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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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im Jus naturae als in der Politia vindicirt dasselbe dem Staate. Den
Ausdruck dieser Bewegung bilden die Schulordnungen des achtzehnten
Jahrhunderts, die freilich anfänglich auch die Berufsschulen (gelehrten
Schulen) mit umfassen, gegen Mitte des Jahrhunderts jedoch schon die
eigentliche Volks- oder Elementarschule selbständig behandeln, und den
großen Grundsatz der öffentlichen Schulpflicht gesetzlich aussprechen.
Das ist der Beginn eines selbständigen Volksschulwesens; denn in ihm
lag die Anerkennung der Pflicht des Einzelnen, sich die elementaren Kennt-
nisse zu erwerben, die Pflicht der Gemeinschaft, die Elementarschulen
herzustellen, mit der Pflicht des Staats, über Beides zu wachen. Allein
während die Schulordnungen dieß vorschrieben, überließen sie die Voll-
ziehung ihrer Vorschriften den örtlichen Organen und beschränkten die
Thätigkeit der staatlichen Verwaltung auf die Oberaufsicht. Die Ge-
meinden aber trugen noch ganz den ständischen Charakter, vor allen
die Landgemeinde, so daß noch am Ende des achtzehnten Jahrhunderts
die Frage entstehen konnte, ob überhaupt "Landstädte" das Recht hätten,
niedere Schulen zu errichten. Schule, Lehrer und Lehre der Volksschule
blieben daher unter der Herrschaft der ständischen Principien, wenig
geachtet, meist elend ausgerüstet, aber getragen durch das lebendige Be-
wußtsein ihrer großen, wenn auch unscheinbaren Aufgabe, während neben
ihnen die Berufsbildungsanstalten, reichlich ausgestattet und geehrt,
bereits von der freieren Bewegung getragen werden. Jene gehören noch
der Grundherrlichkeit. Die Schule ist wie die Wege, das Armen-
wesen, die Sicherheitspolizei, eine Anstalt des Grundherrn; der Schul-
lehrer ist ein herrschaftlicher Diener; die Lehre muß bei den Elementen
stehen bleiben, die für den halb Leibeigenen als ausreichend gelten.
Das einzige Band, welches sie mit dem höhern geistigen Leben ver-
bindet, ist und bleibt die Geistlichkeit, die ihr Recht an der Schule
wahrt, ohne dem Grundherrn unterthan zu sein. Dieß Recht war noch
im vorigen Jahrhundert eine sehr wesentliche Bedingung für die An-
erkennung der geistigen und socialen Bedeutung, ja sogar für die Exi-
stenz der Volksschule in vielen Theilen Europa's. Man soll das in
dem unsirgen nicht vergessen.

Von dieser Grundlage vermag sich daher das entstehende öffent-
liche Volksbildungsrecht der Elementarschulen nicht loszulösen, da eben
die Grundherrlichkeit bestehen bleibt. Die Verwaltung der Volksschule
besteht daher in dieser Zeit aus den drei Elementen der staatlichen
Oberaufsicht, des Gutsherrn als örtliche (Gerichts-) Obrigkeit, und des
Ortspfarrers. Der Unterschied zwischen der evangelischen und der katho-
lischen Schulverwaltung besteht nicht in einer Verschiedenheit jener
Grundlagen, sondern nur in dem höheren Maß der Berechtigung des

im Jus naturae als in der Politia vindicirt daſſelbe dem Staate. Den
Ausdruck dieſer Bewegung bilden die Schulordnungen des achtzehnten
Jahrhunderts, die freilich anfänglich auch die Berufsſchulen (gelehrten
Schulen) mit umfaſſen, gegen Mitte des Jahrhunderts jedoch ſchon die
eigentliche Volks- oder Elementarſchule ſelbſtändig behandeln, und den
großen Grundſatz der öffentlichen Schulpflicht geſetzlich ausſprechen.
Das iſt der Beginn eines ſelbſtändigen Volksſchulweſens; denn in ihm
lag die Anerkennung der Pflicht des Einzelnen, ſich die elementaren Kennt-
niſſe zu erwerben, die Pflicht der Gemeinſchaft, die Elementarſchulen
herzuſtellen, mit der Pflicht des Staats, über Beides zu wachen. Allein
während die Schulordnungen dieß vorſchrieben, überließen ſie die Voll-
ziehung ihrer Vorſchriften den örtlichen Organen und beſchränkten die
Thätigkeit der ſtaatlichen Verwaltung auf die Oberaufſicht. Die Ge-
meinden aber trugen noch ganz den ſtändiſchen Charakter, vor allen
die Landgemeinde, ſo daß noch am Ende des achtzehnten Jahrhunderts
die Frage entſtehen konnte, ob überhaupt „Landſtädte“ das Recht hätten,
niedere Schulen zu errichten. Schule, Lehrer und Lehre der Volksſchule
blieben daher unter der Herrſchaft der ſtändiſchen Principien, wenig
geachtet, meiſt elend ausgerüſtet, aber getragen durch das lebendige Be-
wußtſein ihrer großen, wenn auch unſcheinbaren Aufgabe, während neben
ihnen die Berufsbildungsanſtalten, reichlich ausgeſtattet und geehrt,
bereits von der freieren Bewegung getragen werden. Jene gehören noch
der Grundherrlichkeit. Die Schule iſt wie die Wege, das Armen-
weſen, die Sicherheitspolizei, eine Anſtalt des Grundherrn; der Schul-
lehrer iſt ein herrſchaftlicher Diener; die Lehre muß bei den Elementen
ſtehen bleiben, die für den halb Leibeigenen als ausreichend gelten.
Das einzige Band, welches ſie mit dem höhern geiſtigen Leben ver-
bindet, iſt und bleibt die Geiſtlichkeit, die ihr Recht an der Schule
wahrt, ohne dem Grundherrn unterthan zu ſein. Dieß Recht war noch
im vorigen Jahrhundert eine ſehr weſentliche Bedingung für die An-
erkennung der geiſtigen und ſocialen Bedeutung, ja ſogar für die Exi-
ſtenz der Volksſchule in vielen Theilen Europa’s. Man ſoll das in
dem unſirgen nicht vergeſſen.

