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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

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Nach diesem Gesetz kann nämlich auch jetzt noch die Verwaltung (unter
dem Namen der Polizei) unter ausdrücklich vorgeschriebenen Formen
die allgemeine Ordnungsstrafe für Ungehorsam gegen Polizeiver-
fügungen da aussprechen, wo das Strafgesetz keine bestimmte Strafe
enthält, und zwar im Maximum bis zu 3 und 10 Thaler Geldbuße.
Diese Polizeistrafen bilden dann ein gültiges Recht für die Polizeigerichte,
wie das Strafgesetzbuch selbst. Der verfassungsmäßige Fortschritt in
diesem Gesetz besteht darin, daß es, wir glauben zuerst in Deutschland
den Grundsatz zur Anwendung brachte, daß nach §. 5 desselben solche
Ordnungsstrafen nur nach Berathung mit dem Gemeindevorstande
erlassen werden, wobei wohl das belgische und holländische Recht zum
Grunde lag. Wir verweisen für das Spezielle auf Rönne, Staats-
recht I. §. 16, 48 und 49, und die stenographischen Berichte der I. Kam-
mer von 1849, S. 2336 ff. -- Bei allem formell Unfertigen, das hierin
liegt, ist vielleicht gerade dieses Verhältniß der preußischen Gesetzgebung
ein hochwichtiges Element der Weiterbildung. In der That bedeutet
die Selbständigkeit des Gesetzes von 1850 die innere Selbständigkeit
der Verwaltungsstrafe gegenüber der peinlichen; es ist klar, daß es,
wenn auch historisch begründet, doch wissenschaftlich falsch ist, den
III. Theil des Strafgesetzbuches zu einem Theil des peinlichen Rechts
zu machen; es sollte vielmehr das Gesetz von 1850 der allgemeine,
und das III. B. des Strafgesetzbuches der besondere Theil des
preußischen Verwaltungsstrafrechts sein
, und darauf die
Theorie und Praxis des letzteren gegenüber dem peinlichen Strafrecht
begründet werden. Das Gesetz von 1850 hat die hohe Bedeutung,
diesen Standpunkt eines allgemeinen Verwaltungsstrafrechts gesetzlich zu
begründen, dem das badische Polizeistrafgesetzbuch seinen materiellen
Inhalt in seinem ersten Abschnitt gibt; die in der Selbständigkeit dieses
Gesetzes gegebene Veranlassung zu einer solchen Behandlung ist der
größte und eigentliche Vorzug des, wie sich aus dem Obigen ergiebt,
zweitheiligen preußischen Verwaltungsstrafrechts, und wir halten fest an
der Ueberzeugung, daß sich die Scheidung beider Grundformen alles
Strafrechts, des peinlichen und des polizeilichen, von diesem Punkte
aus entwickeln wird.

Weit unklarer und unfertiger, wie diese Rechte, sind nun die
übrigen positiven Gesetze Deutschlands in dieser Beziehung.

Was zunächst Oesterreich betrifft, so ist es in seiner Gesetzgebung
geradezu auf dem halben Wege stehen geblieben.

Dasselbe begann nämlich allerdings nach dem Vorgange Frank-
reichs und Preußens damit, das gesammte Gebiet der "Vergehungen
und Uebertretungen" in seinem zweiten Theile des Strafgesetzes von

Nach dieſem Geſetz kann nämlich auch jetzt noch die Verwaltung (unter
dem Namen der Polizei) unter ausdrücklich vorgeſchriebenen Formen
die allgemeine Ordnungsſtrafe für Ungehorſam gegen Polizeiver-
fügungen da ausſprechen, wo das Strafgeſetz keine beſtimmte Strafe
enthält, und zwar im Maximum bis zu 3 und 10 Thaler Geldbuße.
Dieſe Polizeiſtrafen bilden dann ein gültiges Recht für die Polizeigerichte,
wie das Strafgeſetzbuch ſelbſt. Der verfaſſungsmäßige Fortſchritt in
dieſem Geſetz beſteht darin, daß es, wir glauben zuerſt in Deutſchland
den Grundſatz zur Anwendung brachte, daß nach §. 5 deſſelben ſolche
Ordnungsſtrafen nur nach Berathung mit dem Gemeindevorſtande
erlaſſen werden, wobei wohl das belgiſche und holländiſche Recht zum
Grunde lag. Wir verweiſen für das Spezielle auf Rönne, Staats-
recht I. §. 16, 48 und 49, und die ſtenographiſchen Berichte der I. Kam-
mer von 1849, S. 2336 ff. — Bei allem formell Unfertigen, das hierin
liegt, iſt vielleicht gerade dieſes Verhältniß der preußiſchen Geſetzgebung
ein hochwichtiges Element der Weiterbildung. In der That bedeutet
die Selbſtändigkeit des Geſetzes von 1850 die innere Selbſtändigkeit
der Verwaltungsſtrafe gegenüber der peinlichen; es iſt klar, daß es,
wenn auch hiſtoriſch begründet, doch wiſſenſchaftlich falſch iſt, den
III. Theil des Strafgeſetzbuches zu einem Theil des peinlichen Rechts
zu machen; es ſollte vielmehr das Geſetz von 1850 der allgemeine,
und das III. B. des Strafgeſetzbuches der beſondere Theil des
preußiſchen Verwaltungsſtrafrechts ſein
, und darauf die
Theorie und Praxis des letzteren gegenüber dem peinlichen Strafrecht
begründet werden. Das Geſetz von 1850 hat die hohe Bedeutung,
dieſen Standpunkt eines allgemeinen Verwaltungsſtrafrechts geſetzlich zu
begründen, dem das badiſche Polizeiſtrafgeſetzbuch ſeinen materiellen
Inhalt in ſeinem erſten Abſchnitt gibt; die in der Selbſtändigkeit dieſes
Geſetzes gegebene Veranlaſſung zu einer ſolchen Behandlung iſt der
größte und eigentliche Vorzug des, wie ſich aus dem Obigen ergiebt,
zweitheiligen preußiſchen Verwaltungsſtrafrechts, und wir halten feſt an
der Ueberzeugung, daß ſich die Scheidung beider Grundformen alles
Strafrechts, des peinlichen und des polizeilichen, von dieſem Punkte
aus entwickeln wird.

