Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.klar, daß das Vereinsrecht das Versammlungsrecht nicht ersetzen kann, Während nämlich bei dem Vereinsrecht und dem bestimmten Zwecke Erstlich ist es richtig, das Princip der Anzeige aufrecht zu halten, Zweitens bedarf es keiner Erklärung, daß bewaffnete Ver- Drittens haftet bei angezeigten, beziehungsweise erlaubten Ver- klar, daß das Vereinsrecht das Verſammlungsrecht nicht erſetzen kann, Während nämlich bei dem Vereinsrecht und dem beſtimmten Zwecke Erſtlich iſt es richtig, das Princip der Anzeige aufrecht zu halten, Zweitens bedarf es keiner Erklärung, daß bewaffnete Ver- Drittens haftet bei angezeigten, beziehungsweiſe erlaubten Ver- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0138" n="116"/> klar, daß das Vereinsrecht das Verſammlungsrecht <hi rendition="#g">nicht</hi> erſetzen kann,<lb/> ja daß das Recht des erſteren von dem des letzteren in ſeinem ganzen<lb/> Charakter unterſchieden ſein muß. Und demgemäß iſt auch die Rechts-<lb/> bildung nun ganz verſchieden geworden, obgleich die Geſetzgebungen<lb/> regelmäßig beide Theile zuſammenfaſſen.</p><lb/> <p>Während nämlich bei dem Vereinsrecht und dem beſtimmten Zwecke<lb/> des Vereins der Schwerpunkt der polizeilichen Aufgabe darin liegt, die<lb/> Ueberſchreitung dieſes Zweckes zu hindern, muß bei öffentlicher Verſamm-<lb/> lung der ganze Akt Gegenſtand der Sicherheitspolizei ſein. Während<lb/> es beim Vereine einer eigenen Beſtimmung bedarf, um die Organe der<lb/> letzteren zuzulaſſen, iſt dieſe Zulaſſung bei Verſammlungen ſelbſtverſtänd-<lb/> lich und polizeilich nothwendig. Während bei den erſteren die Abhaltung<lb/> von Vereinsverſammlungen ſtatutenmäßig geordnet iſt, muß jede ein-<lb/> zelne öffentliche Verſammlung Gegenſtand beſonderer Anzeige, beziehungs-<lb/> weiſe Erlaubniß ſein. Während endlich bei den erſteren die Leiter bis<lb/> zu einem gewiſſen Grade haften, iſt eine ſolche Haftung bei den letz-<lb/> teren nicht füglich denkbar, und die Bedeutung des an ſich vernünftigen<lb/> Princips der Erlaubniß beſteht gerade darin, daß durch die letztere die<lb/> Haftung von den Leitern auf die Einzelnen <hi rendition="#g">übergeht</hi>. Das Recht<lb/> der öffentlichen Verſammlungen iſt daher unter allen Umſtänden ein<lb/> durchaus ſicherheitspolizeiliches Recht; und die Grundſätze dieſes Rechts<lb/> ſcheinen ſehr einfach zu ſein.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Erſtlich</hi> iſt es richtig, das Princip der <hi rendition="#g">Anzeige</hi> aufrecht zu halten,<lb/> und damit iſt die unabweisbare Conſequenz gegeben, daß die Sicherheits-<lb/> polizei das Recht haben muß, eine Verſammlung außerhalb beſchränkter<lb/> (geſchloſſener) Räume „unter freiem Himmel“ zu <hi rendition="#g">verbieten</hi> und zwar<lb/><hi rendition="#g">ohne</hi> Rückſicht auf den angegebenen Zweck, bloß wegen der in der<lb/> Maſſe liegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Es verſteht ſich,<lb/> daß dagegen eine Beſchwerde ſtatthaft bleibt; aber das Vornehmen einer<lb/> ſolchen Verſammlung <hi rendition="#g">gegen</hi> das Verbot iſt aktiver Widerſtand. Wo<lb/> es ſich dagegen um <hi rendition="#g">geſchloſſene</hi> Räume handelt, ſollte die An-<lb/> zeige mit dem Zweck genügen, und ein Verbot nicht gegen die Verſamm-<lb/> lung als ſolche, ſondern nur gegen den <hi rendition="#g">Zweck</hi> derſelben ſtatthaft ſein.<lb/> Es iſt keine Frage, daß im Zweifel die Sicherheitspolizei entſcheidet,<lb/> ob etwas ein geſchloſſener oder freier Raum iſt; natürlich gegen das<lb/> Recht der Beſchwerde der Betheiligten.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Zweitens</hi> bedarf es keiner Erklärung, daß <hi rendition="#g">bewaffnete</hi> Ver-<lb/> ſammlungen als an und für ſich gefährlich verboten ſein müſſen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Drittens</hi> haftet bei angezeigten, beziehungsweiſe erlaubten Ver-<lb/> ſammlungen nicht die Leitung, ſondern jeder <hi rendition="#g">Einzelne</hi> für das, was<lb/> er in ihr ſagt und thut. Wird eine Verſammlung <hi rendition="#g">ohne</hi> Anzeige oder<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [116/0138]
klar, daß das Vereinsrecht das Verſammlungsrecht nicht erſetzen kann,
ja daß das Recht des erſteren von dem des letzteren in ſeinem ganzen
Charakter unterſchieden ſein muß. Und demgemäß iſt auch die Rechts-
bildung nun ganz verſchieden geworden, obgleich die Geſetzgebungen
regelmäßig beide Theile zuſammenfaſſen.
