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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

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Ch. IV. Inviolabilite du domicile. Auch Laferriere, Droit publ.
et admin. I. Ch.
2). Die deutsche Gesetzgebung hat dagegen erst
nach 1848 ein solches Recht bei sich ausgebildet und ist auch hier sehr
unvollständig geblieben. Der Charakter ist derselbe wie bei der Ver-
haftung, zunächst die abstrakte, fast werthlose Aufnahme des Princips
in einzelnen Verfassungen wie die von Preußen §. 6. Oldenburg
Art. 40. Reuß §. 17. Waldeck §. 29. Luxemburg Art. 15 u. a.
Diese Verfassungen folgen den deutschen Grundrechten, welche die
französischen Bestimmungen im §. 140 unter dem allgemeinen Satz:
"die Wohnung ist unverletzlich" aufnahmen, jedoch viel unbestimmter,
indem sie im §. 3 das Recht der polizeilichen Haussuchung neben
der gerichtlichen und der Verfolgung auf frischer That dahin bestimm-
ten, daß sie zulässig sei "in den Fällen und Formen, in welchen das
Gesetz ausnahmsweise (warum Ausnahme?) bestimmten Beamten auf
richterlichen Befehl dieselbe gestattet." (Zöpfl, Staatsrecht II. §. 242
und 480.) Der Grund, die Regel des polizeilichen Eindringens in ein
Haus zu einer Ausnahme zu erklären, liegt offenbar nur in der tradi-
tionellen Furcht vor der Polizei. Jedenfalls kam es nun eben darauf
an, diese Gesetze für jene sogenannten Ausnahmsfälle zu erlassen. Und
hier traten wieder die beiden deutschen Formen ein. Zunächst lag es
an der deutschen Rechtsbildung, das gerichtliche Hausrecht als Haupt-
sache zu betrachten. Daher wurde das Hausrecht fast allenthalben zu
einem Theil des Strafprocesses, was zur Folge hatte, daß die
Strafproceßordnungen der verschiedenen Länder, da sie nun auch zu-
gleich das polizeiliche Hausrecht zu regeln hatten, sehr unklar wurden,
wie namentlich die badische §. 112, und die württembergische §. 239 und
bayerische §. 251. Meistens genügt ein Verdacht, wie in England, ohne
Klage gegen den Beamteten. (Sundelin a. a. O. S. 33--35.) Da
nun offenbar dieser einseitige Standpunkt nicht ausreichen konnte, so
entstanden eigene Gesetze und zwar zuerst das preußische von 1850,
welches eigentlich gar nichts anderes enthält, als die eben angeführten
französischen Bestimmungen des droit de visite a domicile, und
vernünftiger Weise auch gar nichts anderes enthalten konnte. Das
Decret vom 14. Aug. 1850 regelt daneben jedoch noch namentlich das
Verfahren der Finanzbeamten. Ein Fortschritt dagegen ist es, daß das
Recht der Haussuchung von dem Hausrecht hier zuerst geschieden ist.
Rönne (Staatsrecht I. §. 98) hat alle einzelnen auf diesen Punkt
bezügliche Bestimmungen angeführt. Warum sich Sundelin gegen
diese durchaus natürlichen Bestimmungen ereifert, ist in der That
nicht abzusehen. Sie sind das Ergebniß einer fünfzigjährigen Rechts-
bildung und gewiß dem englischen Recht vorzuziehen; es wäre nur ein

Ch. IV. Inviolabilité du domicile. Auch Laferrière, Droit publ.
et admin. I. Ch.
2). Die deutſche Geſetzgebung hat dagegen erſt
nach 1848 ein ſolches Recht bei ſich ausgebildet und iſt auch hier ſehr
unvollſtändig geblieben. Der Charakter iſt derſelbe wie bei der Ver-
haftung, zunächſt die abſtrakte, faſt werthloſe Aufnahme des Princips
in einzelnen Verfaſſungen wie die von Preußen §. 6. Oldenburg
Art. 40. Reuß §. 17. Waldeck §. 29. Luxemburg Art. 15 u. a.
Dieſe Verfaſſungen folgen den deutſchen Grundrechten, welche die
franzöſiſchen Beſtimmungen im §. 140 unter dem allgemeinen Satz:
„die Wohnung iſt unverletzlich“ aufnahmen, jedoch viel unbeſtimmter,
indem ſie im §. 3 das Recht der polizeilichen Hausſuchung neben
der gerichtlichen und der Verfolgung auf friſcher That dahin beſtimm-
ten, daß ſie zuläſſig ſei „in den Fällen und Formen, in welchen das
Geſetz ausnahmsweiſe (warum Ausnahme?) beſtimmten Beamten auf
richterlichen Befehl dieſelbe geſtattet.“ (Zöpfl, Staatsrecht II. §. 242
und 480.) Der Grund, die Regel des polizeilichen Eindringens in ein
Haus zu einer Ausnahme zu erklären, liegt offenbar nur in der tradi-
tionellen Furcht vor der Polizei. Jedenfalls kam es nun eben darauf
an, dieſe Geſetze für jene ſogenannten Ausnahmsfälle zu erlaſſen. Und
hier traten wieder die beiden deutſchen Formen ein. Zunächſt lag es
an der deutſchen Rechtsbildung, das gerichtliche Hausrecht als Haupt-
ſache zu betrachten. Daher wurde das Hausrecht faſt allenthalben zu
einem Theil des Strafproceſſes, was zur Folge hatte, daß die
Strafproceßordnungen der verſchiedenen Länder, da ſie nun auch zu-
gleich das polizeiliche Hausrecht zu regeln hatten, ſehr unklar wurden,
wie namentlich die badiſche §. 112, und die württembergiſche §. 239 und
bayeriſche §. 251. Meiſtens genügt ein Verdacht, wie in England, ohne
Klage gegen den Beamteten. (Sundelin a. a. O. S. 33—35.) Da
nun offenbar dieſer einſeitige Standpunkt nicht ausreichen konnte, ſo
entſtanden eigene Geſetze und zwar zuerſt das preußiſche von 1850,
welches eigentlich gar nichts anderes enthält, als die eben angeführten
franzöſiſchen Beſtimmungen des droit de visite à domicile, und
vernünftiger Weiſe auch gar nichts anderes enthalten konnte. Das
Decret vom 14. Aug. 1850 regelt daneben jedoch noch namentlich das
Verfahren der Finanzbeamten. Ein Fortſchritt dagegen iſt es, daß das
Recht der Hausſuchung von dem Hausrecht hier zuerſt geſchieden iſt.
Rönne (Staatsrecht I. §. 98) hat alle einzelnen auf dieſen Punkt
bezügliche Beſtimmungen angeführt. Warum ſich Sundelin gegen
dieſe durchaus natürlichen Beſtimmungen ereifert, iſt in der That
nicht abzuſehen. Sie ſind das Ergebniß einer fünfzigjährigen Rechts-
bildung und gewiß dem engliſchen Recht vorzuziehen; es wäre nur ein

