Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.Indem wir nun auch hier, wie in den übrigen Gebieten des Diese Rechtsbildung geht nun auch hier auf der allgemeinen Grund- Die Voraussetzung jeder juristischen Behandlung ist hier offenbar Indem wir nun auch hier, wie in den übrigen Gebieten des Dieſe Rechtsbildung geht nun auch hier auf der allgemeinen Grund- Die Vorausſetzung jeder juriſtiſchen Behandlung iſt hier offenbar <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0118" n="96"/> <p>Indem wir nun auch hier, wie in den übrigen Gebieten des<lb/> Verwaltungsrechts, das tiefere Eingehen in die einzelnen namentlich<lb/> juriſtiſchen Fragen den berufenen Fachmännern überlaſſen müſſen, iſt<lb/> es doch nicht überflüſſig, den Charakter der hiſtoriſchen Entwicklung<lb/> dieſes ſpeziellen Sicherheitspolizeirechts ſchon hier feſtzuſtellen, der<lb/> wohl eben ſo leicht zu verſtehen als zu bezeichnen ſein dürfte.</p><lb/> <p>Dieſe Rechtsbildung geht nun auch hier auf der allgemeinen Grund-<lb/> lage ihrer beiden Elemente vor ſich, des allgemeinen Princips und der<lb/> einzelnen Rechtsſätze.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Die Vorausſetzung jeder juriſtiſchen Behandlung iſt hier offenbar<lb/> die Scheidung zwiſchen dem Element des Straf- und des Polizeirechts,<lb/> und mithin zwiſchen der gerichtlichen und der Sicherheitspolizei, bei<lb/> welcher die offene Anerkennung der Nothwendigkeit der letztern, obwohl<lb/> ſie niemand formell zu läugnen wagt, doch auf große Schwierigkeit<lb/> ſtößt. Man darf ſich eben aus dem letzten Grunde nicht wundern,<lb/> daß man in dieſer Beziehung nicht weiter gekommen iſt, da jede ſolche<lb/> Anerkennung gar leicht als eine Negation des Rechts auf freie Ent-<lb/> wicklung der Verfaſſung aus den angeführten hiſtoriſchen Gründen er-<lb/> ſchien, und jeder ſich leicht für um ſo freiſinniger hielt, je rückſichts-<lb/> loſer er <hi rendition="#g">jede</hi> höhere Sicherheitspolizei verurtheilte. Daß daher England<lb/> darüber gar keine Literatur hat, wird uns nicht wundern. Aber auch<lb/> in Frankreich, wo doch die Polizei ſo thätig und mit einer ſo reichen<lb/> Literatur verſehen iſt, hat man nicht gewagt, die <hi rendition="#g">höhere</hi> Sicherheits-<lb/> polizei (<hi rendition="#aq">haute police</hi>) ernſtlich zu behandeln, da man, gleichfalls aus<lb/> hiſtoriſchen und hinreichend bekannten Gründen, in derſelben ſtets das<lb/> Element der Reaktion gegen die Entwicklung einer freien Verfaſſung<lb/> ſah, und dieſelbe meiſtens geradezu mit der „geheimen“ oder rich-<lb/> tiger der Geſinnungspolizei verwechſelte, über deren Verurtheilung<lb/> wohl alle einig ſind. Die franzöſiſche Literatur hat ſich daher auf die<lb/> einzelnen Sicherheitspolizeigeſetze beſchränkt, ohne zu einem Princip zu<lb/> gelangen. Was Deutſchland betrifft, ſo iſt hier von jeher der Muth der<lb/> wiſſenſchaftlichen Ueberzeugung ſtärker geweſen und hat daher auch die<lb/> höhere Sicherheitspolizei offene Anerkennung im Princip und offene<lb/> Bekämpfung ihrer Uebergriffe gefunden. Hier iſt der erſte <hi rendition="#g">wiſſen-<lb/> ſchaftliche</hi> Vertreter der freien Geſtaltung des Sicherheitspolizeirechts<lb/><hi rendition="#g">Aretin</hi> in ſeinem Staatsrecht der conſt. Monarchie Bd. <hi rendition="#aq">II,</hi> Abth. <hi rendition="#aq">II,</hi><lb/> deſſen letzte Arbeit (S. 177 ff. 194 bei dieſem Punkte beginnt die<lb/> Fortſetzung <hi rendition="#g">Rottecks</hi> nach dem Tode des ausgezeichneten Verfaſſers)<lb/> zu dem Trefflichſten gehört, was über die Polizei geſagt worden iſt.<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [96/0118]
Indem wir nun auch hier, wie in den übrigen Gebieten des
Verwaltungsrechts, das tiefere Eingehen in die einzelnen namentlich
juriſtiſchen Fragen den berufenen Fachmännern überlaſſen müſſen, iſt
es doch nicht überflüſſig, den Charakter der hiſtoriſchen Entwicklung
dieſes ſpeziellen Sicherheitspolizeirechts ſchon hier feſtzuſtellen, der
wohl eben ſo leicht zu verſtehen als zu bezeichnen ſein dürfte.
