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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

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II. Die zweite Form, in der das gerichtliche Polizeiverfahren auf-
tritt, enthält bereits ein wesentlich verwaltungspolizeiliches Element.
Sie besteht in der Entdeckung von Verbrechen und den Thätern der-
selben. Es ist im Allgemeinen kein Zweifel, daß diese Funktion eine
Aufgabe der Verwaltungspolizei an sich ist, und zwar in der Weise,
daß sie zur Ausübung derselben keines eigentlich gerichtlichen Befehles,
ja nicht einmal einer eigenen Veranlassung von Seiten des Gerichts
bedarf, sondern sie vermöge ihrer eigenen organischen Bestimmung zu
leisten hat. Allein zugleich ist es klar, daß sich in dieser Funktion
jene beiden Momente der polizeilichen Thätigkeit, die gerichtliche und
die verwaltungspolizeiliche, bereits scheiden, und daß man daher hier
auch von einem zweifachen Rechte derselben ganz füglich wird reden
müssen. Da indeß auch dieß Recht noch dem Strafverfahren angehört,
so muß es hier genügen, jene beiden Elemente nur in ihren Haupt-
punkten zu bezeichnen.

Das Verhältniß dieser Funktion zum Gericht besteht darin, zu-
nächst dem Gerichte von demjenigen Anzeige zu machen, was auf ein
geschehenes Verbrechen oder seine Thäter hindeuten kann. Sowie diese
Anzeige geschehen ist, hat die gerichtliche Thätigkeit selbst einzutreten.
Dabei nun tritt uns ein Begriff entgegen, der mit all seinen Miß-
verständnissen als ein historischer, in seinem wahren Inhalt dagegen ein
ganz einfacher und organischer ist. Das ist der Begriff der geheimen
Polizei
. Man hat dieselbe früher als ein besonderes Gebiet der
Polizei betrachtet, weil sie meistens gegen Bedrohungen der öffentlichen
Rechtszustände gerichtet war. Es ist klar, daß dieß falsch ist, und daß
es eben so falsch ist, die geheime Polizei an sich zu verdammen, ja auch
nur ihrer entbehren zu wollen. Sie ist ihrem Begriffe nach die ohne
Kenntniß der Betheiligten vor sich gehende Untersuchung von That-
sachen und Zuständen, welche zur Entdeckung von Verbrechen führen
können. Es versteht sich von selbst, daß diese Entdeckung oft ohne Ge-
heimniß gar nicht möglich ist, und daß nichts verkehrter wäre, als dieß
Geheimniß an und für sich nicht zu wollen, wo es die Bedingung für
das ist, was jeder will, die Bestrafung des Unrechts. Die geheime
Polizei ist daher keine eigene Polizei, sondern erscheint nur als ein
geheimes Verfahren der gerichtlichen Polizei
. Das, worauf
es bei dieser geheimen Polizei ankommt, ist daher auch nicht ihr Vor-
handensein an sich, sondern vielmehr besteht und entsteht ihr Recht aus
zwei andren Elementen. Zuerst nämlich handelt es sich darum, was
das Objekt derselben sein soll. Und hier ist es, wo sich die geheime
Polizei unserer Zeit von der früheren unterscheidet. Das, was den
tiefen Unmuth des Staatsbürgerthums gegen dieselbe erweckte, war,

II. Die zweite Form, in der das gerichtliche Polizeiverfahren auf-
tritt, enthält bereits ein weſentlich verwaltungspolizeiliches Element.
Sie beſteht in der Entdeckung von Verbrechen und den Thätern der-
ſelben. Es iſt im Allgemeinen kein Zweifel, daß dieſe Funktion eine
Aufgabe der Verwaltungspolizei an ſich iſt, und zwar in der Weiſe,
daß ſie zur Ausübung derſelben keines eigentlich gerichtlichen Befehles,
ja nicht einmal einer eigenen Veranlaſſung von Seiten des Gerichts
bedarf, ſondern ſie vermöge ihrer eigenen organiſchen Beſtimmung zu
leiſten hat. Allein zugleich iſt es klar, daß ſich in dieſer Funktion
jene beiden Momente der polizeilichen Thätigkeit, die gerichtliche und
die verwaltungspolizeiliche, bereits ſcheiden, und daß man daher hier
auch von einem zweifachen Rechte derſelben ganz füglich wird reden
müſſen. Da indeß auch dieß Recht noch dem Strafverfahren angehört,
ſo muß es hier genügen, jene beiden Elemente nur in ihren Haupt-
punkten zu bezeichnen.

