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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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jene Berufe ihrem Wesen nach verschieden, denn die Natur des Objekts
erzeugt für jeden Beruf eine charakteristische Gestaltung der geistigen
und äußern Thätigkeiten, deren Grund in dem Streben liegt, alles
was der Mensch geistig und äußerlich vermag, für die Erfüllung jenes
Berufes zu eignen. Die Macht des Berufes wird dadurch über den
Einzelnen so groß, daß er sich mit seiner geistigen ja zum Theil mit
seiner physischen Individualität identificirt; der Mensch wird erst zum
Träger, dann zum Bilde seines Berufes, bis ihm die Gesellschaft oder
der Staat gar die Symbole des letzteren geben. Doch ist es nicht unsere
Sache, hierauf einzugehen. Wohl aber haben wir es zu bezeichnen,
wie sich dazu nun der Begriff des öffentlichen Berufes verhält; denn
daran knüpft sich die spätere Gestalt des Bildungswesens.

Allerdings nun müssen wir hier auf ein anderes Gebiet der Wissen-
schaft verweisen, die Wissenschaft der Gesellschaft. Es ist eine ihrer
Hauptaufgaben, eben die Entstehung des öffentlichen Berufes, seine
Anerkennung und seine Macht aus dem Berufe an sich zu zeigen. Ein-
fach nun ist dieser Proceß in dem geistigen Berufe und es darf uns
vielleicht verstattet werden, das hier näher zu bezeichnen, weil wir es
unten zu gebrauchen haben. So wie sich nämlich bei steigender Ge-
sittung die Nothwendigkeit und damit die Selbständigkeit derjenigen
Funktionen zeigt, welche den Inhalt des geistigen Berufes bilden, so
scheidet er sich von dem Gesammtleben aus und fordert und erzeugt
im Namen seiner geistigen Berechtigung einen ihm eigenen speciell für
ihn bestimmten Besitz, der die wirthschaftliche Grundlage der selbstän-
digen Berufsfunktion bildet und der daher ein Eigenthum der Berufs-
genossen ist. Sowie das geschieht, ist der Beruf eine zugleich öffentlich
rechtliche Thatsache mit bestimmtem Recht, bestimmter Macht, bestimmter
innerer Ordnung; und diesen mit eigenem Besitz, Macht und Ordnung
versehenen Beruf nennen wir den Stand. Jeder geistige Beruf wird
daher stets zu einem Stande; der Stand ist die Form der Anerkennung
und des Daseins des öffentlichen Berufes. Indem nun dieser geistige
Beruf sich selbst wieder in bestimmte große Funktionen theilt, entstehen
die Berufsarten, welche im obigen Sinne die Stände sind. Die Natur
des Berufs enthält dafür drei Grundformen -- die Funktion, die Kraft
der Gemeinschaft als solche darzustellen, den Wehrstand, den Krieger-
stand; die Funktion der Entwicklung des rein geistigen Lebens, Geist-
lichkeit und Lehre -- den Lehrstand; und die Funktion der Thätigkeit
des Staats im weitesten Sinne -- den Stand des Amts. Wie nun diese
Funktionen in vielfachster Weise geordnet, oft in denselben Personen
vereinigt, oft getrennt, feindlich und freundlich neben einander stehen,
hat die Geschichte zu entwickeln; wie jeder Stand wieder in sich die

jene Berufe ihrem Weſen nach verſchieden, denn die Natur des Objekts
erzeugt für jeden Beruf eine charakteriſtiſche Geſtaltung der geiſtigen
und äußern Thätigkeiten, deren Grund in dem Streben liegt, alles
was der Menſch geiſtig und äußerlich vermag, für die Erfüllung jenes
Berufes zu eignen. Die Macht des Berufes wird dadurch über den
Einzelnen ſo groß, daß er ſich mit ſeiner geiſtigen ja zum Theil mit
ſeiner phyſiſchen Individualität identificirt; der Menſch wird erſt zum
Träger, dann zum Bilde ſeines Berufes, bis ihm die Geſellſchaft oder
der Staat gar die Symbole des letzteren geben. Doch iſt es nicht unſere
Sache, hierauf einzugehen. Wohl aber haben wir es zu bezeichnen,
wie ſich dazu nun der Begriff des öffentlichen Berufes verhält; denn
daran knüpft ſich die ſpätere Geſtalt des Bildungsweſens.

