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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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wesen für alle Berufe zu beherrschen hat. Es ist der der möglichst
gleichartigen Vorbildung und der möglichst besonderen
Fachbildung
. Da aber die Idee des Berufes auch in dem be-
stimmtesten Einzelberuf fortlebt, so soll auch die nach dem obigen
Grundsatze specialisirte Fachbildung trotz ihrer Besonderheit sich niemals
auf ihre formale Gränze beschränken. Sie soll vielmehr von einer Ar-
beit der allgemeinen Bildung begleitet sein, welche jene höhere Auf-
fassung in dem Einzelnen lebendig erhält; sie ist neben der Special-
bildung ihrem höheren Wesen nach stets eine Fortsetzung der Vor-
bildung
; sie bildet in jener für das Fach, in dieser für das Leben
der Menschheit und verläßt ihn erst da, wo mit der vollen Selbständig-
keit des Einzelnen die Funktion des dritten Gebiets des Bildungswesens,
der allgemeinen Bildung, beginnt.

III. Das formale System der Berufe und der Berufs-
bildung
. -- Auf diesen einfachen, für den Beruf überhaupt geltenden
Grundlagen entsteht nun das, was wir das System der Berufsbildung
nennen, indem die Berufe selbst sich in große, innerlich und äußerlich
gleichartige Gruppen sondern.

Es gibt nur Einen Weg, in der ungemessenen Mannichfaltigkeit
der Lebensberufe zu einer Eintheilung derselben zu gelangen, welche zu-
gleich der Sache und der Form entspräche. Denn es ist allen Lebens-
aufgaben ohne Unterschied gemein, daß sie eine geistige und zugleich
äußerliche Arbeit enthalten; jede Lebensaufgabe wird in ihrer Erfüllung
wesentlich durch das Individuum bedingt; jede Lebensaufgabe hat ihr
nächstes Ziel in dem Einzelnen, ihr ferneres in der Gemeinschaft, die
zuletzt alle Unterschiede verschwinden läßt. Daher kann nur Eins diese
Unterschiede für alle gleichmäßig festhalten. Das ist die Natur des
Objekts oder des Stoffes, dem die Lebensthätigkeit des Einzelnen sich
unterwirft. Dieses Objekt ist nun entweder die Welt der geistigen, der
äußeren Begränzung sich entziehenden Thatsachen, oder die Welt der
natürlichen Dinge, oder endlich die Welt der unmittelbar schöpferischen
Kräfte des menschlichen Geistes. Die Lebensaufgaben nun, welche die
Thatsachen des geistigen Lebens durch Einzelarbeit dem menschlichen
Leben unterwerfen, bilden den geistigen Beruf; diejenigen, welche das
natürliche Dasein den menschlichen Zwecken dienstbar machen, bilden den
wirthschaftlichen Beruf; diejenigen, welche die reine Anschauung
zur wirklichen Darstellung bringen, bilden den künstlerischen Beruf.
Eine äußere Gränze ist dabei nicht zu ziehen, wenn man darunter eine
materielle Trennung der verschiedenen Funktionen versteht. Es ist nicht
einmal eine scharfe innere Gränze denkbar, denn jeder Beruf nimmt in
seiner Weise die Thätigkeit des anderen in sich auf. Wohl aber sind

weſen für alle Berufe zu beherrſchen hat. Es iſt der der möglichſt
gleichartigen Vorbildung und der möglichſt beſonderen
Fachbildung
. Da aber die Idee des Berufes auch in dem be-
ſtimmteſten Einzelberuf fortlebt, ſo ſoll auch die nach dem obigen
Grundſatze ſpecialiſirte Fachbildung trotz ihrer Beſonderheit ſich niemals
auf ihre formale Gränze beſchränken. Sie ſoll vielmehr von einer Ar-
beit der allgemeinen Bildung begleitet ſein, welche jene höhere Auf-
faſſung in dem Einzelnen lebendig erhält; ſie iſt neben der Special-
bildung ihrem höheren Weſen nach ſtets eine Fortſetzung der Vor-
bildung
; ſie bildet in jener für das Fach, in dieſer für das Leben
der Menſchheit und verläßt ihn erſt da, wo mit der vollen Selbſtändig-
keit des Einzelnen die Funktion des dritten Gebiets des Bildungsweſens,
der allgemeinen Bildung, beginnt.

III. Das formale Syſtem der Berufe und der Berufs-
bildung
. — Auf dieſen einfachen, für den Beruf überhaupt geltenden
Grundlagen entſteht nun das, was wir das Syſtem der Berufsbildung
nennen, indem die Berufe ſelbſt ſich in große, innerlich und äußerlich
gleichartige Gruppen ſondern.

