Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.die Verwaltung im Stiche ließ, auf dem Wege der ministeriellen Ver- Einen ganz ähnlichen Entwicklungsgang hat nun in neuester Zeit die Verwaltung im Stiche ließ, auf dem Wege der miniſteriellen Ver- Einen ganz ähnlichen Entwicklungsgang hat nun in neueſter Zeit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0050" n="34"/> die Verwaltung im Stiche ließ, auf dem Wege der miniſteriellen Ver-<lb/> ordnung für dieſelbe zu ſorgen. Das Element der letzteren lag ſchon<lb/> in der früheren Beſtimmung, daß das <hi rendition="#aq">Privy Council</hi> bei gemein-<lb/> gefährlichen Zuſtänden beſondere <hi rendition="#aq">Ordres in Council</hi> (königliche Verord-<lb/> nungen) erlaſſen konnte und, wie bei Epidemien, auch wirklich erließ.<lb/> Dieſer Keim ward zu dem Beginn eines Syſtems entwickelt durch die<lb/> Uebertragung der Funktion des <hi rendition="#aq">General Board</hi> an das <hi rendition="#aq">Privy Council</hi><lb/> ſelbſt, unter Auflöſung des erſteren durch 21, 22 <hi rendition="#aq">Vict.</hi> 97 und 24, 25<lb/><hi rendition="#aq">Vict.</hi> 3, ſo daß jetzt das Geſundheitsweſen eine Art von miniſteriellem<lb/> Departement bildet, wie etwa die <hi rendition="#aq">Committee for Education</hi>. (Vergl.<lb/><hi rendition="#g">Vollziehende Gewalt</hi> S. 269 ff.) Dieſes Departement hat nun<lb/> für die einzelnen Punkte der Sanitätspolizei manches gethan, was unten<lb/> angeführt werden ſoll. Allein noch blieb die Organiſation des Medici-<lb/> nalweſens übrig. Dieſe ward nun durch die <hi rendition="#aq">Medical Act</hi> 1858 (21,<lb/> 22 <hi rendition="#aq">Vict.</hi> 90) und die Einſetzung des <hi rendition="#aq">General Council of Medical Edu-<lb/> cation</hi> gegeben. Dieſer <hi rendition="#aq">General Council</hi> hat im Weſentlichen die Funk-<lb/> tion des preußiſchen Obermedicinalcollegiums. Er theilt ſich in drei<lb/> Abtheilungen für England, Schottland und Irland, und hat haupt-<lb/> ſächlich die Prüfung, Anſtellung und mediciniſche Disciplin des <hi rendition="#g">Heil-<lb/> perſonals</hi> zu verwalten. Die Mitglieder dieſer Prüfungscommiſſion<lb/> werden zum überwiegenden Theile gewählt, und von ihr aus iſt in<lb/> England eigentlich erſt ein Recht und eine Ordnung der ärztlichen Praxis<lb/> entſtanden (ſ. unten). Weiter iſt man in England noch nicht. Es iſt<lb/> klar, daß die Schwäche dieſes Syſtems darin beſteht, daß wenn die<lb/><hi rendition="#aq">Local Boards</hi> ihre Schuldigkeit nicht thun, nur <hi rendition="#g">erſt dann</hi> die Ver-<lb/> ordnungsgewalt des <hi rendition="#aq">Privy Council</hi> einſchreitet, was bei dem <hi rendition="#g">ſehr</hi> nied-<lb/> rigen Stande der ärztlichen Bildung und bei der Abneigung gegen alles<lb/> Verordnungsrecht natürlich nur im äußerſten Falle vorkommt. <hi rendition="#g">Daher</hi><lb/> denn mit wenigen Ausnahmen in einzelnen Punkten die große Ungleich-<lb/> mäßigkeit und Langſamkeit in aller Verwaltung des Geſundheitsweſens<lb/> in England. Das Urtheil, welches <hi rendition="#g">Gneiſt</hi> in ſeiner zweiten Auflage<lb/> des <hi rendition="#g">Engliſchen Verwaltungsrechts</hi> <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 113 und 114 darüber<lb/> fällt, iſt eben ſo richtig, als ſeine Darſtellung klar und gründlich iſt.</p><lb/> <p>Einen ganz ähnlichen Entwicklungsgang hat nun in neueſter Zeit<lb/><hi rendition="#g">Holland</hi> durchgemacht, jedoch in einer viel praktiſcheren, dem Charakter<lb/> der continentalen Rechtsbildung entſprechenden Weiſe. Auch hier hatten<lb/> bis auf die neueſte Zeit die Gemeinden ausſchließlich das Recht, für<lb/> die Geſundheitspolizei zu ſorgen. „Nachdem die Regierung zum großen<lb/> Nachtheil der Gemeinſchaft in dieſer ſo hochwichtigen Sache ſeit den<lb/> letzten Jahren nichts gethan hat,“ werden endlich der Kammer 1864<lb/> Entwürfe vorgelegt (de Boſch-Kemper a. a. O. 812), aus denen das<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [34/0050]
die Verwaltung im Stiche ließ, auf dem Wege der miniſteriellen Ver-
ordnung für dieſelbe zu ſorgen. Das Element der letzteren lag ſchon
in der früheren Beſtimmung, daß das Privy Council bei gemein-
gefährlichen Zuſtänden beſondere Ordres in Council (königliche Verord-
nungen) erlaſſen konnte und, wie bei Epidemien, auch wirklich erließ.
