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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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hatte. Sofort trat ihr die streng kirchliche Partei der National Society
(1811) entgegen, welche die kirchliche Bildung als Hauptsache aufstellte,
und den eigentlichen Unterricht, die secular education, beinahe direkt
verdammte. Will man sehen, bis zu welchem pädagogischen und metho-
dischen Unverstand die letztere geht, so vergl. man Seniors Angaben
S. 21 ff. (z. B. eine Frage an einen Schüler: "Welche Ereignisse
knüpfen sich an Hobah, Berlabai, Roi, Mizbeh, Peniel, Skolem, Ske-
chem, Luz"? u. s. w.). Diese mit Recht so genannte Misdirected In-
struction
machte aus jenen Vereinsschulen reine Parteischulen, und be-
schränkte und störte alle ihre Wirkung, trotzdem daß (nach Wagner)
Lancaster die Methode der erstern, Bell die der zweiten wesentlich refor-
mirte. An eine Volksschulbildung war bei den ersten durch den Mangel
an Kräften, bei den zweiten durch den Mangel an Freiheit nicht zu
denken. Aber Armenschulen blieben beide. Ihr gemeinsamer Haupt-
erfolg war, daß man allmählig eine gewisse Bildung auch der niedersten
Klasse für nothwendig erkannte. Daraus geht die folgende Epoche hervor.

Diese dritte Epoche beginnt mit dem Grundsatz, daß die Kin-
derarbeit
in den Fabriken mit einem Elementarunterricht verbunden
sein soll; sie geht über zu dem Satz, daß die Armenkinder überhaupt
nicht ohne Unterricht bleiben sollen, und langt endlich bei dem Grundsatz
an, daß die Polizei das Recht haben solle, herumtreibende Kinder in
die Schule zu schicken. So entsteht das specifisch englische System des
Armen- oder Hülfsschulwesens, das mithin in den Orten, der Factory
schools,
der Pauper schools und der Vagrant (ragged) schools be-
steht, sich gerade dadurch nur noch strenger von dem deutschen Schul-
wesen der besitzenden Klasse scheidet, aber andrerseits der Verwaltung
Anlaß, Recht und Pflicht gibt, sich wenigstens für das Volksschulwesen
anzunehmen, eine Behörde dafür aufzustellen (1833) und eine möglichst
systematische Armenschulgesetzgebung (den Revised Code) zu erlassen.
Der Ganz der Entwicklung ist folgender.

Den Beginn bildet die, von dem edlen Robert Peel (dem
Stammherrn des Hauses) durchgeführte Kinderarbeitsbill (42 Georg. III.
73), nach welcher die Kinder nicht nur nicht länger als 12 Stunden
täglich arbeiten, sondern die Fabrikherrn verpflichtet sein sollen, täg-
lich
ihren arbeitenden Kindern wenigstens vier Jahre hindurch in einer
in der Fabrik angelegten Schule, von einem von ihnen selbst gezahlten
Lehrer, Unterricht im Lesen, Schreiben und Rechnen geben zu lassen.
Dieß blieb ungeändert mehr als zwanzig Jahre hindurch Rechtens, aber
ohne Aufsicht, und mithin ohne Erfolg. Erst in Folge der Entwicklung
des übrigen Armenschulwesens wurden auch diese Fabrikschulen ausge-
bildet und zwar durch 3. 4 Will. IV. 103 (1833), 7 Vict. 13 (1844)

hatte. Sofort trat ihr die ſtreng kirchliche Partei der National Society
(1811) entgegen, welche die kirchliche Bildung als Hauptſache aufſtellte,
und den eigentlichen Unterricht, die secular education, beinahe direkt
verdammte. Will man ſehen, bis zu welchem pädagogiſchen und metho-
diſchen Unverſtand die letztere geht, ſo vergl. man Seniors Angaben
S. 21 ff. (z. B. eine Frage an einen Schüler: „Welche Ereigniſſe
knüpfen ſich an Hobah, Berlabai, Roi, Mizbeh, Peniel, Skolem, Ske-
chem, Luz“? u. ſ. w.). Dieſe mit Recht ſo genannte Misdirected In-
struction
machte aus jenen Vereinsſchulen reine Parteiſchulen, und be-
ſchränkte und ſtörte alle ihre Wirkung, trotzdem daß (nach Wagner)
Lancaſter die Methode der erſtern, Bell die der zweiten weſentlich refor-
mirte. An eine Volksſchulbildung war bei den erſten durch den Mangel
an Kräften, bei den zweiten durch den Mangel an Freiheit nicht zu
denken. Aber Armenſchulen blieben beide. Ihr gemeinſamer Haupt-
erfolg war, daß man allmählig eine gewiſſe Bildung auch der niederſten
Klaſſe für nothwendig erkannte. Daraus geht die folgende Epoche hervor.

