Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.während freilich bei andern die Auffassung trotz mancher schönen Phrase In der That, erst wenn man diese Schriftsteller mit unsrer Zeit während freilich bei andern die Auffaſſung trotz mancher ſchönen Phraſe In der That, erſt wenn man dieſe Schriftſteller mit unſrer Zeit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0033" n="11"/> während freilich bei andern die Auffaſſung trotz mancher ſchönen Phraſe<lb/> im Kathederthum untergeht, wie bei <hi rendition="#g">Jakob</hi>, der Sonnenfels aus-<lb/> geſchrieben und nicht citirt, und Soden citirt und nicht verſtanden hat.<lb/> Die gewöhnlichen Lehrbücher der Polizei in den erſten Decennien unſers<lb/> Jahrhunderts dagegen kannten das Polizeirecht überhaupt nur als<lb/> „Hoheitsrecht“ des Staats, und mithin als Berechtigung der Polizei,<lb/> ohne demſelben in dem freien Staatsbürgerrecht ein Gegengewicht zu<lb/> geben, wie z. B. Eiſenhuth, Polizei der Staatseinwohner-Ordnung;<lb/><hi rendition="#g">Jung</hi>, Lehrbuch der Staatspolizeiwiſſenſchaft, der auf S. 344 zu dem<lb/> Satze gelangt: „die Unterthanen ſeien ſchuldig, alles zu tragen, was<lb/> ihnen auferlegt werde,“ — worauf <hi rendition="#g">Soden</hi> in ſeiner <hi rendition="#g">Staatspolizei</hi><lb/> (National-Oekonomie Bd. 7) S. 123 mit Recht ausruft: „Wenn die<lb/> Lehrer der Nationen ſolche Behauptungen wagen, können wir wohl<lb/> erſtaunen, daß die <hi rendition="#g">Willkür</hi> an die Stelle der Geſetze tritt und der<lb/> Staatszweck bis auf die Erinnerung untergeht?“ Erſt gegenüber ſolchen<lb/> Anſchauungen lernt man begreifen, wie Männer wie der treffliche<lb/><hi rendition="#g">Aretin</hi> in ſeinem Staatsrecht der conſtitutionellen Monarchie (1827,<lb/><hi rendition="#aq">II.</hi> 166) und im Grunde auch <hi rendition="#g">Zachariä</hi> (Vierzig Bücher, <hi rendition="#aq">IV.</hi> S. 288)<lb/> ſich ſo energiſch auch gegen die „Wohlfahrtspolizei“ ausſprechen konnten,<lb/> die doch ſelbſt in der franzöſiſchen Revolution in der <hi rendition="#aq">déclaration des<lb/> droits de l’homme et du citoyen</hi> von 1793 in dem erſten Artikel<lb/> derſelben gipfelt: <hi rendition="#aq">„Le but de la société est le bonheur commun.“</hi><lb/> (Vergl. <hi rendition="#g">Stein</hi>, Geſchichte der ſocialen Bewegung in Frankreich, <hi rendition="#aq">I.</hi> Band<lb/> S. 160 ff.)</p><lb/> <p>In der That, erſt wenn man dieſe Schriftſteller mit unſrer Zeit<lb/> vergleicht, ſo ſieht man, wie viel wir in Deutſchland ſeit fünfzig Jah-<lb/> ren weiter gekommen ſind, und wie viel die Nation Männern wie<lb/> Soden, Lotz, Zachariä, Mohl und Andern verdankt. Wenigſtens die<lb/> Literaturgeſchichte und die hiſtoriſche Wiſſenſchaft ſollte ihnen bleibende<lb/> Denkmale errichten, ſtatt ſie, wie namentlich Soden, zu vergeſſen.<lb/> Denn wie ganz anders ſieht denn doch ſelbſt bei <hi rendition="#g">Zimmermann</hi><lb/> (Weſen, Geſchichte und Literatur der modernen Polizei, 1852, der<lb/> freilich auch noch kein Polize<hi rendition="#g">irecht</hi> kennt) dieſe Polizei aus, als im<lb/> Beginne dieſes Jahrhunderts!</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [11/0033]
während freilich bei andern die Auffaſſung trotz mancher ſchönen Phraſe
im Kathederthum untergeht, wie bei Jakob, der Sonnenfels aus-
geſchrieben und nicht citirt, und Soden citirt und nicht verſtanden hat.
Die gewöhnlichen Lehrbücher der Polizei in den erſten Decennien unſers
Jahrhunderts dagegen kannten das Polizeirecht überhaupt nur als
„Hoheitsrecht“ des Staats, und mithin als Berechtigung der Polizei,
ohne demſelben in dem freien Staatsbürgerrecht ein Gegengewicht zu
geben, wie z. B. Eiſenhuth, Polizei der Staatseinwohner-Ordnung;
Jung, Lehrbuch der Staatspolizeiwiſſenſchaft, der auf S. 344 zu dem
Satze gelangt: „die Unterthanen ſeien ſchuldig, alles zu tragen, was
ihnen auferlegt werde,“ — worauf Soden in ſeiner Staatspolizei
(National-Oekonomie Bd. 7) S. 123 mit Recht ausruft: „Wenn die
Lehrer der Nationen ſolche Behauptungen wagen, können wir wohl
erſtaunen, daß die Willkür an die Stelle der Geſetze tritt und der
Staatszweck bis auf die Erinnerung untergeht?“ Erſt gegenüber ſolchen
Anſchauungen lernt man begreifen, wie Männer wie der treffliche
Aretin in ſeinem Staatsrecht der conſtitutionellen Monarchie (1827,
II. 166) und im Grunde auch Zachariä (Vierzig Bücher, IV. S. 288)
ſich ſo energiſch auch gegen die „Wohlfahrtspolizei“ ausſprechen konnten,
die doch ſelbſt in der franzöſiſchen Revolution in der déclaration des
droits de l’homme et du citoyen von 1793 in dem erſten Artikel
derſelben gipfelt: „Le but de la société est le bonheur commun.“
(Vergl. Stein, Geſchichte der ſocialen Bewegung in Frankreich, I. Band
S. 160 ff.)
In der That, erſt wenn man dieſe Schriftſteller mit unſrer Zeit
vergleicht, ſo ſieht man, wie viel wir in Deutſchland ſeit fünfzig Jah-
ren weiter gekommen ſind, und wie viel die Nation Männern wie
Soden, Lotz, Zachariä, Mohl und Andern verdankt. Wenigſtens die
Literaturgeſchichte und die hiſtoriſche Wiſſenſchaft ſollte ihnen bleibende
Denkmale errichten, ſtatt ſie, wie namentlich Soden, zu vergeſſen.
Denn wie ganz anders ſieht denn doch ſelbſt bei Zimmermann
(Weſen, Geſchichte und Literatur der modernen Polizei, 1852, der
freilich auch noch kein Polizeirecht kennt) dieſe Polizei aus, als im
Beginne dieſes Jahrhunderts!
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