Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.von dem reden, was wir das System der letzteren nennen müssen. IV. Das Bewußtsein von jener doppelten Funktion der Verwal- von dem reden, was wir das Syſtem der letzteren nennen müſſen. IV. Das Bewußtſein von jener doppelten Funktion der Verwal- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0027" n="5"/> von dem reden, was wir das <hi rendition="#g">Syſtem</hi> der letzteren nennen müſſen.<lb/> Das Syſtem dieſer Polizei iſt <hi rendition="#g">das der Verwaltung ſelbſt</hi>. Man<lb/> wird daher von einer Bevölkerungs-, Geſundheits-, Bildungs-, Elementar-,<lb/> Verkehrs-, Landwirthſchaftspolizei u. ſ. w. mit Recht reden. Jeder dieſer<lb/> Begriffe wird die Geſammtheit von Grundſätzen und Maßregeln enthal-<lb/> ten, welche die Verwaltung zum Schutze jedes dieſer beſtimmten Le-<lb/> bensverhältniſſe gegen die daſſelbe bedrohenden Gefahren ergreift, wäh-<lb/> rend die Verwaltung im engern Sinne die Maßregeln zur Förderung<lb/> der Entwicklung bedeutet. Der Grund jedoch, weßhalb man dieſe<lb/> Verwaltungspolizei von der Verwaltung nicht formell trennt, liegt<lb/> dann eben im Weſen der Sache ſelbſt, wie wir unten ſehen werden.<lb/> Und ſo wäre alles klar, bis auf den letzten formalen Begriff, mit dem<lb/> wir noch abrechnen müſſen. Das iſt der der Sicherheitspolizei.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">IV.</hi> Das Bewußtſein von jener doppelten Funktion der Verwal-<lb/> tung in allen ihren Gebieten, nämlich der poſitiven, fördernden und<lb/> helfenden, und der negativen, ſchützenden und bewahrenden, iſt bereits,<lb/> wie bekannt, im vorigen Jahrhundert ſehr lebhaft vorhanden geweſen,<lb/> und hat auch ſeinen ganz ſpecifiſchen Ausdruck gefunden. Man um-<lb/> faßte nämlich jene Geſammtheit der poſitiven Anordnungen und Thä-<lb/> tigkeiten mit dem Namen der <hi rendition="#g">Wohlfahrtspolizei</hi> und die Geſammt-<lb/> heit der negativen mit dem Ausdruck der <hi rendition="#g">Sicherheitspolizei</hi>, welche<lb/> man dann wieder gemeinſam als die „Polizei“ zuſammenfaßte. Wohl-<lb/> fahrtspolizei war demnach Verwaltung, Sicherheitspolizei war die innere<lb/> Polizei. Am deutlichſten iſt darüber vielleicht das preußiſche allgemeine<lb/> Landrecht, das bekanntlich eben ſo ſehr ein Verwaltungs- als ein bürger-<lb/> liches Geſetzbuch iſt, und ſich daher über Verwaltung und Polizei klar<lb/> ſein mußte. Daſſelbe ſagt <hi rendition="#aq">II,</hi> 13. §. 2. „Die vorzüglichſte Pflicht des<lb/> Staatsoberhaupts iſt es, ſowohl die innere als die äußere Ruhe und<lb/><hi rendition="#g">Sicherheit zu erhalten</hi>.“ §. 3. „Ihm kommt es zu, für Anſtalten<lb/> zu ſorgen, wodurch den Einzelnen Mittel und Gelegenheit geſchaffen<lb/> werden, ihre Fähigkeit und Kraft zu bilden und dieſelben zur <hi rendition="#g">Förde-<lb/> rung des Wohlſtandes</hi> anzuwenden.“ Da ſind beide Begriffe in<lb/> ihrer reinſten Form des vorigen Jahrhunderts. Endlich ſetzt das allge-<lb/> meine Landrecht <hi rendition="#aq">II,</hi> 17. §. 1—10 hinzu: „Die <hi rendition="#g">nöthigen Anſtalten<lb/> zu treffen</hi>, zu Erhaltung der öffentlichen Sicherheit, iſt das <hi rendition="#g">Amt</hi><lb/> der Polizei.“ So ſind die Dinge bereits lange vorhanden, von denen<lb/> wir zu reden haben. Nur <hi rendition="#g">Eins</hi> fehlt: das iſt der Begriff eines ſelb-<lb/> ſtändigen <hi rendition="#g">Rechts</hi> dieſer Polizei, oder einer Gränze ihrer Berechtigung<lb/> gegenüber dem Individuum. Um nun zu dieſem zu gelangen, müſſen<lb/> wir nur zuvor die Bedeutung der Sicherheitspolizei als Theil des<lb/> ganzen Polizeiſyſtems genauer beſtimmen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [5/0027]
von dem reden, was wir das Syſtem der letzteren nennen müſſen.