Es gibt nur Einen Weg, in der ungemeſſenen Mannichfaltigkeit
der Lebensberufe zu einer Eintheilung derſelben zu gelangen, welche zu-
gleich der Sache und der Form entſpräche. Denn es iſt allen Lebens-
aufgaben ohne Unterſchied gemein, daß ſie eine geiſtige und zugleich
äußerliche Arbeit enthalten; jede Lebensaufgabe wird in ihrer Erfüllung
weſentlich durch das Individuum bedingt; jede Lebensaufgabe hat ihr
nächſtes Ziel in dem Einzelnen, ihr ferneres in der Gemeinſchaft, die
zuletzt alle Unterſchiede verſchwinden läßt. Daher kann nur Eins dieſe
Unterſchiede für alle gleichmäßig feſthalten. Das iſt die Natur des
Objekts oder des Stoffes, dem die Lebensthätigkeit des Einzelnen ſich
unterwirft. Dieſes Objekt iſt nun entweder die Welt der geiſtigen, der
äußeren Begränzung ſich entziehenden Thatſachen, oder die Welt der
natürlichen Dinge, oder endlich die Welt der unmittelbar ſchöpferiſchen
Kräfte des menſchlichen Geiſtes. Die Lebensaufgaben nun, welche die
Thatſachen des geiſtigen Lebens durch Einzelarbeit dem menſchlichen
Leben unterwerfen, bilden den geiſtigen Beruf; diejenigen, welche das
natürliche Daſein den menſchlichen Zwecken dienſtbar machen, bilden den
wirthſchaftlichen Beruf; diejenigen, welche die reine Anſchauung
zur wirklichen Darſtellung bringen, bilden den künſtleriſchen Beruf.
Eine äußere Gränze iſt dabei nicht zu ziehen, wenn man darunter eine
materielle Trennung der verſchiedenen Funktionen verſteht. Es iſt nicht
einmal eine ſcharfe innere Gränze denkbar, denn jeder Beruf nimmt in
ſeiner Weiſe die Thätigkeit des anderen in ſich auf. Wohl aber ſind

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[152/0180] weſen für alle Berufe zu beherrſchen hat. Es iſt der der möglichſt gleichartigen Vorbildung und der möglichſt beſonderen Fachbildung. Da aber die Idee des Berufes auch in dem be- ſtimmteſten Einzelberuf fortlebt, ſo ſoll auch die nach dem obigen Grundſatze ſpecialiſirte Fachbildung trotz ihrer Beſonderheit ſich niemals auf ihre formale Gränze beſchränken. Sie ſoll vielmehr von einer Ar- beit der allgemeinen Bildung begleitet ſein, welche jene höhere Auf- faſſung in dem Einzelnen lebendig erhält; ſie iſt neben der Special- bildung ihrem höheren Weſen nach ſtets eine Fortſetzung der Vor- bildung; ſie bildet in jener für das Fach, in dieſer für das Leben der Menſchheit und verläßt ihn erſt da, wo mit der vollen Selbſtändig- keit des Einzelnen die Funktion des dritten Gebiets des Bildungsweſens, der allgemeinen Bildung, beginnt. III. Das formale Syſtem der Berufe und der Berufs- bildung. — Auf dieſen einfachen, für den Beruf überhaupt geltenden Grundlagen entſteht nun das, was wir das Syſtem der Berufsbildung nennen, indem die Berufe ſelbſt ſich in große, innerlich und äußerlich gleichartige Gruppen ſondern. Es gibt nur Einen Weg, in der ungemeſſenen Mannichfaltigkeit der Lebensberufe zu einer Eintheilung derſelben zu gelangen, welche zu- gleich der Sache und der Form entſpräche. Denn es iſt allen Lebens- aufgaben ohne Unterſchied gemein, daß ſie eine geiſtige und zugleich äußerliche Arbeit enthalten; jede Lebensaufgabe wird in ihrer Erfüllung weſentlich durch das Individuum bedingt; jede Lebensaufgabe hat ihr nächſtes Ziel in dem Einzelnen, ihr ferneres in der Gemeinſchaft, die zuletzt alle Unterſchiede verſchwinden läßt. Daher kann nur Eins dieſe Unterſchiede für alle gleichmäßig feſthalten. Das iſt die Natur des Objekts oder des Stoffes, dem die Lebensthätigkeit des Einzelnen ſich unterwirft. Dieſes Objekt iſt nun entweder die Welt der geiſtigen, der äußeren Begränzung ſich entziehenden Thatſachen, oder die Welt der natürlichen Dinge, oder endlich die Welt der unmittelbar ſchöpferiſchen Kräfte des menſchlichen Geiſtes. Die Lebensaufgaben nun, welche die Thatſachen des geiſtigen Lebens durch Einzelarbeit dem menſchlichen Leben unterwerfen, bilden den geiſtigen Beruf; diejenigen, welche das natürliche Daſein den menſchlichen Zwecken dienſtbar machen, bilden den wirthſchaftlichen Beruf; diejenigen, welche die reine Anſchauung zur wirklichen Darſtellung bringen, bilden den künſtleriſchen Beruf. Eine äußere Gränze iſt dabei nicht zu ziehen, wenn man darunter eine materielle Trennung der verſchiedenen Funktionen verſteht. Es iſt nicht einmal eine ſcharfe innere Gränze denkbar, denn jeder Beruf nimmt in ſeiner Weiſe die Thätigkeit des anderen in ſich auf. Wohl aber ſind

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/180>, abgerufen am 21.11.2024.