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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.

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Gesetz vom 1. Juni über die Staatsoberaufsicht des Gesundheitswesens
(geneeskundig Staatstoezigt) hervorging. Dasselbe hat eine förmliche
und ziemlich vollständige Organisation der staatlichen Verwaltung an
die Spitze der örtlichen Gemeindeverwaltungen gestellt. Diese Organi-
sation besteht aus den "Inspecteurs" und "Adjunct inspecteurs" und
einem Medicinalrath (geneeskundig raaden), welche dem Ministerium
des Innern untergeordnet sind. Die ersteren bilden einen förmlichen
amtlichen Körper (geneeskundige ambtenaren), welche für eine oder
mehrere Provinzen den "Rath" berufen, der aus sechs bis zehn Aerzten,
zwei bis sechs Apothekern und einem Rechtskundigen besteht. Die Funk-
tion der Inspektoren ist wesentlich statistischer Natur mit jährlichem
Bericht
an den Minister und den gedeputeerde Staaten; der Rath
wird mindestens zweimal jährlich berufen, in öffentlicher Versamm-
lung; auf Antrag der Hälfte der Mitglieder tritt er selbst zusammen;
der Inspektor hat an ihn zu berichten, und unter (allerdings nicht
genau bestimmten) Voraussetzungen kann er auch Beschlüsse fassen. Auch
werden die Mitglieder ernannt. Diese Organisation hat die Oberaufsicht
über die im übrigen selbstthätige Wirksamkeit der Gemeinden und würde
etwa einer medicinischen Sektion in unsern Landtagen entsprechen. Die
Einrichtung ist neu, erscheint aber als eine vortreffliche. Die allgemeine
Auffassung s. oben de Bosch-Kemper S. 813. Ueber die gleichzeitige
Organisation des Heilpersonals s. unten. -- In Belgien ist dagegen
der ganz communale Charakter der Gesundheitspolizei noch erhalten.
"Les mesures d'hygiene publique appartiennent, en general, a
l'autorite communale. Elle prend les mesures de police qu'elle
juge necessaires ou utiles dans l'interet de la salubrite publique."

(De Fooz.) Doch ist das Recht und die Pflicht des Staates, das
Seinige zu thun, anerkannt, wenn auch in nur ziemlich abstracter
Weise. Die höhere Organisation beruht auf der Academie de mede-
cine
als höchster berathenden Behörde (Reglement vom 26. März 1842)
und den provinziellen Commissions de sante, die vom König ernannt
werden und gleichfalls örtliche berathende Behörden sind, zugleich aber
das Recht der Praxis für Spezialzweige der Heilkunde ertheilen. (Gesetz
vom 12. März 1818.) Durch diese Institute und auf Grundlage jener
allmählig Platz greifenden Ansicht sind seit 1848 Comites locaux de
salubrite
allenthalben eingesetzt (Arr. vom 12. December 1848) und
die gesammte Gesundheitspflege ist im Allgemeinen dem Ministerium
des Innern untergeordnet, das durch einen Inspecteur general eine
unklar formulirte Oberaufsicht ausüben läßt; namentlich hat der In-
spektor Bericht zu erstatten und Vorschläge zu machen. (Arr. vom 18.
September 1845.) De Fooz, Droit administratif belge III. p. 106,

Geſetz vom 1. Juni über die Staatsoberaufſicht des Geſundheitsweſens
(geneeskundig Staatstoezigt) hervorging. Daſſelbe hat eine förmliche
und ziemlich vollſtändige Organiſation der ſtaatlichen Verwaltung an
die Spitze der örtlichen Gemeindeverwaltungen geſtellt. Dieſe Organi-
ſation beſteht aus den „Inspecteurs“ und „Adjunct inspecteurs“ und
einem Medicinalrath (geneeskundig raaden), welche dem Miniſterium
des Innern untergeordnet ſind. Die erſteren bilden einen förmlichen
amtlichen Körper (geneeskundige ambtenaren), welche für eine oder
mehrere Provinzen den „Rath“ berufen, der aus ſechs bis zehn Aerzten,
zwei bis ſechs Apothekern und einem Rechtskundigen beſteht. Die Funk-
tion der Inſpektoren iſt weſentlich ſtatiſtiſcher Natur mit jährlichem
Bericht
an den Miniſter und den gedeputeerde Staaten; der Rath
wird mindeſtens zweimal jährlich berufen, in öffentlicher Verſamm-
lung; auf Antrag der Hälfte der Mitglieder tritt er ſelbſt zuſammen;
der Inſpektor hat an ihn zu berichten, und unter (allerdings nicht
genau beſtimmten) Vorausſetzungen kann er auch Beſchlüſſe faſſen. Auch
werden die Mitglieder ernannt. Dieſe Organiſation hat die Oberaufſicht
über die im übrigen ſelbſtthätige Wirkſamkeit der Gemeinden und würde
etwa einer mediciniſchen Sektion in unſern Landtagen entſprechen. Die
Einrichtung iſt neu, erſcheint aber als eine vortreffliche. Die allgemeine
Auffaſſung ſ. oben de Boſch-Kemper S. 813. Ueber die gleichzeitige
Organiſation des Heilperſonals ſ. unten. — In Belgien iſt dagegen
der ganz communale Charakter der Geſundheitspolizei noch erhalten.
„Les mesures d’hygiène publique appartiennent, en général, à
l’autorité communale. Elle prend les mesures de police qu’elle
juge nécessaires ou utiles dans l’intérêt de la salubrité publique.“

