Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.noch auch in irgend einer Verbindung mit der Berufsbildung. Senior: Die erste Epoche umfaßt die Bestrebungen des vorigen Jahrhun- Erst mit dem Beginn unseres Jahrhunderts fängt die zweite noch auch in irgend einer Verbindung mit der Berufsbildung. Senior: Die erſte Epoche umfaßt die Beſtrebungen des vorigen Jahrhun- Erſt mit dem Beginn unſeres Jahrhunderts fängt die zweite <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0123" n="95"/> noch auch in irgend einer Verbindung mit der Berufsbildung. <hi rendition="#g">Senior</hi>:<lb/><hi rendition="#aq">„The labourer, whose children frequent the <hi rendition="#g">public</hi> schools, and<lb/> the ratepayer, whose children <hi rendition="#g">do not</hi> frequent them“ p. 9 (Ra-<lb/> tepayer</hi> iſt der Beſitzende, <hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">rate</hi></hi> iſt die Gemeindeſteuer.) Mit Recht<lb/> bemerkt <hi rendition="#g">Wagner</hi>, daß umgekehrt die Privatſchulen zwar oft ſehr gut,<lb/> aber immer zu theuer, und daher von den Arbeitern nicht beſucht wer-<lb/> den. Es gibt alſo <hi rendition="#g">gar keine</hi> wie immer gearteten behördlichen Ein-<lb/> flüſſe auf die erſteren, während die zweiten ſich weſentlich zu einem<lb/> förmlich rechtlichen Syſtem ausgebildet haben. Man kann daher auch<lb/> von einem <hi rendition="#g">Recht</hi> der erſteren weder in Beziehung auf Schule, noch auf<lb/> Lehre, noch auf Lehrer reden; ſie ſind freie gewerbliche Unternehmungen.<lb/> Das Princip der deutſchen Schulpflicht exiſtirt <hi rendition="#g">weder</hi> für die Gemein-<lb/> den als Verpflichtung zur Herſtellung der Schulen, <hi rendition="#g">noch</hi> als Verpflich-<lb/> tung für die Einzelnen, den Kindern Elementarbildung zu geben. Da-<lb/> gegen iſt das zweite ein Syſtem, hat ſeine Geſchichte und ſeine Grund-<lb/> ſätze, und fordert eine eigene Darſtellung; nur muß man eben feſthalten,<lb/> daß man in dieſem Syſtem nicht etwa ein <hi rendition="#g">Volks-</hi>, ſondern nur ein<lb/><hi rendition="#g">Armenbildungsweſen</hi> vor Augen hat, dem noch jeder andere ethiſche<lb/> rechtliche Inhalt fehlt. Die hiſtoriſche Entwicklung des letztern iſt im<lb/> Weſentlichen in <hi rendition="#g">drei</hi> Epochen zu ſcheiden.</p><lb/> <p>Die erſte Epoche umfaßt die Beſtrebungen des vorigen Jahrhun-<lb/> derts; ſie beſteht in den Anfängen von <hi rendition="#g">Sonntagsſchulen</hi> und von<lb/><hi rendition="#g">Freiſchulen</hi> für arme Kinder, welche vorzüglich ſtreng kirchliche Bil-<lb/> dung und nur daneben in zweiter Reihe etwas Leſen und Schreiben<lb/> lehren. Dieſe Schulen beſtehen auch jetzt noch ſelbſtändig, ohne alle<lb/> Aufſicht und Unterſtützung fort. Sie ſind begründet etwa ſeit 1781<lb/> durch die <hi rendition="#aq">Society for promoting christian knowledge.</hi> Die Lehrer ſind<lb/> freiwillig, entweder aus dem Verein oder aus der Gemeinde, natürlich<lb/> unentgeltlich und ohne Gehalt. <hi rendition="#g">Wagner</hi> meint, daß die Sonntags-<lb/> ſchulen von Rakes 1785 eingeführt ſeien; <hi rendition="#g">Buckle</hi> dagegen (<hi rendition="#aq">I.</hi> 1. 371)<lb/> ſagt, Rakes habe dieſelben 1785 verbeſſert, nachdem ſie ſchon 1761<lb/> eingeführt und am Ende des 18. Jahrhunderts allgemein geworden.<lb/> Aber natürlich waren ſie ein kümmerliches, zum Theil zelotiſch benütztes<lb/> Aushülfsmittel.