Während nämlich bei dem Vereinsrecht und dem beſtimmten Zwecke
des Vereins der Schwerpunkt der polizeilichen Aufgabe darin liegt, die
Ueberſchreitung dieſes Zweckes zu hindern, muß bei öffentlicher Verſamm-
lung der ganze Akt Gegenſtand der Sicherheitspolizei ſein. Während
es beim Vereine einer eigenen Beſtimmung bedarf, um die Organe der
letzteren zuzulaſſen, iſt dieſe Zulaſſung bei Verſammlungen ſelbſtverſtänd-
lich und polizeilich nothwendig. Während bei den erſteren die Abhaltung
von Vereinsverſammlungen ſtatutenmäßig geordnet iſt, muß jede ein-
zelne öffentliche Verſammlung Gegenſtand beſonderer Anzeige, beziehungs-
weiſe Erlaubniß ſein. Während endlich bei den erſteren die Leiter bis
zu einem gewiſſen Grade haften, iſt eine ſolche Haftung bei den letz-
teren nicht füglich denkbar, und die Bedeutung des an ſich vernünftigen
Princips der Erlaubniß beſteht gerade darin, daß durch die letztere die
Haftung von den Leitern auf die Einzelnen übergeht. Das Recht
der öffentlichen Verſammlungen iſt daher unter allen Umſtänden ein
durchaus ſicherheitspolizeiliches Recht; und die Grundſätze dieſes Rechts
ſcheinen ſehr einfach zu ſein.
Erſtlich iſt es richtig, das Princip der Anzeige aufrecht zu halten,
und damit iſt die unabweisbare Conſequenz gegeben, daß die Sicherheits-
polizei das Recht haben muß, eine Verſammlung außerhalb beſchränkter
(geſchloſſener) Räume „unter freiem Himmel“ zu verbieten und zwar
ohne Rückſicht auf den angegebenen Zweck, bloß wegen der in der
Maſſe liegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Es verſteht ſich,
daß dagegen eine Beſchwerde ſtatthaft bleibt; aber das Vornehmen einer
ſolchen Verſammlung gegen das Verbot iſt aktiver Widerſtand. Wo
es ſich dagegen um geſchloſſene Räume handelt, ſollte die An-
zeige mit dem Zweck genügen, und ein Verbot nicht gegen die Verſamm-
lung als ſolche, ſondern nur gegen den Zweck derſelben ſtatthaft ſein.
Es iſt keine Frage, daß im Zweifel die Sicherheitspolizei entſcheidet,
ob etwas ein geſchloſſener oder freier Raum iſt; natürlich gegen das
Recht der Beſchwerde der Betheiligten.
Zweitens bedarf es keiner Erklärung, daß bewaffnete Ver-
ſammlungen als an und für ſich gefährlich verboten ſein müſſen.
Drittens haftet bei angezeigten, beziehungsweiſe erlaubten Ver-
ſammlungen nicht die Leitung, ſondern jeder Einzelne für das, was
er in ihr ſagt und thut. Wird eine Verſammlung ohne Anzeige oder
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