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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

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Fortschreitens nach einem an sich bestimmt anerkannten, aber nicht
zum Abschluß gediehenen Princip; es bleibt zu hoffen, daß Theorie
und Praxis sich die Hände reichen, um aus diesem Zustande in den
einer definitiven Rechtsordnung des Polizeirechts überzugehen. Vergl.
dazu namentlich die Motive zur Strafproceßordnung von 1863, S. 92.

Noch unfertiger sind nun wohl die übrigen deutschen Gesetzgebungen,
wie die von Sachsen-Weimar, Gesetz vom 17. Januar 1854, welches
das ganze Polizeistrafrecht den Polizeibehörden übergibt, nur mit der
fast unklaren Beschränkung, daß dieselben bei Strafen über 5 Thaler
oder 10 Tagen Gefängniß die Zustimmung des Bezirksdirektors einholen
sollen. In Nassau hat die Gemeindeordnung vom 12. December 1848
dem Bürgermeister mit dem Gemeinderath das Recht zur Ordnungs-
strafe in niederen Polizeisachen bis zu 3 fl. und 6 Tagen Arrest ge-
geben. In andern Staaten mag es ähnlich sein. Es ist aber klar,
daß alles dieß zu unfertig ist, um wissenschaftliche Beachtung zu ver-
dienen. Wir bedürfen in Deutschland einer selbständigen Theorie und
Gesetzgebung des Verwaltungsstrafrechts neben dem peinlichen Straf-
recht, auf Grundlage des preußischen Princips und der süddeutschen
Ausführung; darin liegt die Zukunft dieses Rechtsgebietes.

Was nun endlich die beiden letzten Staaten betrifft, deren Verwal-
tungsstrafrecht das Bild der in Europa geltenden Ordnungen wesentlich
vervollständigt, England und Holland, so ist das Verhältniß derselben
jetzt wohl einfach.

England hat gar kein Strafgesetzbuch; aber es hat und hatte
auch kein Polizeistrafrecht im continentalen Sinne. Das System, welches
das letztere vertritt, ist im Ganzen sehr einfach, im Einzelnen aber in
lauter Sonderbestimmungen zersplittert. Das Bedürfniß nach einem
Verwaltungsstrafrecht hat nämlich bei dem völligen Mangel einer Codi-
fication einerseits, und dem einer amtlichen Polizei andrerseits dahin
geführt, das Recht zum Erlaß von Verwaltungsverfügungen mit polizei-
lichem Bußrecht entweder in den einzelnen Verwaltungsgesetzen unmittelbar
aufzunehmen, wobei die Buße gewöhnlich sofort genau bestimmt wird,
wie bei Gesundheitspolizei, Sicherheitspolizei, vielen Theilen der Ge-
werbspolizei und den dieselbe regelnden statuts, -- oder aber den
Selbstverwaltungskörpern, namentlich den Gemeinden, das Recht zu
Polizeierlassen und Strafbestimmungen zu geben. Diese örtlichen Ge-
meindepolizeibeschlüsse sind die bye-laws; die statuts, welche das Recht
zu bye-laws verleihen, sind dann meistens schon mit einem Maximum
der Buße versehen. Die Literatur des englischen öffentlichen Rechts hat
sich mit diesem Theil des geltenden Rechts sehr wenig beschäftigt. Der
Grundzug in allen diesen Bestimmungen besteht darin, daß das Princip

Fortſchreitens nach einem an ſich beſtimmt anerkannten, aber nicht
zum Abſchluß gediehenen Princip; es bleibt zu hoffen, daß Theorie
und Praxis ſich die Hände reichen, um aus dieſem Zuſtande in den
einer definitiven Rechtsordnung des Polizeirechts überzugehen. Vergl.
dazu namentlich die Motive zur Strafproceßordnung von 1863, S. 92.

Noch unfertiger ſind nun wohl die übrigen deutſchen Geſetzgebungen,
wie die von Sachſen-Weimar, Geſetz vom 17. Januar 1854, welches
das ganze Polizeiſtrafrecht den Polizeibehörden übergibt, nur mit der
faſt unklaren Beſchränkung, daß dieſelben bei Strafen über 5 Thaler
oder 10 Tagen Gefängniß die Zuſtimmung des Bezirksdirektors einholen
ſollen. In Naſſau hat die Gemeindeordnung vom 12. December 1848
dem Bürgermeiſter mit dem Gemeinderath das Recht zur Ordnungs-
ſtrafe in niederen Polizeiſachen bis zu 3 fl. und 6 Tagen Arreſt ge-
geben. In andern Staaten mag es ähnlich ſein. Es iſt aber klar,
daß alles dieß zu unfertig iſt, um wiſſenſchaftliche Beachtung zu ver-
dienen. Wir bedürfen in Deutſchland einer ſelbſtändigen Theorie und
Geſetzgebung des Verwaltungsſtrafrechts neben dem peinlichen Straf-
recht, auf Grundlage des preußiſchen Princips und der ſüddeutſchen
Ausführung; darin liegt die Zukunft dieſes Rechtsgebietes.

Was nun endlich die beiden letzten Staaten betrifft, deren Verwal-
tungsſtrafrecht das Bild der in Europa geltenden Ordnungen weſentlich
vervollſtändigt, England und Holland, ſo iſt das Verhältniß derſelben
jetzt wohl einfach.

