Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.genüge, ward schon damals erkannt (Aretin, Staatsrecht der consti- genüge, ward ſchon damals erkannt (Aretin, Staatsrecht der conſti- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0170" n="148"/> genüge, ward ſchon damals erkannt (<hi rendition="#g">Aretin</hi>, Staatsrecht der conſti-<lb/> tutionellen Monarchie. Bd. <hi rendition="#aq">II. I.</hi> Abth. S. 9 ff.). Sehr ſchön ſagte<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Benj. Constant</hi> (Cours de polit. constitut. T. I. 302): „Ce qui pre-<lb/> serve de l’arbitraire, c’est l’observance des formes. Les formes<lb/> sont les divinités tutélaires des associations humaines, les formes<lb/> sont les seules protectrices de l’innocence.“</hi> Er hatte Recht; und<lb/> gerade die Formen fehlten, und dadurch auch die Sache. Und eben<lb/> darum konnte die zweite Periode nicht eintreten ohne eine tiefgehende<lb/> Erſchütterung. Dieſe kam mit dem Jahr 1848, und mit ihr eine neue<lb/> Rechtsbildung für das Recht der perſönlichen Freiheit. Man war zu<lb/> der Ueberzeugung gekommen, daß es mit dem Princip nicht genug ſei,<lb/> ſondern daß man eben geſetzlicher Formen bedürfe. Es war daher<lb/> ganz natürlich, daß das deutſche Parlament in den Grundrechten ein<lb/> ſpezielles Recht der Verhaftung aufzuſtellen verſuchte. Allein da zeigte<lb/> es ſich, daß man keine klare Vorſtellung hatte von dem weſentlichen<lb/> Unterſchiede zwiſchen der polizeilichen und der gerichtlichen Verhaftung<lb/> und ihrem Recht; man wollte das Unmögliche — die polizeiliche Ver-<lb/> haftung nur als gerichtliche gelten laſſen, mit Ausnahme der handhaf-<lb/> ten That, und trotz aller im Parlament beſchäftigten Juriſten <hi rendition="#g">zugleich</hi><lb/> die <hi rendition="#g">nicht</hi> gerichtliche, rein polizeiliche <hi rendition="#g">daneben</hi> rechtlich beſtehen laſſen.<lb/> So geſchah es, daß es im Art. <hi rendition="#aq">III</hi> der deutſchen Grundrechte heißt:<lb/> „Die Verhaftung einer Perſon ſoll, außer im Falle der Ergreifung<lb/> auf friſcher That, nur geſchehen kraft eines richterlichen Befehles. Dieſer<lb/> Befehl muß im <hi rendition="#g">Augenblicke</hi> der Verhaftung <hi rendition="#g">oder</hi> (!) innerhalb der näch-<lb/> ſten 24 Stunden dem Verhafteten zugeſtellt werden. Die Polizeibehörde<lb/> muß jeden, den ſie in <hi rendition="#g">Verwahrung</hi> genommen hat, im Laufe des<lb/> folgenden Tages entweder freilaſſen, oder der richterlichen Behörde<lb/> übergeben.“ Die Unklarheit iſt klar genug; hier iſt eine Verhaftung<lb/> auf 24 Stunden, die nur auf richterlichen Befehl geſchehen darf, zugleich<lb/> ohne richterlichen Befehl förmlich autoriſirt, und daneben der Begriff<lb/> der „Verwahrung.“ Natürlich war es unmöglich, bei einem ſolchen<lb/> direkten Widerſpruch ſtehen zu bleiben. Allerdings begnügten ſich einige<lb/> Verfaſſungen damit, einfach jene Sätze aufzunehmen, wie <hi rendition="#g">Schwarz-<lb/> burg-Sondershauſen</hi> 1849, §. 11. <hi rendition="#g">Oldenburg</hi> 1852, Art. 39.<lb/><hi rendition="#g">Anhalt-Bernburg</hi> 1850, §. 5. Allein daß man in jenen Sätzen<lb/> eine Vermengung der polizeilichen und gerichtlichen Verhaftung vorge-<lb/> nommen, ward erſichtlich, ſo wie man aus dem abſtrakten Gebiete der<lb/> „bürgerlichen Freiheit“ in das des concreten Rechts hinüberkam. Und<lb/> dafür gab <hi rendition="#g">Preußen</hi> in ſeiner Verfaſſung von 1850 den Anſtoß.<lb/> Die preußiſche Verfaſſungsurkunde beſtimmte nämlich im Art. 5:<lb/> „Die Bedingungen und Formen, unter denen eine Beſchränkung (der<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [148/0170]
