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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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daß das Bestehen der Prüfung die rechtliche Bedingung des Ueberganges
von einer Klasse zur andern ist, meistens mit dem Zusatz, daß nach
ein- oder zweimaligem Nichtbestehen der Betreffende von der ganzen
Bildungsanstalt ausgeschlossen wird. Dieses Prüfungssystem ist im
Wesentlichen das der Vorbildungsanstalten und zwar wesentlich der
gelehrten; zum Theil aber auch der wirthschaftlichen wie der Realschule
und der Realgymnasien; doch bemerken wir, daß wir außer Stande
waren, darüber etwas Genaueres zu erfahren, indem hier in den ein-
zelnen Ländern nicht unbedeutende Unterschiede obwalten. Bei den Fach-
bildungsanstalten ist das Verhältniß in Deutschland wesentlich verschie-
den von dem in den romanischen Ländern. Deutschland hat im All-
gemeinen gar keine Studienprüfungen für dieselben, da die Abgangs-
prüfung der Vorbildungsanstalt als Aufnahmsprüfung für die Fach-
bildungsanstalt gilt. Nur in Oesterreich existirt an den Universitäten
bei Juristen die rechtshistorische Staatsprüfung als Uebergangsprüfung
vom zweiten Studienjahre zum dritten; daneben das eigenthümliche,
sehr beachtenswerthe Institut der "Colloquien," eine Einzelprüfung,
die für gewisse Fälle vorgeschrieben ist, wo der Studienfleiß des Einzel-
nen als Bedingung für gewisse Benefizien (Stipendien etc.) erscheint.
In Frankreich dagegen sehen wir noch das alte Baccalaureat als eigent-
liche Studienprüfung bestehen, jedoch mit dem eigenthümlichen Charakter
zugleich eine Art von Berufsprüfung zu gelten. Das Element der Bil-
dungsfreiheit wird dadurch gewahrt, daß nicht bloß jeder in jedem Augen-
blick aus dem Bildungsgange austreten kann, sondern daß so weit es
irgend thunlich ist, die Prüfung der einen Studienanstalt als Aufnahms-
prüfung für die andere gilt, was namentlich das entscheidende Moment
für die ganze Stellung der Realgymnasien geworden ist. Zweitens aber
erscheint das Moment der Bildungsfreiheit in dem Studienprüfungs-
system darin, daß die nicht staatlichen Bildungsanstalten ihrerseits an
gar kein Prüfungssystem gebunden sind, sondern sich dasselbe selbst
ordnen und über den Werth und die Formen desselben selbst entscheiden
können. Die allerdings durchgreifende Gleichartigkeit des Prüfungs-
systems der letzteren mit denen der staatlichen Anstalten hat nun eine,
wesentlich auf dem Prüfungsrecht beruhende Kategorie im Recht der
Bildungsanstalten hervorgerufen. Das sind nämlich die Privatbil-
dungsanstalten mit öffentlichem Recht
. Diese letzteren sind
bekanntlich solche, deren Prüfungen das Recht der öffentlichen Studien-
prüfungen haben, und daher namentlich als Uebergangsprüfungen zu
den Fachbildungsanstalten gelten. Die Voraussetzung für den Erwerb
dieses Prüfungsrechts bildet die Gleichheit des Bildungsganges dieser
Anstalten mit denen des Staats und die formelle Approbation des

Stein, die Verwaltungslehre. V. 12

daß das Beſtehen der Prüfung die rechtliche Bedingung des Ueberganges
von einer Klaſſe zur andern iſt, meiſtens mit dem Zuſatz, daß nach
ein- oder zweimaligem Nichtbeſtehen der Betreffende von der ganzen
Bildungsanſtalt ausgeſchloſſen wird. Dieſes Prüfungsſyſtem iſt im
Weſentlichen das der Vorbildungsanſtalten und zwar weſentlich der
gelehrten; zum Theil aber auch der wirthſchaftlichen wie der Realſchule
und der Realgymnaſien; doch bemerken wir, daß wir außer Stande
waren, darüber etwas Genaueres zu erfahren, indem hier in den ein-
zelnen Ländern nicht unbedeutende Unterſchiede obwalten. Bei den Fach-
bildungsanſtalten iſt das Verhältniß in Deutſchland weſentlich verſchie-
den von dem in den romaniſchen Ländern. Deutſchland hat im All-
gemeinen gar keine Studienprüfungen für dieſelben, da die Abgangs-
prüfung der Vorbildungsanſtalt als Aufnahmsprüfung für die Fach-
bildungsanſtalt gilt. Nur in Oeſterreich exiſtirt an den Univerſitäten
bei Juriſten die rechtshiſtoriſche Staatsprüfung als Uebergangsprüfung
vom zweiten Studienjahre zum dritten; daneben das eigenthümliche,
ſehr beachtenswerthe Inſtitut der „Colloquien,“ eine Einzelprüfung,
die für gewiſſe Fälle vorgeſchrieben iſt, wo der Studienfleiß des Einzel-
nen als Bedingung für gewiſſe Benefizien (Stipendien ꝛc.) erſcheint.
In Frankreich dagegen ſehen wir noch das alte Baccalaureat als eigent-
liche Studienprüfung beſtehen, jedoch mit dem eigenthümlichen Charakter
zugleich eine Art von Berufsprüfung zu gelten. Das Element der Bil-
dungsfreiheit wird dadurch gewahrt, daß nicht bloß jeder in jedem Augen-
blick aus dem Bildungsgange austreten kann, ſondern daß ſo weit es
irgend thunlich iſt, die Prüfung der einen Studienanſtalt als Aufnahms-
prüfung für die andere gilt, was namentlich das entſcheidende Moment
für die ganze Stellung der Realgymnaſien geworden iſt. Zweitens aber
erſcheint das Moment der Bildungsfreiheit in dem Studienprüfungs-
ſyſtem darin, daß die nicht ſtaatlichen Bildungsanſtalten ihrerſeits an
gar kein Prüfungsſyſtem gebunden ſind, ſondern ſich daſſelbe ſelbſt
ordnen und über den Werth und die Formen deſſelben ſelbſt entſcheiden
können. Die allerdings durchgreifende Gleichartigkeit des Prüfungs-
ſyſtems der letzteren mit denen der ſtaatlichen Anſtalten hat nun eine,
weſentlich auf dem Prüfungsrecht beruhende Kategorie im Recht der
Bildungsanſtalten hervorgerufen. Das ſind nämlich die Privatbil-
dungsanſtalten mit öffentlichem Recht
. Dieſe letzteren ſind
bekanntlich ſolche, deren Prüfungen das Recht der öffentlichen Studien-
prüfungen haben, und daher namentlich als Uebergangsprüfungen zu
den Fachbildungsanſtalten gelten. Die Vorausſetzung für den Erwerb
dieſes Prüfungsrechts bildet die Gleichheit des Bildungsganges dieſer
Anſtalten mit denen des Staats und die formelle Approbation des