Allerdings nun müſſen wir hier auf ein anderes Gebiet der Wiſſen-
ſchaft verweiſen, die Wiſſenſchaft der Geſellſchaft. Es iſt eine ihrer
Hauptaufgaben, eben die Entſtehung des öffentlichen Berufes, ſeine
Anerkennung und ſeine Macht aus dem Berufe an ſich zu zeigen. Ein-
fach nun iſt dieſer Proceß in dem geiſtigen Berufe und es darf uns
vielleicht verſtattet werden, das hier näher zu bezeichnen, weil wir es
unten zu gebrauchen haben. So wie ſich nämlich bei ſteigender Ge-
ſittung die Nothwendigkeit und damit die Selbſtändigkeit derjenigen
Funktionen zeigt, welche den Inhalt des geiſtigen Berufes bilden, ſo
ſcheidet er ſich von dem Geſammtleben aus und fordert und erzeugt
im Namen ſeiner geiſtigen Berechtigung einen ihm eigenen ſpeciell für
ihn beſtimmten Beſitz, der die wirthſchaftliche Grundlage der ſelbſtän-
digen Berufsfunktion bildet und der daher ein Eigenthum der Berufs-
genoſſen iſt. Sowie das geſchieht, iſt der Beruf eine zugleich öffentlich
rechtliche Thatſache mit beſtimmtem Recht, beſtimmter Macht, beſtimmter
innerer Ordnung; und dieſen mit eigenem Beſitz, Macht und Ordnung
verſehenen Beruf nennen wir den Stand. Jeder geiſtige Beruf wird
daher ſtets zu einem Stande; der Stand iſt die Form der Anerkennung
und des Daſeins des öffentlichen Berufes. Indem nun dieſer geiſtige
Beruf ſich ſelbſt wieder in beſtimmte große Funktionen theilt, entſtehen
die Berufsarten, welche im obigen Sinne die Stände ſind. Die Natur
des Berufs enthält dafür drei Grundformen — die Funktion, die Kraft
der Gemeinſchaft als ſolche darzuſtellen, den Wehrſtand, den Krieger-
ſtand; die Funktion der Entwicklung des rein geiſtigen Lebens, Geiſt-
lichkeit und Lehre — den Lehrſtand; und die Funktion der Thätigkeit
des Staats im weiteſten Sinne — den Stand des Amts. Wie nun dieſe
Funktionen in vielfachſter Weiſe geordnet, oft in denſelben Perſonen
vereinigt, oft getrennt, feindlich und freundlich neben einander ſtehen,
hat die Geſchichte zu entwickeln; wie jeder Stand wieder in ſich die

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[153/0181] jene Berufe ihrem Weſen nach verſchieden, denn die Natur des Objekts erzeugt für jeden Beruf eine charakteriſtiſche Geſtaltung der geiſtigen und äußern Thätigkeiten, deren Grund in dem Streben liegt, alles was der Menſch geiſtig und äußerlich vermag, für die Erfüllung jenes Berufes zu eignen. Die Macht des Berufes wird dadurch über den Einzelnen ſo groß, daß er ſich mit ſeiner geiſtigen ja zum Theil mit ſeiner phyſiſchen Individualität identificirt; der Menſch wird erſt zum Träger, dann zum Bilde ſeines Berufes, bis ihm die Geſellſchaft oder der Staat gar die Symbole des letzteren geben. Doch iſt es nicht unſere Sache, hierauf einzugehen. Wohl aber haben wir es zu bezeichnen, wie ſich dazu nun der Begriff des öffentlichen Berufes verhält; denn daran knüpft ſich die ſpätere Geſtalt des Bildungsweſens. Allerdings nun müſſen wir hier auf ein anderes Gebiet der Wiſſen- ſchaft verweiſen, die Wiſſenſchaft der Geſellſchaft. Es iſt eine ihrer Hauptaufgaben, eben die Entſtehung des öffentlichen Berufes, ſeine Anerkennung und ſeine Macht aus dem Berufe an ſich zu zeigen. Ein- fach nun iſt dieſer Proceß in dem geiſtigen Berufe und es darf uns vielleicht verſtattet werden, das hier näher zu bezeichnen, weil wir es unten zu gebrauchen haben. So wie ſich nämlich bei ſteigender Ge- ſittung die Nothwendigkeit und damit die Selbſtändigkeit derjenigen Funktionen zeigt, welche den Inhalt des geiſtigen Berufes bilden, ſo ſcheidet er ſich von dem Geſammtleben aus und fordert und erzeugt im Namen ſeiner geiſtigen Berechtigung einen ihm eigenen ſpeciell für ihn beſtimmten Beſitz, der die wirthſchaftliche Grundlage der ſelbſtän- digen Berufsfunktion bildet und der daher ein Eigenthum der Berufs- genoſſen iſt. Sowie das geſchieht, iſt der Beruf eine zugleich öffentlich rechtliche Thatſache mit beſtimmtem Recht, beſtimmter Macht, beſtimmter innerer Ordnung; und dieſen mit eigenem Beſitz, Macht und Ordnung verſehenen Beruf nennen wir den Stand. Jeder geiſtige Beruf wird daher ſtets zu einem Stande; der Stand iſt die Form der Anerkennung und des Daſeins des öffentlichen Berufes. Indem nun dieſer geiſtige Beruf ſich ſelbſt wieder in beſtimmte große Funktionen theilt, entſtehen die Berufsarten, welche im obigen Sinne die Stände ſind. Die Natur des Berufs enthält dafür drei Grundformen — die Funktion, die Kraft der Gemeinſchaft als ſolche darzuſtellen, den Wehrſtand, den Krieger- ſtand; die Funktion der Entwicklung des rein geiſtigen Lebens, Geiſt- lichkeit und Lehre — den Lehrſtand; und die Funktion der Thätigkeit des Staats im weiteſten Sinne — den Stand des Amts. Wie nun dieſe Funktionen in vielfachſter Weiſe geordnet, oft in denſelben Perſonen vereinigt, oft getrennt, feindlich und freundlich neben einander ſtehen, hat die Geſchichte zu entwickeln; wie jeder Stand wieder in ſich die

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/181>, abgerufen am 21.11.2024.