</p><lb/> <p>Erſt mit dem Beginn unſeres Jahrhunderts fängt die <hi rendition="#g">zweite</hi><lb/> Epoche an, welche den eigentlichen <hi rendition="#g">Volksunterricht</hi> zur Aufgabe<lb/> der Volksſchulen macht. Das konnte nur durch Beſeitigung des ſtreng<lb/> orthodoxen Charakters geſchehen, und das war wiederum für England<lb/> nur möglich durch das Vereinsweſen. So entſtand die <hi rendition="#aq">British and<lb/> Foreign school Society</hi> (1805), welche in die von ihr errichteten und<lb/> unterhaltenen Schulen auch die <hi rendition="#aq">Dissenters</hi> aufnahm und großen Erfolg<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [95/0123]
noch auch in irgend einer Verbindung mit der Berufsbildung. Senior:
„The labourer, whose children frequent the public schools, and
the ratepayer, whose children do not frequent them“ p. 9 (Ra-
tepayer iſt der Beſitzende, rate iſt die Gemeindeſteuer.) Mit Recht
bemerkt Wagner, daß umgekehrt die Privatſchulen zwar oft ſehr gut,
aber immer zu theuer, und daher von den Arbeitern nicht beſucht wer-
den. Es gibt alſo gar keine wie immer gearteten behördlichen Ein-
flüſſe auf die erſteren, während die zweiten ſich weſentlich zu einem
förmlich rechtlichen Syſtem ausgebildet haben. Man kann daher auch
von einem Recht der erſteren weder in Beziehung auf Schule, noch auf
Lehre, noch auf Lehrer reden; ſie ſind freie gewerbliche Unternehmungen.
Das Princip der deutſchen Schulpflicht exiſtirt weder für die Gemein-
den als Verpflichtung zur Herſtellung der Schulen, noch als Verpflich-
tung für die Einzelnen, den Kindern Elementarbildung zu geben. Da-
gegen iſt das zweite ein Syſtem, hat ſeine Geſchichte und ſeine Grund-
ſätze, und fordert eine eigene Darſtellung; nur muß man eben feſthalten,
daß man in dieſem Syſtem nicht etwa ein Volks-, ſondern nur ein
Armenbildungsweſen vor Augen hat, dem noch jeder andere ethiſche
rechtliche Inhalt fehlt. Die hiſtoriſche Entwicklung des letztern iſt im
Weſentlichen in drei Epochen zu ſcheiden.
Die erſte Epoche umfaßt die Beſtrebungen des vorigen Jahrhun-
derts; ſie beſteht in den Anfängen von Sonntagsſchulen und von
Freiſchulen für arme Kinder, welche vorzüglich ſtreng kirchliche Bil-
dung und nur daneben in zweiter Reihe etwas Leſen und Schreiben
lehren. Dieſe Schulen beſtehen auch jetzt noch ſelbſtändig, ohne alle
Aufſicht und Unterſtützung fort. Sie ſind begründet etwa ſeit 1781
durch die Society for promoting christian knowledge. Die Lehrer ſind
freiwillig, entweder aus dem Verein oder aus der Gemeinde, natürlich
unentgeltlich und ohne Gehalt. Wagner meint, daß die Sonntags-
ſchulen von Rakes 1785 eingeführt ſeien; Buckle dagegen (I. 1. 371)
ſagt, Rakes habe dieſelben 1785 verbeſſert, nachdem ſie ſchon 1761
eingeführt und am Ende des 18. Jahrhunderts allgemein geworden.
Aber natürlich waren ſie ein kümmerliches, zum Theil zelotiſch benütztes
Aushülfsmittel.
Erſt mit dem Beginn unſeres Jahrhunderts fängt die zweite
Epoche an, welche den eigentlichen Volksunterricht zur Aufgabe
der Volksſchulen macht. Das konnte nur durch Beſeitigung des ſtreng
orthodoxen Charakters geſchehen, und das war wiederum für England
nur möglich durch das Vereinsweſen. So entſtand die British and
Foreign school Society (1805), welche in die von ihr errichteten und
unterhaltenen Schulen auch die Dissenters aufnahm und großen Erfolg
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