zuſtandes Deutſchlands im vorigen Jahrhun-<lb/> dert iſt ein großer Fortſchritt für ein Reich, das bisher in dieſer Be-<lb/> ziehung überhaupt noch keinen Zuſtand hatte. (Siehe <hi rendition="#g">Auſtria</hi> 1865,<lb/> Seite 326.)</p><lb/> <p>Die Organiſation des Geſundheitsweſens in <hi rendition="#g">England</hi>, obwohl<lb/> an ſich ohne beſondere Bedeutung, bietet dagegen von einer andern<lb/> Seite ein großes Intereſſe dar. Sie liefert nämlich den Beweis, daß<lb/> die Ueberlaſſung des Geſundheitsweſens an die ausſchließliche Funktion<lb/> der Selbſtverwaltung in unſerer Zeit auch bei der freieſten Form der<lb/> letzteren <hi rendition="#g">nicht mehr möglich iſt</hi>, ſondern nothwendig im Geſammt-<lb/> intereſſe einer ſtaatlichen Ordnung bedarf, ein Satz, deſſen Wahrheit<lb/> vor zwei Jahren auch <hi rendition="#g">Holland</hi> bethätigt hat. Der Gang der Ent-<lb/> wicklung und gegenwärtige Charakter der engliſchen Organiſation ſind<lb/> im Weſentlichen folgende. Bis zum Auftreten der Cholera gab es in<lb/> England weder eine allgemeine Geſundheitsgeſetzgebung, noch auch eine<lb/> Geſundheitsbehörde. Die ganze Angelegenheit war ausſchließlich Sache<lb/> der Gemeinden. Erſt mit dem Jahr 1838 beginnt das Streben, dieſer<lb/> Selbſtverwaltung eine ſtaatliche an die Seite zu ſetzen. Dieſe Bewegung<lb/> zieht ſich in engliſcher Weiſe durch zehn lange Jahre durch das Unter-<lb/> haus, bis man endlich zu folgendem Syſtem gelangte: <hi rendition="#aq">a)</hi> die örtlichen<lb/> Behörden (Friedensrichter) haben die geſundheitspolizeilichen Vorſchriften<lb/> der <hi rendition="#aq">Nuisances Removal Act</hi> von 1848, theils auf Grundlage von<lb/> Privatklagen, polizeilich durchzuführen, <hi rendition="#g">ohne</hi> Beirath von Fachmännern;<lb/><hi rendition="#aq">b)</hi> in größern und volkreichen Orten wird ein <hi rendition="#g">Geſundheitsrath</hi>, der<lb/><hi rendition="#aq">Local Board of Health,</hi> aufgeſtellt, <hi rendition="#g">wenn</hi> entweder ein Zehntheil der<lb/> Steuerzahler es verlangt, <hi rendition="#g">oder</hi> die Mortalitätsziffer 23 per 1000 über-<lb/> ſteigt; <hi rendition="#aq">c)</hi> für die allgemeine Verwaltung und Oberaufſicht wird ein<lb/><hi rendition="#aq">General Board of Health</hi> errichtet, welcher die <hi rendition="#g">gerichtliche Inſtanz</hi><lb/> für Beſchwerden bildet, und durch Inſpektoren ſich über die geſundheit-<lb/> lichen Zuſtände der betreffenden Orte unterrichten kann. Das waren die<lb/> Grundzüge der <hi rendition="#aq">Public Health Act 11, 12 Vict. c.</hi> 63. (1848), welche<lb/> die Vollzugsbeſtimmung der <hi rendition="#aq">Nuisances Removal Act</hi> von demſelben<lb/> Jahr enthielt (ſ. oben). Natürlich war dies ein kläglicher Verſuch, eine<lb/> Organiſation des Geſundheitsweſens herzuſtellen, da dabei alles den<lb/> zufälligen Verhältniſſen und Perſönlichkeiten der einzelnen Gemeinden<lb/> überlaſſen ward, und dieſe ſich ſcheuten, die Steuer für die <hi rendition="#aq">Local<lb/> Boards</hi> mit ihrem theuren Perſonal und geringer Leiſtung ſich ſelber<lb/> aufzulegen. Es erſchien daher bald nothwendig, da die Geſetzgebung<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Stein</hi>, die Verwaltungslehre. <hi rendition="#aq">III.</hi> 3</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [33/0049]
die das Neueſte für ihren Inhalt aus dem öſterreichiſchen Sanitäts-
Normale von 1770 nimmt, während die Form franzöſiſch iſt. Es
werden hier alle Verhältniſſe des Geſundheitsweſens polizeilich normirt,
und dieſe Herſtellung des Zuſtandes Deutſchlands im vorigen Jahrhun-
dert iſt ein großer Fortſchritt für ein Reich, das bisher in dieſer Be-
ziehung überhaupt noch keinen Zuſtand hatte. (Siehe Auſtria 1865,
Seite 326.)