Dieſer Keim ward zu dem Beginn eines Syſtems entwickelt durch die
Uebertragung der Funktion des General Board an das Privy Council
ſelbſt, unter Auflöſung des erſteren durch 21, 22 Vict. 97 und 24, 25
Vict. 3, ſo daß jetzt das Geſundheitsweſen eine Art von miniſteriellem
Departement bildet, wie etwa die Committee for Education. (Vergl.
Vollziehende Gewalt S. 269 ff.) Dieſes Departement hat nun
für die einzelnen Punkte der Sanitätspolizei manches gethan, was unten
angeführt werden ſoll. Allein noch blieb die Organiſation des Medici-
nalweſens übrig. Dieſe ward nun durch die Medical Act 1858 (21,
22 Vict. 90) und die Einſetzung des General Council of Medical Edu-
cation gegeben. Dieſer General Council hat im Weſentlichen die Funk-
tion des preußiſchen Obermedicinalcollegiums. Er theilt ſich in drei
Abtheilungen für England, Schottland und Irland, und hat haupt-
ſächlich die Prüfung, Anſtellung und mediciniſche Disciplin des Heil-
perſonals zu verwalten. Die Mitglieder dieſer Prüfungscommiſſion
werden zum überwiegenden Theile gewählt, und von ihr aus iſt in
England eigentlich erſt ein Recht und eine Ordnung der ärztlichen Praxis
entſtanden (ſ. unten). Weiter iſt man in England noch nicht. Es iſt
klar, daß die Schwäche dieſes Syſtems darin beſteht, daß wenn die
Local Boards ihre Schuldigkeit nicht thun, nur erſt dann die Ver-
ordnungsgewalt des Privy Council einſchreitet, was bei dem ſehr nied-
rigen Stande der ärztlichen Bildung und bei der Abneigung gegen alles
Verordnungsrecht natürlich nur im äußerſten Falle vorkommt. Daher
denn mit wenigen Ausnahmen in einzelnen Punkten die große Ungleich-
mäßigkeit und Langſamkeit in aller Verwaltung des Geſundheitsweſens
in England. Das Urtheil, welches Gneiſt in ſeiner zweiten Auflage
des Engliſchen Verwaltungsrechts II. S. 113 und 114 darüber
fällt, iſt eben ſo richtig, als ſeine Darſtellung klar und gründlich iſt.
Einen ganz ähnlichen Entwicklungsgang hat nun in neueſter Zeit
Holland durchgemacht, jedoch in einer viel praktiſcheren, dem Charakter
der continentalen Rechtsbildung entſprechenden Weiſe. Auch hier hatten
bis auf die neueſte Zeit die Gemeinden ausſchließlich das Recht, für
die Geſundheitspolizei zu ſorgen. „Nachdem die Regierung zum großen
Nachtheil der Gemeinſchaft in dieſer ſo hochwichtigen Sache ſeit den
letzten Jahren nichts gethan hat,“ werden endlich der Kammer 1864
Entwürfe vorgelegt (de Boſch-Kemper a. a. O. 812), aus denen das
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