genüge, ward ſchon damals erkannt (Aretin, Staatsrecht der conſti-
tutionellen Monarchie. Bd. II. I. Abth. S. 9 ff.). Sehr ſchön ſagte
Benj. Constant (Cours de polit. constitut. T. I. 302): „Ce qui pre-
serve de l’arbitraire, c’est l’observance des formes. Les formes
sont les divinités tutélaires des associations humaines, les formes
sont les seules protectrices de l’innocence.“ Er hatte Recht; und
gerade die Formen fehlten, und dadurch auch die Sache. Und eben
darum konnte die zweite Periode nicht eintreten ohne eine tiefgehende
Erſchütterung. Dieſe kam mit dem Jahr 1848, und mit ihr eine neue
Rechtsbildung für das Recht der perſönlichen Freiheit. Man war zu
der Ueberzeugung gekommen, daß es mit dem Princip nicht genug ſei,
ſondern daß man eben geſetzlicher Formen bedürfe. Es war daher
ganz natürlich, daß das deutſche Parlament in den Grundrechten ein
ſpezielles Recht der Verhaftung aufzuſtellen verſuchte. Allein da zeigte
es ſich, daß man keine klare Vorſtellung hatte von dem weſentlichen
Unterſchiede zwiſchen der polizeilichen und der gerichtlichen Verhaftung
und ihrem Recht; man wollte das Unmögliche — die polizeiliche Ver-
haftung nur als gerichtliche gelten laſſen, mit Ausnahme der handhaf-
ten That, und trotz aller im Parlament beſchäftigten Juriſten zugleich
die nicht gerichtliche, rein polizeiliche daneben rechtlich beſtehen laſſen.
So geſchah es, daß es im Art. III der deutſchen Grundrechte heißt:
„Die Verhaftung einer Perſon ſoll, außer im Falle der Ergreifung
auf friſcher That, nur geſchehen kraft eines richterlichen Befehles. Dieſer
Befehl muß im Augenblicke der Verhaftung oder (!) innerhalb der näch-
ſten 24 Stunden dem Verhafteten zugeſtellt werden. Die Polizeibehörde
muß jeden, den ſie in Verwahrung genommen hat, im Laufe des
folgenden Tages entweder freilaſſen, oder der richterlichen Behörde
übergeben.“ Die Unklarheit iſt klar genug; hier iſt eine Verhaftung
auf 24 Stunden, die nur auf richterlichen Befehl geſchehen darf, zugleich
ohne richterlichen Befehl förmlich autoriſirt, und daneben der Begriff
der „Verwahrung.“ Natürlich war es unmöglich, bei einem ſolchen
direkten Widerſpruch ſtehen zu bleiben. Allerdings begnügten ſich einige
Verfaſſungen damit, einfach jene Sätze aufzunehmen, wie Schwarz-
burg-Sondershauſen 1849, §. 11. Oldenburg 1852, Art. 39.
Anhalt-Bernburg 1850, §. 5. Allein daß man in jenen Sätzen
eine Vermengung der polizeilichen und gerichtlichen Verhaftung vorge-
nommen, ward erſichtlich, ſo wie man aus dem abſtrakten Gebiete der
„bürgerlichen Freiheit“ in das des concreten Rechts hinüberkam. Und
dafür gab Preußen in ſeiner Verfaſſung von 1850 den Anſtoß.
Die preußiſche Verfaſſungsurkunde beſtimmte nämlich im Art. 5:
„Die Bedingungen und Formen, unter denen eine Beſchränkung (der
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