Das Syſtem dieſer Polizei iſt das der Verwaltung ſelbſt. Man
wird daher von einer Bevölkerungs-, Geſundheits-, Bildungs-, Elementar-,
Verkehrs-, Landwirthſchaftspolizei u. ſ. w. mit Recht reden. Jeder dieſer
Begriffe wird die Geſammtheit von Grundſätzen und Maßregeln enthal-
ten, welche die Verwaltung zum Schutze jedes dieſer beſtimmten Le-
bensverhältniſſe gegen die daſſelbe bedrohenden Gefahren ergreift, wäh-
rend die Verwaltung im engern Sinne die Maßregeln zur Förderung
der Entwicklung bedeutet. Der Grund jedoch, weßhalb man dieſe
Verwaltungspolizei von der Verwaltung nicht formell trennt, liegt
dann eben im Weſen der Sache ſelbſt, wie wir unten ſehen werden.
Und ſo wäre alles klar, bis auf den letzten formalen Begriff, mit dem
wir noch abrechnen müſſen. Das iſt der der Sicherheitspolizei.
IV. Das Bewußtſein von jener doppelten Funktion der Verwal-
tung in allen ihren Gebieten, nämlich der poſitiven, fördernden und
helfenden, und der negativen, ſchützenden und bewahrenden, iſt bereits,
wie bekannt, im vorigen Jahrhundert ſehr lebhaft vorhanden geweſen,
und hat auch ſeinen ganz ſpecifiſchen Ausdruck gefunden. Man um-
faßte nämlich jene Geſammtheit der poſitiven Anordnungen und Thä-
tigkeiten mit dem Namen der Wohlfahrtspolizei und die Geſammt-
heit der negativen mit dem Ausdruck der Sicherheitspolizei, welche
man dann wieder gemeinſam als die „Polizei“ zuſammenfaßte. Wohl-
fahrtspolizei war demnach Verwaltung, Sicherheitspolizei war die innere
Polizei. Am deutlichſten iſt darüber vielleicht das preußiſche allgemeine
Landrecht, das bekanntlich eben ſo ſehr ein Verwaltungs- als ein bürger-
liches Geſetzbuch iſt, und ſich daher über Verwaltung und Polizei klar
ſein mußte. Daſſelbe ſagt II, 13. §. 2. „Die vorzüglichſte Pflicht des
Staatsoberhaupts iſt es, ſowohl die innere als die äußere Ruhe und
Sicherheit zu erhalten.“ §. 3. „Ihm kommt es zu, für Anſtalten
zu ſorgen, wodurch den Einzelnen Mittel und Gelegenheit geſchaffen
werden, ihre Fähigkeit und Kraft zu bilden und dieſelben zur Förde-
rung des Wohlſtandes anzuwenden.“ Da ſind beide Begriffe in
ihrer reinſten Form des vorigen Jahrhunderts. Endlich ſetzt das allge-
meine Landrecht II, 17. §. 1—10 hinzu: „Die nöthigen Anſtalten
zu treffen, zu Erhaltung der öffentlichen Sicherheit, iſt das Amt
der Polizei.“ So ſind die Dinge bereits lange vorhanden, von denen
wir zu reden haben. Nur Eins fehlt: das iſt der Begriff eines ſelb-
ſtändigen Rechts dieſer Polizei, oder einer Gränze ihrer Berechtigung
gegenüber dem Individuum. Um nun zu dieſem zu gelangen, müſſen
wir nur zuvor die Bedeutung der Sicherheitspolizei als Theil des
ganzen Polizeiſyſtems genauer beſtimmen.
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