Das Verhältniß dieſer Funktion zum Gericht beſteht darin, zu-
nächſt dem Gerichte von demjenigen Anzeige zu machen, was auf ein
geſchehenes Verbrechen oder ſeine Thäter hindeuten kann. Sowie dieſe
Anzeige geſchehen iſt, hat die gerichtliche Thätigkeit ſelbſt einzutreten.
Dabei nun tritt uns ein Begriff entgegen, der mit all ſeinen Miß-
verſtändniſſen als ein hiſtoriſcher, in ſeinem wahren Inhalt dagegen ein
ganz einfacher und organiſcher iſt. Das iſt der Begriff der geheimen
Polizei
. Man hat dieſelbe früher als ein beſonderes Gebiet der
Polizei betrachtet, weil ſie meiſtens gegen Bedrohungen der öffentlichen
Rechtszuſtände gerichtet war. Es iſt klar, daß dieß falſch iſt, und daß
es eben ſo falſch iſt, die geheime Polizei an ſich zu verdammen, ja auch
nur ihrer entbehren zu wollen. Sie iſt ihrem Begriffe nach die ohne
Kenntniß der Betheiligten vor ſich gehende Unterſuchung von That-
ſachen und Zuſtänden, welche zur Entdeckung von Verbrechen führen
können. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß dieſe Entdeckung oft ohne Ge-
heimniß gar nicht möglich iſt, und daß nichts verkehrter wäre, als dieß
Geheimniß an und für ſich nicht zu wollen, wo es die Bedingung für
das iſt, was jeder will, die Beſtrafung des Unrechts. Die geheime
Polizei iſt daher keine eigene Polizei, ſondern erſcheint nur als ein
geheimes Verfahren der gerichtlichen Polizei
. Das, worauf
es bei dieſer geheimen Polizei ankommt, iſt daher auch nicht ihr Vor-
handenſein an ſich, ſondern vielmehr beſteht und entſteht ihr Recht aus
zwei andren Elementen. Zuerſt nämlich handelt es ſich darum, was
das Objekt derſelben ſein ſoll. Und hier iſt es, wo ſich die geheime
Polizei unſerer Zeit von der früheren unterſcheidet. Das, was den
tiefen Unmuth des Staatsbürgerthums gegen dieſelbe erweckte, war,

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[53/0075] II. Die zweite Form, in der das gerichtliche Polizeiverfahren auf- tritt, enthält bereits ein weſentlich verwaltungspolizeiliches Element. Sie beſteht in der Entdeckung von Verbrechen und den Thätern der- ſelben. Es iſt im Allgemeinen kein Zweifel, daß dieſe Funktion eine Aufgabe der Verwaltungspolizei an ſich iſt, und zwar in der Weiſe, daß ſie zur Ausübung derſelben keines eigentlich gerichtlichen Befehles, ja nicht einmal einer eigenen Veranlaſſung von Seiten des Gerichts bedarf, ſondern ſie vermöge ihrer eigenen organiſchen Beſtimmung zu leiſten hat. Allein zugleich iſt es klar, daß ſich in dieſer Funktion jene beiden Momente der polizeilichen Thätigkeit, die gerichtliche und die verwaltungspolizeiliche, bereits ſcheiden, und daß man daher hier auch von einem zweifachen Rechte derſelben ganz füglich wird reden müſſen. Da indeß auch dieß Recht noch dem Strafverfahren angehört, ſo muß es hier genügen, jene beiden Elemente nur in ihren Haupt- punkten zu bezeichnen. Das Verhältniß dieſer Funktion zum Gericht beſteht darin, zu- nächſt dem Gerichte von demjenigen Anzeige zu machen, was auf ein geſchehenes Verbrechen oder ſeine Thäter hindeuten kann. Sowie dieſe Anzeige geſchehen iſt, hat die gerichtliche Thätigkeit ſelbſt einzutreten. Dabei nun tritt uns ein Begriff entgegen, der mit all ſeinen Miß- verſtändniſſen als ein hiſtoriſcher, in ſeinem wahren Inhalt dagegen ein ganz einfacher und organiſcher iſt. Das iſt der Begriff der geheimen Polizei. Man hat dieſelbe früher als ein beſonderes Gebiet der Polizei betrachtet, weil ſie meiſtens gegen Bedrohungen der öffentlichen Rechtszuſtände gerichtet war. Es iſt klar, daß dieß falſch iſt, und daß es eben ſo falſch iſt, die geheime Polizei an ſich zu verdammen, ja auch nur ihrer entbehren zu wollen. Sie iſt ihrem Begriffe nach die ohne Kenntniß der Betheiligten vor ſich gehende Unterſuchung von That- ſachen und Zuſtänden, welche zur Entdeckung von Verbrechen führen können. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß dieſe Entdeckung oft ohne Ge- heimniß gar nicht möglich iſt, und daß nichts verkehrter wäre, als dieß Geheimniß an und für ſich nicht zu wollen, wo es die Bedingung für das iſt, was jeder will, die Beſtrafung des Unrechts. Die geheime Polizei iſt daher keine eigene Polizei, ſondern erſcheint nur als ein geheimes Verfahren der gerichtlichen Polizei. Das, worauf es bei dieſer geheimen Polizei ankommt, iſt daher auch nicht ihr Vor- handenſein an ſich, ſondern vielmehr beſteht und entſteht ihr Recht aus zwei andren Elementen. Zuerſt nämlich handelt es ſich darum, was das Objekt derſelben ſein ſoll. Und hier iſt es, wo ſich die geheime Polizei unſerer Zeit von der früheren unterſcheidet. Das, was den tiefen Unmuth des Staatsbürgerthums gegen dieſelbe erweckte, war,

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/75>, abgerufen am 26.11.2024.