Allerdings nun entwickelt sich dieß öffentliche Berufsbildungswesen nicht mit einemmale. Wir werden unten die Stadien bezeichnen, welche es zu durchlaufen hatte, um seinen gegenwärtigen Standpunkt zu ge- winnen. Allein so wie es demselben sich nähert, kann die Verwaltung nicht mehr bei dem allgemeinen Verhalten zu demselben stehen bleiben. Sie muß thätig eingreifen, alle Punkte desselben erfassen, für alle Fragen eine bestimmte Auffassung besitzen, und mithin aus den beiden obigen Principien der Freiheit des Berufes an sich und dem öffent- lichen Recht desselben ein Rechtssystem des öffentlichen Bildungswesens entwickeln.
2) Das Rechtssystem des öffentlichen Berufsbildungs- wesens an sich.
Das Rechtssystem des Berufsbildungswesens ist nun seinem Wesen nach die Verschmelzung jener beiden Principien zu einem organischen Ganzen von Bestimmungen, in welchem die Freiheit des Berufs neben und in dem Principe der Verwaltung der Berufsbildung gewahrt wird. Dieses Rechtssystem ist nun ein sehr einfaches, historisch wie systematisch, so lange es sich nur noch um den geistigen Beruf handelt; denn die Funktionen desselben haben, wie wir sehen werden, den Charakter von öffentlichen Funktionen. So wie aber der künstlerische Beruf öffentliche Geltung bekommt, und der wirthschaftliche Erwerb überhaupt als eine bestimmte Form des Berufes anerkannt wird, treten neue Gesichtspunkte hinzu, welche für das ganze Rechtssystem maßgebend werden, indem sie das Recht der Berufsbildung für jede einzelne Gruppe des Berufes als ein besonderes erscheinen lassen. Diese tiefe Verschiedenheit ist es, welche der Gesammtauffassung des Berufsbildungswesens am meisten entgegen steht. Um so mehr ist es nothwendig, jenes System zunächst als ein Ganzes darzustellen.
Wir müssen nun die Grundlagen desselben auf drei Punkte zurück- führen: auf die Grundsätze für die Berufsbildungsanstalten, für die Be- rufsbildungsfreiheit und für das Recht der wirklichen erworbenen Berufsbildung.
I. Das öffentliche Recht der Berufsbildungsanstalten ent- hält die Grundsätze für die Errichtung und für die Verwaltung derselben.
So lange die Berufsbildung in ihrer organischen Bedeutung von der Gemeinschaft nicht anerkannt ist, wird natürlich die Errichtung der für sie bestimmten Anstalten dem Zufall, dem Einzelbedürfniß oder den rein gesellschaftlichen Verhältnissen überlassen. Sobald dagegen jene Bildung ihrerseits als eine Bedingung der allgemeinen Wohlfahrt
Stein, die Verwaltungslehre. V. 11
Allerdings nun entwickelt ſich dieß öffentliche Berufsbildungsweſen nicht mit einemmale. Wir werden unten die Stadien bezeichnen, welche es zu durchlaufen hatte, um ſeinen gegenwärtigen Standpunkt zu ge- winnen. Allein ſo wie es demſelben ſich nähert, kann die Verwaltung nicht mehr bei dem allgemeinen Verhalten zu demſelben ſtehen bleiben. Sie muß thätig eingreifen, alle Punkte deſſelben erfaſſen, für alle Fragen eine beſtimmte Auffaſſung beſitzen, und mithin aus den beiden obigen Principien der Freiheit des Berufes an ſich und dem öffent- lichen Recht deſſelben ein Rechtsſyſtem des öffentlichen Bildungsweſens entwickeln.
2) Das Rechtsſyſtem des öffentlichen Berufsbildungs- weſens an ſich.
Das Rechtsſyſtem des Berufsbildungsweſens iſt nun ſeinem Weſen nach die Verſchmelzung jener beiden Principien zu einem organiſchen Ganzen von Beſtimmungen, in welchem die Freiheit des Berufs neben und in dem Principe der Verwaltung der Berufsbildung gewahrt wird. Dieſes Rechtsſyſtem iſt nun ein ſehr einfaches, hiſtoriſch wie ſyſtematiſch, ſo lange es ſich nur noch um den geiſtigen Beruf handelt; denn die Funktionen deſſelben haben, wie wir ſehen werden, den Charakter von öffentlichen Funktionen. So wie aber der künſtleriſche Beruf öffentliche Geltung bekommt, und der wirthſchaftliche Erwerb überhaupt als eine beſtimmte Form des Berufes anerkannt wird, treten neue Geſichtspunkte hinzu, welche für das ganze Rechtsſyſtem maßgebend werden, indem ſie das Recht der Berufsbildung für jede einzelne Gruppe des Berufes als ein beſonderes erſcheinen laſſen. Dieſe tiefe Verſchiedenheit iſt es, welche der Geſammtauffaſſung des Berufsbildungsweſens am meiſten entgegen ſteht. Um ſo mehr iſt es nothwendig, jenes Syſtem zunächſt als ein Ganzes darzuſtellen.