Dieſe Rechtsbildung geht nun auch hier auf der allgemeinen Grund-
lage ihrer beiden Elemente vor ſich, des allgemeinen Princips und der
einzelnen Rechtsſätze.
Die Vorausſetzung jeder juriſtiſchen Behandlung iſt hier offenbar
die Scheidung zwiſchen dem Element des Straf- und des Polizeirechts,
und mithin zwiſchen der gerichtlichen und der Sicherheitspolizei, bei
welcher die offene Anerkennung der Nothwendigkeit der letztern, obwohl
ſie niemand formell zu läugnen wagt, doch auf große Schwierigkeit
ſtößt. Man darf ſich eben aus dem letzten Grunde nicht wundern,
daß man in dieſer Beziehung nicht weiter gekommen iſt, da jede ſolche
Anerkennung gar leicht als eine Negation des Rechts auf freie Ent-
wicklung der Verfaſſung aus den angeführten hiſtoriſchen Gründen er-
ſchien, und jeder ſich leicht für um ſo freiſinniger hielt, je rückſichts-
loſer er jede höhere Sicherheitspolizei verurtheilte. Daß daher England
darüber gar keine Literatur hat, wird uns nicht wundern. Aber auch
in Frankreich, wo doch die Polizei ſo thätig und mit einer ſo reichen
Literatur verſehen iſt, hat man nicht gewagt, die höhere Sicherheits-
polizei (haute police) ernſtlich zu behandeln, da man, gleichfalls aus
hiſtoriſchen und hinreichend bekannten Gründen, in derſelben ſtets das
Element der Reaktion gegen die Entwicklung einer freien Verfaſſung
ſah, und dieſelbe meiſtens geradezu mit der „geheimen“ oder rich-
tiger der Geſinnungspolizei verwechſelte, über deren Verurtheilung
wohl alle einig ſind. Die franzöſiſche Literatur hat ſich daher auf die
einzelnen Sicherheitspolizeigeſetze beſchränkt, ohne zu einem Princip zu
gelangen. Was Deutſchland betrifft, ſo iſt hier von jeher der Muth der
wiſſenſchaftlichen Ueberzeugung ſtärker geweſen und hat daher auch die
höhere Sicherheitspolizei offene Anerkennung im Princip und offene
Bekämpfung ihrer Uebergriffe gefunden. Hier iſt der erſte wiſſen-
ſchaftliche Vertreter der freien Geſtaltung des Sicherheitspolizeirechts
Aretin in ſeinem Staatsrecht der conſt. Monarchie Bd. II, Abth. II,
deſſen letzte Arbeit (S. 177 ff. 194 bei dieſem Punkte beginnt die
Fortſetzung Rottecks nach dem Tode des ausgezeichneten Verfaſſers)
zu dem Trefflichſten gehört, was über die Polizei geſagt worden iſt.
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