Weit unklarer und unfertiger, wie dieſe Rechte, ſind nun die
übrigen poſitiven Geſetze Deutſchlands in dieſer Beziehung.

Was zunächſt Oeſterreich betrifft, ſo iſt es in ſeiner Geſetzgebung
geradezu auf dem halben Wege ſtehen geblieben.

Daſſelbe begann nämlich allerdings nach dem Vorgange Frank-
reichs und Preußens damit, das geſammte Gebiet der „Vergehungen
und Uebertretungen“ in ſeinem zweiten Theile des Strafgeſetzes von

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[46/0068] Nach dieſem Geſetz kann nämlich auch jetzt noch die Verwaltung (unter dem Namen der Polizei) unter ausdrücklich vorgeſchriebenen Formen die allgemeine Ordnungsſtrafe für Ungehorſam gegen Polizeiver- fügungen da ausſprechen, wo das Strafgeſetz keine beſtimmte Strafe enthält, und zwar im Maximum bis zu 3 und 10 Thaler Geldbuße. Dieſe Polizeiſtrafen bilden dann ein gültiges Recht für die Polizeigerichte, wie das Strafgeſetzbuch ſelbſt. Der verfaſſungsmäßige Fortſchritt in dieſem Geſetz beſteht darin, daß es, wir glauben zuerſt in Deutſchland den Grundſatz zur Anwendung brachte, daß nach §. 5 deſſelben ſolche Ordnungsſtrafen nur nach Berathung mit dem Gemeindevorſtande erlaſſen werden, wobei wohl das belgiſche und holländiſche Recht zum Grunde lag. Wir verweiſen für das Spezielle auf Rönne, Staats- recht I. §. 16, 48 und 49, und die ſtenographiſchen Berichte der I. Kam- mer von 1849, S. 2336 ff. — Bei allem formell Unfertigen, das hierin liegt, iſt vielleicht gerade dieſes Verhältniß der preußiſchen Geſetzgebung ein hochwichtiges Element der Weiterbildung. In der That bedeutet die Selbſtändigkeit des Geſetzes von 1850 die innere Selbſtändigkeit der Verwaltungsſtrafe gegenüber der peinlichen; es iſt klar, daß es, wenn auch hiſtoriſch begründet, doch wiſſenſchaftlich falſch iſt, den III. Theil des Strafgeſetzbuches zu einem Theil des peinlichen Rechts zu machen; es ſollte vielmehr das Geſetz von 1850 der allgemeine, und das III. B. des Strafgeſetzbuches der beſondere Theil des preußiſchen Verwaltungsſtrafrechts ſein, und darauf die Theorie und Praxis des letzteren gegenüber dem peinlichen Strafrecht begründet werden. Das Geſetz von 1850 hat die hohe Bedeutung, dieſen Standpunkt eines allgemeinen Verwaltungsſtrafrechts geſetzlich zu begründen, dem das badiſche Polizeiſtrafgeſetzbuch ſeinen materiellen Inhalt in ſeinem erſten Abſchnitt gibt; die in der Selbſtändigkeit dieſes Geſetzes gegebene Veranlaſſung zu einer ſolchen Behandlung iſt der größte und eigentliche Vorzug des, wie ſich aus dem Obigen ergiebt, zweitheiligen preußiſchen Verwaltungsſtrafrechts, und wir halten feſt an der Ueberzeugung, daß ſich die Scheidung beider Grundformen alles Strafrechts, des peinlichen und des polizeilichen, von dieſem Punkte aus entwickeln wird. Weit unklarer und unfertiger, wie dieſe Rechte, ſind nun die übrigen poſitiven Geſetze Deutſchlands in dieſer Beziehung. Was zunächſt Oeſterreich betrifft, ſo iſt es in ſeiner Geſetzgebung geradezu auf dem halben Wege ſtehen geblieben. Daſſelbe begann nämlich allerdings nach dem Vorgange Frank- reichs und Preußens damit, das geſammte Gebiet der „Vergehungen und Uebertretungen“ in ſeinem zweiten Theile des Strafgeſetzes von

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/68>, abgerufen am 25.11.2024.