Wir müſſen nun die Grundlagen deſſelben auf drei Punkte zurück- führen: auf die Grundſätze für die Berufsbildungsanſtalten, für die Be- rufsbildungsfreiheit und für das Recht der wirklichen erworbenen Berufsbildung.
I. Das öffentliche Recht der Berufsbildungsanſtalten ent- hält die Grundſätze für die Errichtung und für die Verwaltung derſelben.
So lange die Berufsbildung in ihrer organiſchen Bedeutung von der Gemeinſchaft nicht anerkannt iſt, wird natürlich die Errichtung der für ſie beſtimmten Anſtalten dem Zufall, dem Einzelbedürfniß oder den rein geſellſchaftlichen Verhältniſſen überlaſſen. Sobald dagegen jene Bildung ihrerſeits als eine Bedingung der allgemeinen Wohlfahrt
Stein, die Verwaltungslehre. V. 11
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winnen. Allein ſo wie es demſelben ſich nähert, kann die Verwaltung
nicht mehr bei dem allgemeinen Verhalten zu demſelben ſtehen bleiben.
Sie muß thätig eingreifen, alle Punkte deſſelben erfaſſen, für alle
Fragen eine beſtimmte Auffaſſung beſitzen, und mithin aus den beiden
obigen Principien der Freiheit des Berufes an ſich und dem öffent-
lichen Recht deſſelben ein Rechtsſyſtem des öffentlichen Bildungsweſens
entwickeln.
2) Das Rechtsſyſtem des öffentlichen Berufsbildungs-
weſens an ſich.
Das Rechtsſyſtem des Berufsbildungsweſens iſt nun ſeinem Weſen
nach die Verſchmelzung jener beiden Principien zu einem organiſchen
Ganzen von Beſtimmungen, in welchem die Freiheit des Berufs neben
und in dem Principe der Verwaltung der Berufsbildung gewahrt wird.
Dieſes Rechtsſyſtem iſt nun ein ſehr einfaches, hiſtoriſch wie ſyſtematiſch,
ſo lange es ſich nur noch um den geiſtigen Beruf handelt; denn die
Funktionen deſſelben haben, wie wir ſehen werden, den Charakter von
öffentlichen Funktionen. So wie aber der künſtleriſche Beruf öffentliche
Geltung bekommt, und der wirthſchaftliche Erwerb überhaupt als eine
beſtimmte Form des Berufes anerkannt wird, treten neue Geſichtspunkte
hinzu, welche für das ganze Rechtsſyſtem maßgebend werden, indem
ſie das Recht der Berufsbildung für jede einzelne Gruppe des Berufes
als ein beſonderes erſcheinen laſſen. Dieſe tiefe Verſchiedenheit
iſt es, welche der Geſammtauffaſſung des Berufsbildungsweſens am
meiſten entgegen ſteht. Um ſo mehr iſt es nothwendig, jenes Syſtem
zunächſt als ein Ganzes darzuſtellen.
Wir müſſen nun die Grundlagen deſſelben auf drei Punkte zurück-
führen: auf die Grundſätze für die Berufsbildungsanſtalten, für die Be-
rufsbildungsfreiheit und für das Recht der wirklichen erworbenen
Berufsbildung.
I. Das öffentliche Recht der Berufsbildungsanſtalten ent-
hält die Grundſätze für die Errichtung und für die Verwaltung
derſelben.
So lange die Berufsbildung in ihrer organiſchen Bedeutung von
der Gemeinſchaft nicht anerkannt iſt, wird natürlich die Errichtung der
für ſie beſtimmten Anſtalten dem Zufall, dem Einzelbedürfniß oder
den rein geſellſchaftlichen Verhältniſſen überlaſſen. Sobald dagegen
jene Bildung ihrerſeits als eine Bedingung der allgemeinen Wohlfahrt
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/189>, abgerufen am 16.02.2025.
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