Von dieſer Grundlage vermag ſich daher das entſtehende öffent-
liche Volksbildungsrecht der Elementarſchulen nicht loszulöſen, da eben
die Grundherrlichkeit beſtehen bleibt. Die Verwaltung der Volksſchule
beſteht daher in dieſer Zeit aus den drei Elementen der ſtaatlichen
Oberaufſicht, des Gutsherrn als örtliche (Gerichts-) Obrigkeit, und des
Ortspfarrers. Der Unterſchied zwiſchen der evangeliſchen und der katho-
liſchen Schulverwaltung beſteht nicht in einer Verſchiedenheit jener
Grundlagen, ſondern nur in dem höheren Maß der Berechtigung des

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[83/0111] im Jus naturae als in der Politia vindicirt daſſelbe dem Staate. Den Ausdruck dieſer Bewegung bilden die Schulordnungen des achtzehnten Jahrhunderts, die freilich anfänglich auch die Berufsſchulen (gelehrten Schulen) mit umfaſſen, gegen Mitte des Jahrhunderts jedoch ſchon die eigentliche Volks- oder Elementarſchule ſelbſtändig behandeln, und den großen Grundſatz der öffentlichen Schulpflicht geſetzlich ausſprechen. Das iſt der Beginn eines ſelbſtändigen Volksſchulweſens; denn in ihm lag die Anerkennung der Pflicht des Einzelnen, ſich die elementaren Kennt- niſſe zu erwerben, die Pflicht der Gemeinſchaft, die Elementarſchulen herzuſtellen, mit der Pflicht des Staats, über Beides zu wachen. Allein während die Schulordnungen dieß vorſchrieben, überließen ſie die Voll- ziehung ihrer Vorſchriften den örtlichen Organen und beſchränkten die Thätigkeit der ſtaatlichen Verwaltung auf die Oberaufſicht. Die Ge- meinden aber trugen noch ganz den ſtändiſchen Charakter, vor allen die Landgemeinde, ſo daß noch am Ende des achtzehnten Jahrhunderts die Frage entſtehen konnte, ob überhaupt „Landſtädte“ das Recht hätten, niedere Schulen zu errichten. Schule, Lehrer und Lehre der Volksſchule blieben daher unter der Herrſchaft der ſtändiſchen Principien, wenig geachtet, meiſt elend ausgerüſtet, aber getragen durch das lebendige Be- wußtſein ihrer großen, wenn auch unſcheinbaren Aufgabe, während neben ihnen die Berufsbildungsanſtalten, reichlich ausgeſtattet und geehrt, bereits von der freieren Bewegung getragen werden. Jene gehören noch der Grundherrlichkeit. Die Schule iſt wie die Wege, das Armen- weſen, die Sicherheitspolizei, eine Anſtalt des Grundherrn; der Schul- lehrer iſt ein herrſchaftlicher Diener; die Lehre muß bei den Elementen ſtehen bleiben, die für den halb Leibeigenen als ausreichend gelten. Das einzige Band, welches ſie mit dem höhern geiſtigen Leben ver- bindet, iſt und bleibt die Geiſtlichkeit, die ihr Recht an der Schule wahrt, ohne dem Grundherrn unterthan zu ſein. Dieß Recht war noch im vorigen Jahrhundert eine ſehr weſentliche Bedingung für die An- erkennung der geiſtigen und ſocialen Bedeutung, ja ſogar für die Exi- ſtenz der Volksſchule in vielen Theilen Europa’s. Man ſoll das in dem unſirgen nicht vergeſſen. Von dieſer Grundlage vermag ſich daher das entſtehende öffent- liche Volksbildungsrecht der Elementarſchulen nicht loszulöſen, da eben die Grundherrlichkeit beſtehen bleibt. Die Verwaltung der Volksſchule beſteht daher in dieſer Zeit aus den drei Elementen der ſtaatlichen Oberaufſicht, des Gutsherrn als örtliche (Gerichts-) Obrigkeit, und des Ortspfarrers. Der Unterſchied zwiſchen der evangeliſchen und der katho- liſchen Schulverwaltung beſteht nicht in einer Verſchiedenheit jener Grundlagen, ſondern nur in dem höheren Maß der Berechtigung des

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/111>, abgerufen am 23.11.2024.