Die Organiſation des Geſundheitsweſens in England, obwohl
an ſich ohne beſondere Bedeutung, bietet dagegen von einer andern
Seite ein großes Intereſſe dar. Sie liefert nämlich den Beweis, daß
die Ueberlaſſung des Geſundheitsweſens an die ausſchließliche Funktion
der Selbſtverwaltung in unſerer Zeit auch bei der freieſten Form der
letzteren nicht mehr möglich iſt, ſondern nothwendig im Geſammt-
intereſſe einer ſtaatlichen Ordnung bedarf, ein Satz, deſſen Wahrheit
vor zwei Jahren auch Holland bethätigt hat. Der Gang der Ent-
wicklung und gegenwärtige Charakter der engliſchen Organiſation ſind
im Weſentlichen folgende. Bis zum Auftreten der Cholera gab es in
England weder eine allgemeine Geſundheitsgeſetzgebung, noch auch eine
Geſundheitsbehörde. Die ganze Angelegenheit war ausſchließlich Sache
der Gemeinden. Erſt mit dem Jahr 1838 beginnt das Streben, dieſer
Selbſtverwaltung eine ſtaatliche an die Seite zu ſetzen. Dieſe Bewegung
zieht ſich in engliſcher Weiſe durch zehn lange Jahre durch das Unter-
haus, bis man endlich zu folgendem Syſtem gelangte: a) die örtlichen
Behörden (Friedensrichter) haben die geſundheitspolizeilichen Vorſchriften
der Nuisances Removal Act von 1848, theils auf Grundlage von
Privatklagen, polizeilich durchzuführen, ohne Beirath von Fachmännern;
b) in größern und volkreichen Orten wird ein Geſundheitsrath, der
Local Board of Health, aufgeſtellt, wenn entweder ein Zehntheil der
Steuerzahler es verlangt, oder die Mortalitätsziffer 23 per 1000 über-
ſteigt; c) für die allgemeine Verwaltung und Oberaufſicht wird ein
General Board of Health errichtet, welcher die gerichtliche Inſtanz
für Beſchwerden bildet, und durch Inſpektoren ſich über die geſundheit-
lichen Zuſtände der betreffenden Orte unterrichten kann. Das waren die
Grundzüge der Public Health Act 11, 12 Vict. c. 63. (1848), welche
die Vollzugsbeſtimmung der Nuisances Removal Act von demſelben
Jahr enthielt (ſ. oben). Natürlich war dies ein kläglicher Verſuch, eine
Organiſation des Geſundheitsweſens herzuſtellen, da dabei alles den
zufälligen Verhältniſſen und Perſönlichkeiten der einzelnen Gemeinden
überlaſſen ward, und dieſe ſich ſcheuten, die Steuer für die Local
Boards mit ihrem theuren Perſonal und geringer Leiſtung ſich ſelber
aufzulegen. Es erſchien daher bald nothwendig, da die Geſetzgebung
Stein, die Verwaltungslehre. III. 3
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