(De Fooz.) Doch iſt das Recht und die Pflicht des Staates, das
Seinige zu thun, anerkannt, wenn auch in nur ziemlich abſtracter
Weiſe. Die höhere Organiſation beruht auf der Académie de méde-
cine
als höchſter berathenden Behörde (Reglement vom 26. März 1842)
und den provinziellen Commissions de santé, die vom König ernannt
werden und gleichfalls örtliche berathende Behörden ſind, zugleich aber
das Recht der Praxis für Spezialzweige der Heilkunde ertheilen. (Geſetz
vom 12. März 1818.) Durch dieſe Inſtitute und auf Grundlage jener
allmählig Platz greifenden Anſicht ſind ſeit 1848 Comités locaux de
salubrité
allenthalben eingeſetzt (Arr. vom 12. December 1848) und
die geſammte Geſundheitspflege iſt im Allgemeinen dem Miniſterium
des Innern untergeordnet, das durch einen Inspecteur général eine
unklar formulirte Oberaufſicht ausüben läßt; namentlich hat der In-
ſpektor Bericht zu erſtatten und Vorſchläge zu machen. (Arr. vom 18.
September 1845.) De Fooz, Droit administratif belge III. p. 106,

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[35/0051] Geſetz vom 1. Juni über die Staatsoberaufſicht des Geſundheitsweſens (geneeskundig Staatstoezigt) hervorging. Daſſelbe hat eine förmliche und ziemlich vollſtändige Organiſation der ſtaatlichen Verwaltung an die Spitze der örtlichen Gemeindeverwaltungen geſtellt. Dieſe Organi- ſation beſteht aus den „Inspecteurs“ und „Adjunct inspecteurs“ und einem Medicinalrath (geneeskundig raaden), welche dem Miniſterium des Innern untergeordnet ſind. Die erſteren bilden einen förmlichen amtlichen Körper (geneeskundige ambtenaren), welche für eine oder mehrere Provinzen den „Rath“ berufen, der aus ſechs bis zehn Aerzten, zwei bis ſechs Apothekern und einem Rechtskundigen beſteht. Die Funk- tion der Inſpektoren iſt weſentlich ſtatiſtiſcher Natur mit jährlichem Bericht an den Miniſter und den gedeputeerde Staaten; der Rath wird mindeſtens zweimal jährlich berufen, in öffentlicher Verſamm- lung; auf Antrag der Hälfte der Mitglieder tritt er ſelbſt zuſammen; der Inſpektor hat an ihn zu berichten, und unter (allerdings nicht genau beſtimmten) Vorausſetzungen kann er auch Beſchlüſſe faſſen. Auch werden die Mitglieder ernannt. Dieſe Organiſation hat die Oberaufſicht über die im übrigen ſelbſtthätige Wirkſamkeit der Gemeinden und würde etwa einer mediciniſchen Sektion in unſern Landtagen entſprechen. Die Einrichtung iſt neu, erſcheint aber als eine vortreffliche. Die allgemeine Auffaſſung ſ. oben de Boſch-Kemper S. 813. Ueber die gleichzeitige Organiſation des Heilperſonals ſ. unten. — In Belgien iſt dagegen der ganz communale Charakter der Geſundheitspolizei noch erhalten. „Les mesures d’hygiène publique appartiennent, en général, à l’autorité communale. Elle prend les mesures de police qu’elle juge nécessaires ou utiles dans l’intérêt de la salubrité publique.“ (De Fooz.) Doch iſt das Recht und die Pflicht des Staates, das Seinige zu thun, anerkannt, wenn auch in nur ziemlich abſtracter Weiſe. Die höhere Organiſation beruht auf der Académie de méde- cine als höchſter berathenden Behörde (Reglement vom 26. März 1842) und den provinziellen Commissions de santé, die vom König ernannt werden und gleichfalls örtliche berathende Behörden ſind, zugleich aber das Recht der Praxis für Spezialzweige der Heilkunde ertheilen. (Geſetz vom 12. März 1818.) Durch dieſe Inſtitute und auf Grundlage jener allmählig Platz greifenden Anſicht ſind ſeit 1848 Comités locaux de salubrité allenthalben eingeſetzt (Arr. vom 12. December 1848) und die geſammte Geſundheitspflege iſt im Allgemeinen dem Miniſterium des Innern untergeordnet, das durch einen Inspecteur général eine unklar formulirte Oberaufſicht ausüben läßt; namentlich hat der In- ſpektor Bericht zu erſtatten und Vorſchläge zu machen. (Arr. vom 18. September 1845.) De Fooz, Droit administratif belge III. p. 106,

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre03_1867/51>, abgerufen am 21.11.2024.