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[155/0177] Ch. IV. Inviolabilité du domicile. Auch Laferrière, Droit publ. et admin. I. Ch. 2). Die deutſche Geſetzgebung hat dagegen erſt nach 1848 ein ſolches Recht bei ſich ausgebildet und iſt auch hier ſehr unvollſtändig geblieben. Der Charakter iſt derſelbe wie bei der Ver- haftung, zunächſt die abſtrakte, faſt werthloſe Aufnahme des Princips in einzelnen Verfaſſungen wie die von Preußen §. 6. Oldenburg Art. 40. Reuß §. 17. Waldeck §. 29. Luxemburg Art. 15 u. a. Dieſe Verfaſſungen folgen den deutſchen Grundrechten, welche die franzöſiſchen Beſtimmungen im §. 140 unter dem allgemeinen Satz: „die Wohnung iſt unverletzlich“ aufnahmen, jedoch viel unbeſtimmter, indem ſie im §. 3 das Recht der polizeilichen Hausſuchung neben der gerichtlichen und der Verfolgung auf friſcher That dahin beſtimm- ten, daß ſie zuläſſig ſei „in den Fällen und Formen, in welchen das Geſetz ausnahmsweiſe (warum Ausnahme?) beſtimmten Beamten auf richterlichen Befehl dieſelbe geſtattet.“ (Zöpfl, Staatsrecht II. §. 242 und 480.) Der Grund, die Regel des polizeilichen Eindringens in ein Haus zu einer Ausnahme zu erklären, liegt offenbar nur in der tradi- tionellen Furcht vor der Polizei. Jedenfalls kam es nun eben darauf an, dieſe Geſetze für jene ſogenannten Ausnahmsfälle zu erlaſſen. Und hier traten wieder die beiden deutſchen Formen ein. Zunächſt lag es an der deutſchen Rechtsbildung, das gerichtliche Hausrecht als Haupt- ſache zu betrachten. Daher wurde das Hausrecht faſt allenthalben zu einem Theil des Strafproceſſes, was zur Folge hatte, daß die Strafproceßordnungen der verſchiedenen Länder, da ſie nun auch zu- gleich das polizeiliche Hausrecht zu regeln hatten, ſehr unklar wurden, wie namentlich die badiſche §. 112, und die württembergiſche §. 239 und bayeriſche §. 251. Meiſtens genügt ein Verdacht, wie in England, ohne Klage gegen den Beamteten. (Sundelin a. a. O. S. 33—35.) Da nun offenbar dieſer einſeitige Standpunkt nicht ausreichen konnte, ſo entſtanden eigene Geſetze und zwar zuerſt das preußiſche von 1850, welches eigentlich gar nichts anderes enthält, als die eben angeführten franzöſiſchen Beſtimmungen des droit de visite à domicile, und vernünftiger Weiſe auch gar nichts anderes enthalten konnte. Das Decret vom 14. Aug. 1850 regelt daneben jedoch noch namentlich das Verfahren der Finanzbeamten. Ein Fortſchritt dagegen iſt es, daß das Recht der Hausſuchung von dem Hausrecht hier zuerſt geſchieden iſt. Rönne (Staatsrecht I. §. 98) hat alle einzelnen auf dieſen Punkt bezügliche Beſtimmungen angeführt. Warum ſich Sundelin gegen dieſe durchaus natürlichen Beſtimmungen ereifert, iſt in der That nicht abzuſehen. Sie ſind das Ergebniß einer fünfzigjährigen Rechts- bildung und gewiß dem engliſchen Recht vorzuziehen; es wäre nur ein

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/177>, abgerufen am 25.11.2024.