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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.

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von der alten Begräbnißordnung wesentlich verschiedenes eigentliches
Begräbnißwesen, das fast ausschließlich gesundheitspolizeilicher Natur
ist. Dasselbe enthält wieder einzelne bestimmte Gebiete. Man kann
dieselben wohl in folgender Weise bezeichnen. Die Begräbnißord-
nung
bestimmt die Zeit und wie in Frankreich zum Theil auch die
materielle Ordnung des Begräbnisses (pompes funebres). Die Leichen-
kammerordnung
enthält die Bestimmungen über die Errichtung und
Benützung der Leichenkammern. Endlich die Friedhofsordnung,
beginnend mit der Entfernung der Friedhöfe aus den Kirchen und
Städten, wird zu einer zum Theil sehr ausgebildeten Organisirung der
Ordnung der Begräbnißplätze. Die Einführung der Codifikationen mit
dem Anfang unseres Jahrhunderts hat nun den wesentlich juristischen
Theil dieser Bestimmungen in die bürgerlichen Rechtsbücher verlegt und
die Befolgung der gesundheitspolizeilichen Vorschriften mit gesetzlichen,
statt den früheren rein polizeilichen Strafen gesichert. Daneben haben
die Organe der Gesundheitsverwaltung das Recht behalten, verordnungs-
mäßige Bestimmungen zu erlassen, zugleich aber sind in einzelnen Staaten
ausführliche und systematische Instruktionen für Todten- und Be-
gräbnißpolizei erlassen, so daß das Ganze ein sehr abgerundetes System
bildet. Doch ist das geltende Recht der einzelnen Länder auch hier sehr
verschieden. In England besteht die Todtenpolizei nur als (strafgericht-
licher) Act der Coroners Jury, und die Begräbnißpolizei ist gesetzlich
nur Friedhofspolizei, jedoch mit dem Vorrecht der Selbstverwaltung
(bye laws), die überhaupt das Gesundheitswesen wenig fördert. In
Frankreich hat die Todtenpolizei vorwiegend einen bürgerlich-rechtlichen
Charakter und ist der Ordnung des Etat civil einverleibt, wobei das
sanitäre Element selbständig fast nur in der Friedhofsordnung erscheint.
In Deutschland dagegen ist ein reiches Material sowohl für die Todten-
beschau, als für die Begräbniß-, Leichenkammer- und Friedhofsordnung,
wobei das juristische Element deutlich geschieden und das sanitäre nament-
lich durch genaue Instruktionen wenigstens in einigen Staaten trefflich
geordnet ist. Hier sind die deutschen Bestimmungen unzweifelhaft als
Muster anzusehen; freilich auch hier wieder nach der Regel, daß alle
Gesundheitsverwaltung nach der Dichtigkeit der Bevölkerung steigt, in
den großen Städten viel ausgebildeter als auf dem flachen Lande, wo
fast nur den Anforderungen der Standesregister Rechnung getragen wird.


Gesetzgebung. England. Ueber die Coroners Jury als ge-
schworne Todtenbeschau siehe u. a. Gneist, Engl. Verwaltungsrecht.
Die Begräbnißordnung auch jetzt noch ohne Gesetz; Leichenkammern

von der alten Begräbnißordnung weſentlich verſchiedenes eigentliches
Begräbnißweſen, das faſt ausſchließlich geſundheitspolizeilicher Natur
iſt. Daſſelbe enthält wieder einzelne beſtimmte Gebiete. Man kann
dieſelben wohl in folgender Weiſe bezeichnen. Die Begräbnißord-
nung
beſtimmt die Zeit und wie in Frankreich zum Theil auch die
materielle Ordnung des Begräbniſſes (pompes funèbres). Die Leichen-
kammerordnung
enthält die Beſtimmungen über die Errichtung und
Benützung der Leichenkammern. Endlich die Friedhofsordnung,
beginnend mit der Entfernung der Friedhöfe aus den Kirchen und
Städten, wird zu einer zum Theil ſehr ausgebildeten Organiſirung der
Ordnung der Begräbnißplätze. Die Einführung der Codifikationen mit
dem Anfang unſeres Jahrhunderts hat nun den weſentlich juriſtiſchen
Theil dieſer Beſtimmungen in die bürgerlichen Rechtsbücher verlegt und
die Befolgung der geſundheitspolizeilichen Vorſchriften mit geſetzlichen,
ſtatt den früheren rein polizeilichen Strafen geſichert. Daneben haben
die Organe der Geſundheitsverwaltung das Recht behalten, verordnungs-
mäßige Beſtimmungen zu erlaſſen, zugleich aber ſind in einzelnen Staaten
ausführliche und ſyſtematiſche Inſtruktionen für Todten- und Be-
gräbnißpolizei erlaſſen, ſo daß das Ganze ein ſehr abgerundetes Syſtem
bildet. Doch iſt das geltende Recht der einzelnen Länder auch hier ſehr
verſchieden. In England beſteht die Todtenpolizei nur als (ſtrafgericht-
licher) Act der Coroners Jury, und die Begräbnißpolizei iſt geſetzlich
nur Friedhofspolizei, jedoch mit dem Vorrecht der Selbſtverwaltung
(bye laws), die überhaupt das Geſundheitsweſen wenig fördert. In
Frankreich hat die Todtenpolizei vorwiegend einen bürgerlich-rechtlichen
Charakter und iſt der Ordnung des Etat civil einverleibt, wobei das
ſanitäre Element ſelbſtändig faſt nur in der Friedhofsordnung erſcheint.
In Deutſchland dagegen iſt ein reiches Material ſowohl für die Todten-
beſchau, als für die Begräbniß-, Leichenkammer- und Friedhofsordnung,
wobei das juriſtiſche Element deutlich geſchieden und das ſanitäre nament-
lich durch genaue Inſtruktionen wenigſtens in einigen Staaten trefflich
geordnet iſt. Hier ſind die deutſchen Beſtimmungen unzweifelhaft als
Muſter anzuſehen; freilich auch hier wieder nach der Regel, daß alle
Geſundheitsverwaltung nach der Dichtigkeit der Bevölkerung ſteigt, in
den großen Städten viel ausgebildeter als auf dem flachen Lande, wo
faſt nur den Anforderungen der Standesregiſter Rechnung getragen wird.