Stein, die Verwaltungslehre. V. 12
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[177/0205] daß das Beſtehen der Prüfung die rechtliche Bedingung des Ueberganges von einer Klaſſe zur andern iſt, meiſtens mit dem Zuſatz, daß nach ein- oder zweimaligem Nichtbeſtehen der Betreffende von der ganzen Bildungsanſtalt ausgeſchloſſen wird. Dieſes Prüfungsſyſtem iſt im Weſentlichen das der Vorbildungsanſtalten und zwar weſentlich der gelehrten; zum Theil aber auch der wirthſchaftlichen wie der Realſchule und der Realgymnaſien; doch bemerken wir, daß wir außer Stande waren, darüber etwas Genaueres zu erfahren, indem hier in den ein- zelnen Ländern nicht unbedeutende Unterſchiede obwalten. Bei den Fach- bildungsanſtalten iſt das Verhältniß in Deutſchland weſentlich verſchie- den von dem in den romaniſchen Ländern. Deutſchland hat im All- gemeinen gar keine Studienprüfungen für dieſelben, da die Abgangs- prüfung der Vorbildungsanſtalt als Aufnahmsprüfung für die Fach- bildungsanſtalt gilt. Nur in Oeſterreich exiſtirt an den Univerſitäten bei Juriſten die rechtshiſtoriſche Staatsprüfung als Uebergangsprüfung vom zweiten Studienjahre zum dritten; daneben das eigenthümliche, ſehr beachtenswerthe Inſtitut der „Colloquien,“ eine Einzelprüfung, die für gewiſſe Fälle vorgeſchrieben iſt, wo der Studienfleiß des Einzel- nen als Bedingung für gewiſſe Benefizien (Stipendien ꝛc.) erſcheint. In Frankreich dagegen ſehen wir noch das alte Baccalaureat als eigent- liche Studienprüfung beſtehen, jedoch mit dem eigenthümlichen Charakter zugleich eine Art von Berufsprüfung zu gelten. Das Element der Bil- dungsfreiheit wird dadurch gewahrt, daß nicht bloß jeder in jedem Augen- blick aus dem Bildungsgange austreten kann, ſondern daß ſo weit es irgend thunlich iſt, die Prüfung der einen Studienanſtalt als Aufnahms- prüfung für die andere gilt, was namentlich das entſcheidende Moment für die ganze Stellung der Realgymnaſien geworden iſt. Zweitens aber erſcheint das Moment der Bildungsfreiheit in dem Studienprüfungs- ſyſtem darin, daß die nicht ſtaatlichen Bildungsanſtalten ihrerſeits an gar kein Prüfungsſyſtem gebunden ſind, ſondern ſich daſſelbe ſelbſt ordnen und über den Werth und die Formen deſſelben ſelbſt entſcheiden können. Die allerdings durchgreifende Gleichartigkeit des Prüfungs- ſyſtems der letzteren mit denen der ſtaatlichen Anſtalten hat nun eine, weſentlich auf dem Prüfungsrecht beruhende Kategorie im Recht der Bildungsanſtalten hervorgerufen. Das ſind nämlich die Privatbil- dungsanſtalten mit öffentlichem Recht. Dieſe letzteren ſind bekanntlich ſolche, deren Prüfungen das Recht der öffentlichen Studien- prüfungen haben, und daher namentlich als Uebergangsprüfungen zu den Fachbildungsanſtalten gelten. Die Vorausſetzung für den Erwerb dieſes Prüfungsrechts bildet die Gleichheit des Bildungsganges dieſer Anſtalten mit denen des Staats und die formelle Approbation des Stein, die Verwaltungslehre. V. 12

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/205>, abgerufen am 21.11.2024.