Dieſe dritte Epoche beginnt mit dem Grundſatz, daß die Kin-
derarbeit
in den Fabriken mit einem Elementarunterricht verbunden
ſein ſoll; ſie geht über zu dem Satz, daß die Armenkinder überhaupt
nicht ohne Unterricht bleiben ſollen, und langt endlich bei dem Grundſatz
an, daß die Polizei das Recht haben ſolle, herumtreibende Kinder in
die Schule zu ſchicken. So entſteht das ſpecifiſch engliſche Syſtem des
Armen- oder Hülfsſchulweſens, das mithin in den Orten, der Factory
schools,
der Pauper schools und der Vagrant (ragged) schools be-
ſteht, ſich gerade dadurch nur noch ſtrenger von dem deutſchen Schul-
weſen der beſitzenden Klaſſe ſcheidet, aber andrerſeits der Verwaltung
Anlaß, Recht und Pflicht gibt, ſich wenigſtens für das Volksſchulweſen
anzunehmen, eine Behörde dafür aufzuſtellen (1833) und eine möglichſt
ſyſtematiſche Armenſchulgeſetzgebung (den Revised Code) zu erlaſſen.
Der Ganz der Entwicklung iſt folgender.

Den Beginn bildet die, von dem edlen Robert Peel (dem
Stammherrn des Hauſes) durchgeführte Kinderarbeitsbill (42 Georg. III.
73), nach welcher die Kinder nicht nur nicht länger als 12 Stunden
täglich arbeiten, ſondern die Fabrikherrn verpflichtet ſein ſollen, täg-
lich
ihren arbeitenden Kindern wenigſtens vier Jahre hindurch in einer
in der Fabrik angelegten Schule, von einem von ihnen ſelbſt gezahlten
Lehrer, Unterricht im Leſen, Schreiben und Rechnen geben zu laſſen.
Dieß blieb ungeändert mehr als zwanzig Jahre hindurch Rechtens, aber
ohne Aufſicht, und mithin ohne Erfolg. Erſt in Folge der Entwicklung
des übrigen Armenſchulweſens wurden auch dieſe Fabrikſchulen ausge-
bildet und zwar durch 3. 4 Will. IV. 103 (1833), 7 Vict. 13 (1844)

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[96/0124] hatte. Sofort trat ihr die ſtreng kirchliche Partei der National Society (1811) entgegen, welche die kirchliche Bildung als Hauptſache aufſtellte, und den eigentlichen Unterricht, die secular education, beinahe direkt verdammte. Will man ſehen, bis zu welchem pädagogiſchen und metho- diſchen Unverſtand die letztere geht, ſo vergl. man Seniors Angaben S. 21 ff. (z. B. eine Frage an einen Schüler: „Welche Ereigniſſe knüpfen ſich an Hobah, Berlabai, Roi, Mizbeh, Peniel, Skolem, Ske- chem, Luz“? u. ſ. w.). Dieſe mit Recht ſo genannte Misdirected In- struction machte aus jenen Vereinsſchulen reine Parteiſchulen, und be- ſchränkte und ſtörte alle ihre Wirkung, trotzdem daß (nach Wagner) Lancaſter die Methode der erſtern, Bell die der zweiten weſentlich refor- mirte. An eine Volksſchulbildung war bei den erſten durch den Mangel an Kräften, bei den zweiten durch den Mangel an Freiheit nicht zu denken. Aber Armenſchulen blieben beide. Ihr gemeinſamer Haupt- erfolg war, daß man allmählig eine gewiſſe Bildung auch der niederſten Klaſſe für nothwendig erkannte. Daraus geht die folgende Epoche hervor. Dieſe dritte Epoche beginnt mit dem Grundſatz, daß die Kin- derarbeit in den Fabriken mit einem Elementarunterricht verbunden ſein ſoll; ſie geht über zu dem Satz, daß die Armenkinder überhaupt nicht ohne Unterricht bleiben ſollen, und langt endlich bei dem Grundſatz an, daß die Polizei das Recht haben ſolle, herumtreibende Kinder in die Schule zu ſchicken. So entſteht das ſpecifiſch engliſche Syſtem des Armen- oder Hülfsſchulweſens, das mithin in den Orten, der Factory schools, der Pauper schools und der Vagrant (ragged) schools be- ſteht, ſich gerade dadurch nur noch ſtrenger von dem deutſchen Schul- weſen der beſitzenden Klaſſe ſcheidet, aber andrerſeits der Verwaltung Anlaß, Recht und Pflicht gibt, ſich wenigſtens für das Volksſchulweſen anzunehmen, eine Behörde dafür aufzuſtellen (1833) und eine möglichſt ſyſtematiſche Armenſchulgeſetzgebung (den Revised Code) zu erlaſſen. Der Ganz der Entwicklung iſt folgender. Den Beginn bildet die, von dem edlen Robert Peel (dem Stammherrn des Hauſes) durchgeführte Kinderarbeitsbill (42 Georg. III. 73), nach welcher die Kinder nicht nur nicht länger als 12 Stunden täglich arbeiten, ſondern die Fabrikherrn verpflichtet ſein ſollen, täg- lich ihren arbeitenden Kindern wenigſtens vier Jahre hindurch in einer in der Fabrik angelegten Schule, von einem von ihnen ſelbſt gezahlten Lehrer, Unterricht im Leſen, Schreiben und Rechnen geben zu laſſen. Dieß blieb ungeändert mehr als zwanzig Jahre hindurch Rechtens, aber ohne Aufſicht, und mithin ohne Erfolg. Erſt in Folge der Entwicklung des übrigen Armenſchulweſens wurden auch dieſe Fabrikſchulen ausge- bildet und zwar durch 3. 4 Will. IV. 103 (1833), 7 Vict. 13 (1844)

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/124>, abgerufen am 24.11.2024.