England hat gar kein Strafgeſetzbuch; aber es hat und hatte
auch kein Polizeiſtrafrecht im continentalen Sinne. Das Syſtem, welches
das letztere vertritt, iſt im Ganzen ſehr einfach, im Einzelnen aber in
lauter Sonderbeſtimmungen zerſplittert. Das Bedürfniß nach einem
Verwaltungsſtrafrecht hat nämlich bei dem völligen Mangel einer Codi-
fication einerſeits, und dem einer amtlichen Polizei andrerſeits dahin
geführt, das Recht zum Erlaß von Verwaltungsverfügungen mit polizei-
lichem Bußrecht entweder in den einzelnen Verwaltungsgeſetzen unmittelbar
aufzunehmen, wobei die Buße gewöhnlich ſofort genau beſtimmt wird,
wie bei Geſundheitspolizei, Sicherheitspolizei, vielen Theilen der Ge-
werbspolizei und den dieſelbe regelnden statuts, — oder aber den
Selbſtverwaltungskörpern, namentlich den Gemeinden, das Recht zu
Polizeierlaſſen und Strafbeſtimmungen zu geben. Dieſe örtlichen Ge-
meindepolizeibeſchlüſſe ſind die bye-laws; die statuts, welche das Recht
zu bye-laws verleihen, ſind dann meiſtens ſchon mit einem Maximum
der Buße verſehen. Die Literatur des engliſchen öffentlichen Rechts hat
ſich mit dieſem Theil des geltenden Rechts ſehr wenig beſchäftigt. Der
Grundzug in allen dieſen Beſtimmungen beſteht darin, daß das Princip

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[48/0070] Fortſchreitens nach einem an ſich beſtimmt anerkannten, aber nicht zum Abſchluß gediehenen Princip; es bleibt zu hoffen, daß Theorie und Praxis ſich die Hände reichen, um aus dieſem Zuſtande in den einer definitiven Rechtsordnung des Polizeirechts überzugehen. Vergl. dazu namentlich die Motive zur Strafproceßordnung von 1863, S. 92. Noch unfertiger ſind nun wohl die übrigen deutſchen Geſetzgebungen, wie die von Sachſen-Weimar, Geſetz vom 17. Januar 1854, welches das ganze Polizeiſtrafrecht den Polizeibehörden übergibt, nur mit der faſt unklaren Beſchränkung, daß dieſelben bei Strafen über 5 Thaler oder 10 Tagen Gefängniß die Zuſtimmung des Bezirksdirektors einholen ſollen. In Naſſau hat die Gemeindeordnung vom 12. December 1848 dem Bürgermeiſter mit dem Gemeinderath das Recht zur Ordnungs- ſtrafe in niederen Polizeiſachen bis zu 3 fl. und 6 Tagen Arreſt ge- geben. In andern Staaten mag es ähnlich ſein. Es iſt aber klar, daß alles dieß zu unfertig iſt, um wiſſenſchaftliche Beachtung zu ver- dienen. Wir bedürfen in Deutſchland einer ſelbſtändigen Theorie und Geſetzgebung des Verwaltungsſtrafrechts neben dem peinlichen Straf- recht, auf Grundlage des preußiſchen Princips und der ſüddeutſchen Ausführung; darin liegt die Zukunft dieſes Rechtsgebietes. Was nun endlich die beiden letzten Staaten betrifft, deren Verwal- tungsſtrafrecht das Bild der in Europa geltenden Ordnungen weſentlich vervollſtändigt, England und Holland, ſo iſt das Verhältniß derſelben jetzt wohl einfach. England hat gar kein Strafgeſetzbuch; aber es hat und hatte auch kein Polizeiſtrafrecht im continentalen Sinne. Das Syſtem, welches das letztere vertritt, iſt im Ganzen ſehr einfach, im Einzelnen aber in lauter Sonderbeſtimmungen zerſplittert. Das Bedürfniß nach einem Verwaltungsſtrafrecht hat nämlich bei dem völligen Mangel einer Codi- fication einerſeits, und dem einer amtlichen Polizei andrerſeits dahin geführt, das Recht zum Erlaß von Verwaltungsverfügungen mit polizei- lichem Bußrecht entweder in den einzelnen Verwaltungsgeſetzen unmittelbar aufzunehmen, wobei die Buße gewöhnlich ſofort genau beſtimmt wird, wie bei Geſundheitspolizei, Sicherheitspolizei, vielen Theilen der Ge- werbspolizei und den dieſelbe regelnden statuts, — oder aber den Selbſtverwaltungskörpern, namentlich den Gemeinden, das Recht zu Polizeierlaſſen und Strafbeſtimmungen zu geben. Dieſe örtlichen Ge- meindepolizeibeſchlüſſe ſind die bye-laws; die statuts, welche das Recht zu bye-laws verleihen, ſind dann meiſtens ſchon mit einem Maximum der Buße verſehen. Die Literatur des engliſchen öffentlichen Rechts hat ſich mit dieſem Theil des geltenden Rechts ſehr wenig beſchäftigt. Der Grundzug in allen dieſen Beſtimmungen beſteht darin, daß das Princip

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/70>, abgerufen am 26.11.2024.