Geſetzgebung. England. Ueber die Coroners Jury als ge-
ſchworne Todtenbeſchau ſiehe u. a. Gneiſt, Engl. Verwaltungsrecht.
Die Begräbnißordnung auch jetzt noch ohne Geſetz; Leichenkammern

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[63/0079] von der alten Begräbnißordnung weſentlich verſchiedenes eigentliches Begräbnißweſen, das faſt ausſchließlich geſundheitspolizeilicher Natur iſt. Daſſelbe enthält wieder einzelne beſtimmte Gebiete. Man kann dieſelben wohl in folgender Weiſe bezeichnen. Die Begräbnißord- nung beſtimmt die Zeit und wie in Frankreich zum Theil auch die materielle Ordnung des Begräbniſſes (pompes funèbres). Die Leichen- kammerordnung enthält die Beſtimmungen über die Errichtung und Benützung der Leichenkammern. Endlich die Friedhofsordnung, beginnend mit der Entfernung der Friedhöfe aus den Kirchen und Städten, wird zu einer zum Theil ſehr ausgebildeten Organiſirung der Ordnung der Begräbnißplätze. Die Einführung der Codifikationen mit dem Anfang unſeres Jahrhunderts hat nun den weſentlich juriſtiſchen Theil dieſer Beſtimmungen in die bürgerlichen Rechtsbücher verlegt und die Befolgung der geſundheitspolizeilichen Vorſchriften mit geſetzlichen, ſtatt den früheren rein polizeilichen Strafen geſichert. Daneben haben die Organe der Geſundheitsverwaltung das Recht behalten, verordnungs- mäßige Beſtimmungen zu erlaſſen, zugleich aber ſind in einzelnen Staaten ausführliche und ſyſtematiſche Inſtruktionen für Todten- und Be- gräbnißpolizei erlaſſen, ſo daß das Ganze ein ſehr abgerundetes Syſtem bildet. Doch iſt das geltende Recht der einzelnen Länder auch hier ſehr verſchieden. In England beſteht die Todtenpolizei nur als (ſtrafgericht- licher) Act der Coroners Jury, und die Begräbnißpolizei iſt geſetzlich nur Friedhofspolizei, jedoch mit dem Vorrecht der Selbſtverwaltung (bye laws), die überhaupt das Geſundheitsweſen wenig fördert. In Frankreich hat die Todtenpolizei vorwiegend einen bürgerlich-rechtlichen Charakter und iſt der Ordnung des Etat civil einverleibt, wobei das ſanitäre Element ſelbſtändig faſt nur in der Friedhofsordnung erſcheint. In Deutſchland dagegen iſt ein reiches Material ſowohl für die Todten- beſchau, als für die Begräbniß-, Leichenkammer- und Friedhofsordnung, wobei das juriſtiſche Element deutlich geſchieden und das ſanitäre nament- lich durch genaue Inſtruktionen wenigſtens in einigen Staaten trefflich geordnet iſt. Hier ſind die deutſchen Beſtimmungen unzweifelhaft als Muſter anzuſehen; freilich auch hier wieder nach der Regel, daß alle Geſundheitsverwaltung nach der Dichtigkeit der Bevölkerung ſteigt, in den großen Städten viel ausgebildeter als auf dem flachen Lande, wo faſt nur den Anforderungen der Standesregiſter Rechnung getragen wird. Geſetzgebung. England. Ueber die Coroners Jury als ge- ſchworne Todtenbeſchau ſiehe u. a. Gneiſt, Engl. Verwaltungsrecht. Die Begräbnißordnung auch jetzt noch ohne Geſetz; Leichenkammern

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre03_1867/79>, abgerufen am 24.11.2024.